Pauschale Vorratsdatenspeicherung nicht zulässig

Bezug auf Fälle aus anderen EU-Ländern

von - 07.10.2020
Der EuGH bezog sich zwar im Kern auf Fälle aus Frankreich, Belgien und Großbritannien, in denen nationale Gerichte ihn um eine Einschätzung gebeten hatten. Doch der Grundsatzcharakter des Urteils könnte auch die Diskussion in Deutschland beeinflussen. Im Juni 2017 hatte die Bundesnetzagentur den Speicherzwang für Internet-Provider und Telefonanbieter ausgesetzt - wenige Tage vor dem Inkrafttreten der Vorschriften. Anlass war ein Urteil des Oberverwaltungsgerichts in Nordrhein-Westfalen, wonach eine verdachtsunabhängige Speicherung von Standort- und Verkehrsdaten nicht mit EU-Recht vereinbar ist.
Insbesondere Sicherheitsbehörden sowie Unionspolitiker hoffen, dass die Nutzung solcher Daten wieder möglich wird. 2015 hatte die große Koalition schon einmal eine Wiedereinführung des zwischendurch gekippten Instruments beschlossen. Auch aus Teilen der SPD kommt nun Zuspruch. FDP, Grüne und Linke lehnen die Vorratsdatenspeicherung ab.
Der stellvertretende Unionsfraktionschef Thorsten Frei (CDU) erklärte unter Verweis auf die vom EuGH formulierten Beschränkungen, die Entscheidungen des EuGH blieben hinter den Hoffnungen zurück. "Wenn die Urteile vorliegen, müssen wir prüfen, ob sie wirklich im Kampf gegen Kriminalität im Netz helfen. Ich hoffe, dass der Gerichtshof sich bei Betrachtung der deutschen Regelung hier weiter öffnet."

Urteil beinhaltet "Spielräume"

Darstellungen sexueller Gewalt gegen Minderjährige werden häufig in Online-Netzwerken ausgetauscht. Auf IP-Adressen möchten Ermittler daher länger zurückgreifen können - das EuGH-Urteil lässt hierbei für spezielle Situationen durchaus Raum. Die Innenminister von Bund und Ländern plädierten im Juni für die Aufbewahrung der Daten zu diesem Zweck. Bundesinnenminister Horst Seehofer (CSU) erklärte damals, er erhoffe sich "Spielräume" von der erwarteten Rechtsprechung des EuGH.
Bundesjustizministerin Christine Lambrecht (SPD) hatte in der vorigen Woche angekündigt, "Ermittlern auch die Möglichkeit an die Hand zu geben, die Vorratsdatenspeicherung zu nutzen, soweit dies mit deutschem und europäischem Recht vereinbar ist". Einige Regierungen in der EU - darunter auch das Bundeskabinett - hatten zuletzt neue Gesetzesinitiativen in Aussicht gestellt, die eine rechtskonforme Speicherung ermöglichen. Die deutsche EU-Ratspräsidentschaft schlug "harmonisierte Auflagen für Provider" mit klaren Bedingungen vor.
Grünen-Politiker begrüßten das Urteil. "Es schützt Grundrechte und bringt noch einmal mehr Rechtssicherheit", sagten Bundestagsfraktionsvize Konstantin von Notz und die netzpolitische Sprecherin Tabea Rößner. "Wir wissen seit Jahren, dass die Massendatenspeicherung kein Mehr an Sicherheit bringt. Vielmehr frisst sie knappe Ressourcen und verstellt den Blick auf tatsächlich zielführende Ermittlungsansätze." Die netzpolitische Sprecherin der Linksfraktion, Anke Domscheit-Berg, forderte die Bundesregierung auf, "endlich den Zombie Vorratsdatenspeicherung zu beerdigen".
Auch der Verein Digitale Gesellschaft, der sich für Freiheitsrechte im Internet einsetzt, sah sich bestätigt. "Kommunikationsunternehmen dürfen nicht anlasslos speichern und Daten an Sicherheitsbehörden und Geheimdienste weitergeben. Auch die denkbaren Ausnahmen will das Gericht in hohem Maße eingeschränkt sehen", teilte der Verein mit.
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