Digitalsteuer könnte zum Bumerang werden

Steuerrecht wird zunehmend komplexer

von - 28.09.2018
Im Jahr 1918 führte die Reichsregierung die Umsatzsteuer ein, der Reichsfinanzhof wurde als dazugehöriges Gericht gegründet und in München angesiedelt. Die Umsatzsteuer bringt dem Fiskus heute noch gut ein Drittel der Steuereinnahmen ein - und beschäftigt Mellinghoff und seine Richterkollegen nach wie vor: "Die Rechtsprechung zur Umsatzsteuer führt dazu, dass wir das Gericht sind, das die meisten Vorlagen beim Gerichtshof der Europäischen Union einreicht."
Ein großes Problem sei zur Zeit das europarechtliche Beihilfeverbot. "Es ist kaum vorhersehbar, wann die EU eine steuerliche Regelung als verbotene Beihilfe einordnet", sagte der BFH-Präsident. Aber auch ohne Europa sei die Steuerrechtsprechung komplexer geworden. "Schwierigkeiten ergeben sich auch dadurch, dass sozialstaatliche Leistungen in das Einkommensteuerrecht verlagert worden sind. So bildet das Kindergeld eigentlich einen Fremdkörper im Einkommensteuerrecht; es war früher als reine Sozialleistung geregelt", sagte Mellinghoff.

Schwierigkeiten bei Ausgestaltung der Bemessungsgrundlage

Problematisch sei auch ein übertriebenes Bedürfnis nach Einzelfallgerechtigkeit. "Es wäre sehr viel sinnvoller, zu typisieren und zu pauschalieren", sagte der BFH-Präsident. "Das wäre ein wichtiger Beitrag zur Vereinfachung des Steuerrechts. Bei der Frage der Steuergerechtigkeit müsse man zwei Dinge trennen: "In der Öffentlichkeit wird sehr häufig über die Höhe der Steuersätze gesprochen. Für die Rechtsprechung ist die Bestimmung der Höhe der Steuersätze selten ein Problem", sagte Mellinghoff. "Viele Probleme ergeben sich aber bei der Ausgestaltung der Bemessungsgrundlage."
Zahlreiche Förder- und Ausnahmetatbestände ziehen laut Mellinghoff komplizierte Abgrenzungsfragen nach sich. "So werfen die Fördertatbestände für haushaltsnahe Dienstleistungen und Handwerkerleistungen Abgrenzungsfragen untereinander und zu den außergewöhnlichen Belastungen auf. "Die Frage, ob das Ausführen eines Hundes oder das Schneeräumen haushaltsnah ist, musste durch den BFH entschieden werden. Die jeweiligen Sonderregelungen sind politische Entscheidungen; jede einzelne ist gut gemeint", sagte Mellinghoff. "Zur Vereinfachung tragen sie nicht unbedingt bei."
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