Application Performance Monitoring

Im Gespräch mit Dr. Andreas Brunnert von RETIT

von - 07.03.2019
Dr. Andreas Brunnert
Dr. Andreas Brunnert: Geschäftsführer und Gesellschafter bei RETIT
(Quelle: RETIT )
Dr. Andreas Brunnert, geschäftsführender Gesellschafter des Software-Dienstleisters RETIT, erklärt im Gespräch mit com! pro­fessional, warum APM-Projekte oft an ganz banalen Fehlern scheitern.
com! professional: Herr Brunnert, Sie be­raten Unternehmen bei der Performance-Optimierung von Business-Anwendungen. Welche Rolle spielt dabei das Application Performance Monitoring?
Andreas Brunnert: Ich sehe Application Performance Monitoring als eine wesentliche Komponente zur Umsetzung von Digitalisierungsinitiativen. Durch die Digitalisierung zieht Software in immer mehr Unternehmensbereiche ein. Diese Entwicklung erfordert die Integration von Software-Systemen, die bisher nicht miteinander kommuniziert haben. Hinzu kommt die Einbindung externer Angebote wie Cloud-Instanzen und Software as a Service (SaaS). APM-Lösungen spielen auch dabei eine wesentliche Rolle.
com! professional: In welcher Hinsicht?
Brunnert: Nur wenn man die Transaktionsabläufe und komplexen Wechselwirkungen innerhalb und zwischen den Systemen versteht, kann man diese kontrollieren und steuern. Genau diese Transparenz bietet APM.
com! professional: Was sind die größten Herausforderungen beim Application Performance Monitoring?
Brunnert: Eine der größten Herausforderungen aller APM-Lösungen ist es, mit der technologischen Entwicklung Schritt zu halten. Wenn zum Beispiel eine neue Programmiersprache oder ein neues Framework zur Software-Entwicklung eingeführt wird, kostet es einige Zeit, ein entsprechendes Monitoring dafür bereitzustellen. Diesen Aufwand müssen derzeit alle APM-Anbieter individuell betreiben, was zusätzliche Kosten verursacht und somit die Preise für APM-Lösungen nach oben treibt.
com! professional: Gibt es eine Lösung für dieses Problem?
Brunnert: Es gibt Initiativen wie OpenTracing und OpenCensus, die versuchen, diesen Aufwand zu reduzieren, indem eine einheitliche Schnittstelle zur Erhebung von Monitoring-Daten bereitgestellt wird. Es ist jedoch noch offen, inwieweit kommerzielle APM-Lösungen diese Schnittstellen unterstützen und sich an diesen Initiativen beteiligen werden. Es gibt zwar eine zunehmende Anzahl von Open-Source-APM-Tools, die diese Schnittstellen integrieren, aber deren Technologieunterstützung reicht bisher nicht an die kommerzieller Lösungen heran.
com! professional: Was sind technologisch ge­sehen die wichtigsten APM-Trends?
Brunnert: Ich denke, der wichtigste Trend ist aktuell die automatische Analyse von Monitoring-Daten durch den Einsatz von Machine-Learning-Methoden. Die Menge der erhobenen Daten ist durch die Komplexität der Systeme und deren Dynamik mittlerweile kaum noch manuell beherrschbar. Es ist daher immens wichtig, dass Lösungen im APM-Bereich eine Voranalyse bereitstellen, um den Nutzer bei der Kontrolle der Systeme zu unterstützen.
com! professional: Wie weit ist der Einsatz von Machine Learning im APM schon vorangekommen?
Brunnert: Derzeit sind wir noch in einem frühen Stadium der Entwicklung, was sich zum einen in der geringen Menge entsprechender Angebote zeigt und zum anderen in der Qualität der existierenden Angebote. Die aktuellen Lösungen liefern leider oft noch zu unscharfe Voranalysen oder „False Positives“ auf Basis einfacher zeitlicher Korrelationsanalysen, was die Nutzbarkeit noch einschränkt. Hier wird sich in den nächsten Jahren aber sicher noch einiges tun.
com! professional: Was sind die größten Fehler, die bei der Implementierung und beim Einsatz gemacht werden?
