Ist KI ein Jobkiller oder Jobmotor?

Von Machbarkeitsstudien zum Projekt

von - 06.07.2023
Für Alge limitieren zwei Faktoren den KI-Erfolg: „Einerseits tun sich immer noch viele schwer, die richtigen Fragen zu stellen, um dann das passende Werkzeug zu finden, andererseits gibt es zu wenige Experten.“ Würden alle KI-Projekte umgesetzt, würden sich die Folgen für den Arbeitsmarkt deutlich beschleunigen. Klaassen widerspricht. „Es gibt viele grossartige Beispiele für erfolgreiche KI-Anwendungen: intelligente KI-gesteuerte Geräte sind allgegenwärtig, autonome Autos mit KI-Unterstützung sind zum Standard geworden, Next-Best-Action-Algorithmen werden überall im digitalen Bereich eingesetzt. Falls Machbarkeitsstudien einmal nicht zu einem Projekt führen, hat das meist zwei Gründe. Die Entwickler konnten keinen passenden Einsatzbereich für die KI finden. Oder die Prognosen waren nicht aussichtsreich genug.“
In der jetzigen Phase seien Unternehmen damit beschäftigt, Anwendungen für die KI zu finden. Lässt sich damit Zeit und Geld sparen und ist sie günstig in eine bestehende Arbeitsweise zu implementieren, stehen die Chancen für eine Realisierung sehr gut. Andernfalls war der Use Case nicht gut genug. Mit der Erfahrung wächst auch der Erfolg der Machbarkeitsstudien. Klaassen betont, dass der Erfolg der KI-Anwendungen von der Menge der Daten abhängt. Habe ein Modell zu wenig Daten, sei auch das Ergebnis unzuverlässig. „Diese Tatsache ist vielen Unternehmen noch zu riskant. Sie haben Angst, durch unausgereifte KI-Anwendungen Kunden zu verlieren und verzichten dann lieber auf ihre Umsetzung. Dieser Punkt wird sich mit der Weiterentwicklung der KI abschwächen, weil die Modelle immer leistungsfähiger und zuverlässiger werden.“

ChatGPT und die Wahrheit

Generative Chatbots wie ChatGPT machen es schwieriger, die Wahrheit zu erkennen. Das spielt auch im Arbeitsumfeld eine wichtige Rolle. Beim Halluzinieren begründet die KI falsche Tatsachen ausgesprochen gut. Auch Quellenangaben sind mitunter frei erfunden. Herbers räumt ein, dass die Sprachmodelle schon grosse Sprachfähigkeiten haben und sehr überzeugenden Text schreiben. „Gerade aufgrund dieser guten Stilistik fällt es schwer, Halluzination von Wahrheit zu unterscheiden.“ Klaassen fordert: Die KI schöpft ihre Wahrheit aus einer Kombination von drei Variablen: den richtigen Trainingsdaten, einem korrekten Trainingsprozess des Modells sowie der Wahrscheinlichkeit des Ergebnisses. Daher muss ein Unternehmen, das KI einsetzt, Transparenz schaffen, wie das Modell ein Ergebnis berechnet, woher die Trainingsdaten kommen und ob sie konsistent sind. Dieses Qualitätssiegel schafft Vertrauen in die Wahrheit.
„Es geht einerseits um die Wahrheit des Inhalts, aber auch um die Identität einer Person“, warnt Alge. „Wenn die AAP da ist, kann ich Identitätsdiebstahl wirklich skalierbar machen. Diese Skalierbarkeit macht das Ganze so bedenklich. Wie viel Aufwand kostet es, beliebig viele falsche Identitäten zu generieren und beliebig viel Fake-Material herauszubringen? Zwei Start-up-Kollegen wollten sich genau darauf fokussieren, Fake-Identitäten in Videokonferenzsystemen zu erkennen und zu filtern. Aber nach eineinhalb Jahren Entwicklung sind sie vor Kurzem draufgekommen, dass sie das Rennen nicht gewinnen werden.“

Fazit und Ausblick

Doch wie geht es nun weiter mit der KI? Von der generalisierten KI, sagen die meisten Experten zumindest bisher, sind wir noch weit weg. Herbers pronostiziert: „Mit Sicherheit werden sich Sprachmodelle überall durchsetzen, wo es um Sprache geht. Ich hoffe, dass wir trotzdem erkennen, dass auch andere KI-Techniken in den Katalog gehören, insbesondere Verfahren wie Mathematik oder Such- und Optimierungstechniken.“
Alge erwartet nach einer gewissen „Sturm- und Drang-Phase“, in der eventuell noch GPT 5 komme, eine Stagnation, „weil wir zu wenig verstehen, warum Dinge nicht mehr viel besser werden und woher dieser Drang zu Halluzinationen und zur Plausibilisierung und Rationalisierung erfundener Tatsachen kommt.“
Der Potsdamer Informatik-Professor Christoph Meinel sieht ein weiteres Hindernis für den Durchbruch der KI in der Arbeitswelt: Die Systeme benötigten gewaltige Rechnerkapazitäten und würden auch riesige Mengen an Energie erfordern.
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