FBA-Aufkäufer

Thrasio steht angeblich kurz vor der Pleite

von - 02.10.2023
Foto: shutterstock/Kritchanut
Dem FBA-Aufkäufer, der 2021 Dekacorn-Status erreichte, machen die Einbrüche im Online-Umsatz offenbar schwer zu schaffen. Medienberichten zufolge wird aktuell fieberhaft nach neuem Kapital gesucht - und eine Insolvenz in Betracht gezogen. 
2020 galt Thrasio noch als Vorreiter des heißesten Geschäftsmodells im E-Commerce-Markt: Der FBA-Aufkäufer übernahm massenhaft kleinere Amazon-Händler und baute deren Geschäft mit Skalen- und Synergieeffekten möglichst schnell aus. Damit könnte jetzt Schluss sein: Einem Bericht des "Wall Street Journal" zufolge steckt das Unternehmen in finanziellen Schwierigkeiten und sucht mithilfe von Restrukturierungsberatern nach einem Ausweg. Der könnte in der Aufnahme von frischem Kapital bestehen - oder auch in der Anmeldung einer Insolvenz. 
Damit fällt der einstige Star der Aufkäufer-Szene tief: In den Hochzeiten des Unternehmens 2020/2021 übernahm Thrasio Hunderte kleinere Brands, rund 500 Millionen US-Dollar investierte das Unternehmen in den letzten Jahren allein in Europa. Investoren überschlugen sich förmlich, Thrasio mit Kapital zu überhäufen, 2021 stieg die Bewertung des Start-ups auf rund 10 Milliarden US-Dollar. Das System machte schnell Schule: Zeitweise rangen über 90 FBA-Aufkäufer um interessante Amazon-Brands, was die Preise für Geschäftsübernahmen in schwindelerregende Höhen trieb.
Der Boom fand mit der allgemeinen Wirtschaftskrise und den einbrechenden Online-Umsätzen im letzten Jahr sein Ende. Thrasio verkleinerte seine Mitarbeiterzahl um 20 Prozent und tauschte die Führungsebene aus. Das war offenbar nicht genug, um die Abwärtsspirale aufzuhalten. 

Aufkäufer-Modell in der Krise

Thrasios Absturz ist der prominenteste einer Reihe von Pleiten und Konsolidierungsbewegungen in der Aufkäufer-Szene: Im April schlossen sich die Thrasio-Verfolger Razor Group und Stryze Group zusammen, im Juni übernahm SellerX den Konkurrenten Elevate Brands. Die Investoren des Aufkäufers Perch suchen Käufer für ihre Anteile, die Benitago Group musste im August Insolvenz anmelden. In Europa machen aktuell nur noch BBG und SellerX nennenswerte Geschäfte.
Das Geschäftsmodell der Aufkäufer wurde in den letzten Jahren stark gehypt, es mangelte aber auch nie an Kritik. "Ich sah von Beginn an vor allem zwei Herausforderungen", sagt beispielsweise Jan Bechler, Gründer und Geschäftsführer der E-Commerce-Agentur Front Row, der den Aufkäufer-Hype seit Jahren misstrauisch beäugt. "Erstens, es ist irrsinnig komplex, diese kleinen Händler so zu verbinden, dass Synergien entstehen. Schließlich kamen die alle aus unterschiedlichen Branchen, haben unterschiedliche Lieferanten und Systeme. Zweitens fehlte Thrasio und Co schlicht das Know-how – und das lässt sich so schnell auch nicht aufbauen. Deshalb wurde wie wild gehired. Die Berlin Brands Group und Seller X, die KW Commerce übernommen haben, haben diesbezüglich sicher Vorteile."
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