Brunnert: Die größten Fehler sind typischerweise organisato­rischer Natur, etwa wenn einzelnen Unternehmensbereichen der Zugriff auf die Daten in den APM-Tools verweigert wird.
Ein Beispiel sind APM-Daten aus der Überwachung von Produktivumgebungen, auf die das Entwicklungsteam nicht zugreifen darf. Ein weiterer typischer organisatorischer Fehler ist, dass sich keiner so richtig für das APM verantwortlich fühlt.
com! professional: Fehlt es nicht oft auch am nötigen Wissen?
Brunnert: Ja, der Umgang mit APM-Tools erfordert viel Erfahrung in verschiedenen Bereichen, die oft auf unterschiedliche Rollen im Unternehmen verteilt sind - man muss sich nämlich mit der IT-Infrastruktur und der Software-Architektur gleichermaßen auskennen, um die Daten aus APM-Tools wirklich effi­zient nutzen zu können. Häufig sind zudem individuelle Anpassungen existierender APM-Lösungen oder zusätzliche Aggrega­tionswerkzeuge notwendig, die Daten von mehreren APM-Tools integrieren können. Ohne ein solches Customizing kann es schnell passieren, dass die Anwender in der Menge der verfüg­baren Informationen die für sie wichtigen Daten nicht mehr finden und die APM-Nutzung abnimmt. 
com! professional: Was sollten Unternehmen bei der Wahl eines APM-Anbieters beachten?
Brunnert: In meinen Augen sind zwei Fragen bei der Auswahl eines APM-Anbieters essenziell: Welche APM-Daten werden für welche Organisationseinheiten benötigt? Und: Für welche Technologien benötige ich die APM-Daten? Insbesondere die Antwort auf die erste Frage schränkt die möglichen Anbieter meist deutlich ein. Wenn zum Beispiel eine Lösung für ein rein produktives Monitoring gesucht wird, das auch ein paar Metriken für die Marketingabteilung liefern soll, brauche ich andere Funktionen als bei einem APM-Tool, das Entwickler als Qualitätssicherungswerkzeug in ihrer Software-Delivery-Pipeline einsetzen wollen.
Im ersten Fall können Lösungen genutzt werden, die eine starke Datenaggregation vornehmen und beispielsweise Metriken wie die Antwortzeiten und Durchsatzzahlen der Transaktionen auf Minutenbasis zusammenfassen. Im zweiten Fall sind solche Lösungen nicht geeignet, da die Entwicklungsteams viel tiefere Informationen über den Transaktionsverlauf benötigen und hier eine so starke Aggregation den Nutzen eines APM-Tools deutlich einschränkt.
Sobald die Analyse der Anwendungsfälle abgeschlossen wurde, ist noch zu klären, welche Technologien man im Einsatz hat und welche der infrage kommenden APM-Lösungen diese unterstützen, wodurch sich die Anzahl der Möglichkeiten noch einmal reduziert. Natürlich gibt es weitere wichtige Kriterien wie Lizenzkosten, Art des Betriebs (On-Premise oder SaaS) und Installationsaufwand, aber die genannten Punkte sollten immer zuerst geklärt werden.
com! professional: Gibt es nicht auch universell einsetzbare APM-Tools?
Brunnert: Sobald man eine Lösung für alle Anwendungsfälle sucht, wird das Feld dünn und man landet typischerweise bei den Marktführern. Aber auch hier gibt es deutliche Unterschiede in der Art der Datenaggregation. Mein Rat an Kunden ist: Man sollte immer Werkzeuge wählen, die so wenig wie möglich aggregieren. Man kann dann immer noch eine Aggregation vornehmen, indem man einen Filter über die Rohdaten legt. Wenn das APM-Tool selbst jedoch nur aggregierte Daten anbietet, ist der Weg zurück versperrt.
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