Die Digital-Pläne der Autokonzerne

Eine Milliarde im Jahr mit digitalen Services

von - 09.10.2017
Man muss keinen VW fahren, um den neuesten Service aus Wolfsburg, We Park, zu nutzen: Per Smartphone-App lassen sich in Ballungsräumen komfortabel Parkscheine lösen. Bei der Ankunft startet man den Parkvorgang mit einem Wisch über das Display. Will man weiter, wird der Parkvorgang mit einer Wischgeste wieder beendet. Damit keine Politesse den fehlenden Parkschein vermisst und ein Knöllchen schreibt, bekommt der Nutzer bei der Registrierung einen Aufkleber für die Windschutzscheibe. Der digitale Parkschein per App ist einfacher in der Bedienung als die vielerorts schon angebotene SMS, zudem werden die Parkgebühren minutengenau abgerechnet. Allerdings lässt sich Volkswagen den Service auch gut bezahlen. Bei einem Test in der Augsburger Innenstadt wurde zusätzlich zu den zwei Euro pro Stunde für das Parken noch eine Vermittlungsgebühr von 59 Cent fällig - macht bei zwei Stunden Parken fast 15 Prozent Aufschlag.  
An Beispielen wie diesem wird deutlich, dass Autohersteller ihre neuen Digitalservices nicht nur als Kundenbindungsmaßnahme sehen, sondern durchaus als neues, profitables Geschäftsfeld. So gab VW-Markenchef Herbert Diess anlässlich der Vorstellung der neuen Unternehmensstrategie "Transform 2025+" ein konkretes Ziel vor. Bis 2025, also innerhalb der nächsten zehn Jahre, sollen digitale Angebote der Marke VW 80 Millionen Kunden erreichen und dabei eine Milliarde Euro Umsatz jährlich generieren. So eindrucksvoll sich diese Zahlen auch lesen, zeigen sie doch eins: So schnell wird aus einem Autohersteller kein Google. Denn bei ­einem jährlichen konzernweiten Jahresumsatz von über 210 Milliarden Euro sind eine Milliarde für digitale Dienste nicht mehr als ein Tropfen auf den heißen Stein. 

Was die Sitzverstellung über den Fahrer verrät

Dass es dabei nicht bleiben muss, demonstriert BMW mit seinem neuen Konzept Cardata. Die Idee: BMW verkauft die Daten, die in seinen Fahrzeugen gesammelt werden, an interessierte Kooperationspartner. Darauf sind die Flitzer aus München technisch bestens vorbereitet: Bereits seit Jahren steckt in jedem Auto des Konzerns eine SIM-Karte, mit der Daten aus dem zentralen CAN-Bus-Netzwerk des Fahrzeugs an die Firmenzentrale übertragen werden. Der Umfang der gesammelten Informationen sorgte ­Anfang 2016 für einen Skandal. In aufwendigen Untersuchungen hatte der ADAC ermittelt, dass etwa ein BMW 320d nicht nur die Fahrtstrecke, die gefahrene Geschwindigkeit und die Motordrehzahl übermittelte, sondern auch, wie häufig die CD-Schublade des Autoradios betätigt, der Fahrersitz verstellt oder der Gurtstraffer aktiviert wurde.
Hatten damals die "Gelben Engel" noch die Frage aufgeworfen, wozu in aller Welt BMW diese Datenflut eigentlich brauchen könne, liefert jetzt Cardata eine mögliche Antwort darauf: Mit all diesen Details lässt sich ein exaktes Nutzungsprofil des Fahrzeugs erstellen - und der Menschen, die es fahren. Und diese Profile ermöglichen es Kooperationspartnern, BMW-Fahrern gezielte Angebote zu machen - etwa für Versicherungsverträge mit Rabatten für sicher fahrende Autolenker, ohne sich auf so wenig aussagekräftige Parameter wie die Jahresfahrleistung verlassen zu müssen. Damit geht BMW in die Offensive, denn bislang wurde den Kunden die Datensammelei nicht offen kommuniziert. Ungeklärt war bislang auch, wem eigentlich die Daten gehören, die ein Auto während seiner Nutzung erzeugt. Das ADAC-Projekt zur Decodierung der Datenströme stand unter der Regie des europäischen Automobilclub-Dachverbands FIA, der Ende 2015 eine große Kampagne über den Datenschutz in vernetzten Autos gestartet hatte. Das Motto der Aktion: "Mein Auto - meine Daten". 
BMW sieht das jetzt ähnlich - zumindest ein bisschen. Denn bei der Vorstellung von Cardata im Mai 2017 legten die Münchner die Marschrichtung fest: Wenn sich ein BMW-Kunde zur Teilnahme an Cardata entschließt, dann erhält er die volle Kontrolle darüber, welches Unternehmen Zugriff auf welche Daten aus seinem Auto erhält. BMW-Digitalvorstand Peter Schwarzenbauer bei der Vorstellung: "Der Schutz der Fahrzeugdaten gehört zu unserem Verständnis von Premium beim hochvernetzten Fahrzeug. Das erwarten Kunden von uns. Damit geben wir den Kunden die Möglichkeit zu entscheiden, was mit den Daten passiert." Zudem kann sich der Kunde über das Cardata-Portal jederzeit eine komplette Historie seines Wagens ausdrucken.
Online-Services im Auto, die auch ­Umsätze generieren, gehören bei BMW bereits seit Langem zum Geschäft. Unter dem Markennamen „Connected Drive“ firmiert ein Online-Portal, über das sich Dienste wie Musikstreaming oder Navigation mit Real-Time-Verkehrsinformationen buchen lassen. Der Concierge-Service erlaubt die Buchung von Hotels aus dem Auto heraus, die Route zum gewählten Etablissement landet anschließend automatisch im Navi. 
Verwandte Themen