Die Digital-Pläne der Autokonzerne

Ein neutrales Portal für Kundendaten aus dem Auto

von - 09.10.2017
Cardata geht jedoch einen riesigen Schritt weiter. Als Technologiepartner wurde IBM gewonnen. Der Konzern bringt seine Cloud-Lösung Bluemix und die Machine-Learning-Technologie Watson ein. Für Dirk Wollschläger, als General Manager bei IBM zuständig für die Bereiche Automotive, Luft- und Raumfahrt und Rüstung, könnte Cardata bald nicht nur BMW-Kunden betreffen. "Das Konzept einer neutralen Server-Instanz fördert Innovation durch die Bereitstellung eines einzigen Zugangs für unterschiedliche Partner, die damit auf Fahrzeugdaten verschiedener Hersteller zugreifen können. Dadurch reduzieren sich die Kosten für die Datenintegration, was wiederum zu einem fairen Wettbewerb beiträgt."
Durch die automatisierte Analyse von Fahrzeugdaten durch IBM Watson könnten in Zukunft völlig neue Dienstleistungen möglich werden. So ließen sich beispielsweise Werkstattaufenthalte verkürzen, weil ein bei einer Reparatur benötigtes Ersatzteil bereits vorab bestellt wurde. Eine solche Technologie kommt heute bereits in der Zivilluftfahrt zum Einsatz und hilft, die Ausfallzeiten von Passagierjets zu verkürzen.   
Bei Projekten wie Cardata verschwimmen die Grenzen zwischen einem Kundendienst für Fahrer der eigenen Marke und neuen Geschäftsmodellen, die keinen Besitz eines Autos der Marke voraussetzen. Solche Modelle machen Schule - Daimler ist da sogar schon einen Schritt weiter. Zur IAA stellte der Konzern mit dem Smart Vision EQ den Prototyp eines autonom fahrenden Elektrofahrzeugs vor, das nur noch für Fahrten dient und keinen Besitzer mehr hat. Da der kleine Wagen weder über Pedale noch über ein Lenkrad verfügt, haben die Insassen auch mit dem Fahren nicht mehr viel zu tun - und können derweil die reichhaltig vorhandenen Displays im Wagen nutzen, um im Internet zu surfen oder sich von situationsgerechter Werbung bespielen zu lassen. 
Studien wie der Smart Vision EQ oder das vollständig autonom fahrende VW-Projekt Sedric ("Self Driving Car") gehen nicht mehr davon aus, dass die Menschen, die in diesen Fahrzeugen reisen, auch deren ­Eigentümer sind. Volkswagen-CEO Matthias Müller machte bei der Präsentation des Sedric sogar deutlich, dass das kubusförmige Vehikel für vier Personen nicht zwingend ein VW-Logo am Bug tragen müsse, wenn es ab 2021 seine Passagiere durch die Ballungsräume dieser Welt fährt. Denkbar sei auch eine neue Marke, mit der sich VW als Taxiservice etablieren könnte - gegen Uber zum Beispiel.

Bald könnte die Automarke irrelevant werden

Dabei stellt eine automobile Zukunft, bei der selbstfahrende Fahrzeuge den Besitz eines eigenen Autos überflüssig machen, für Autohersteller einen kompletten Paradigmenwechsel dar. So wichtig, wie heute einem Autokäufer die Marke des Wagens sein mag, der in seiner Garage steht, so egal dürfte ihm das Logo sein, das auf der Haube des Taxis prangt, das ihn in der Stadt von A nach B bringt. 
Die Angst geht um in Wolfsburg, Stuttgart und München, dass die Autohersteller zu reinen Hardwarelieferanten für Netzwerkbetreiber wie Uber oder Technologiefirmen wie Waymo werden. Dem Vernehmen nach war das der Grund, weshalb im Jahr 2015 eine angedachte Zusammenarbeit zwischen BMW und Apple schei­terte. Der kalifornische Hightech-Konzern hätte gern den BMW-Elektroflitzer i3 als Basis für ein selbstfahrendes Apple-Car genutzt. Ein Streitpunkt zwischen München und Cupertino: Wer bekommt die Daten, die die Fahrzeuge liefern? 
Fiat Chrysler Automobile ist da weniger zurückhaltend: Der italo-amerikanische Autokonzern ist inzwischen eine Partnerschaft mit der Alphabet-Tochter Waymo eingegangen, in der die Entwicklungen zum selbstfahrenden Google-Auto gebündelt wurden. In den Augen vieler Beobachter gilt deshalb die jüngst vorgestellte Chrysler-Studie Portal als das erste richtige Google-Car.
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