EuGH-Urteil

Pauschale Vorratsdatenspeicherung nicht zulässig

von - 07.10.2020
EuGH-Urteil
Foto: Robert Kneschke / shutterstock.com
Laut einem EuGH-Urteil dürfen Internet- und Telefon-Verbindungsdaten nicht pauschal gespeichert werden. Ausnahmen seien aber möglich, betonten die Richter.
Sicherheitsbehörden in der EU dürfen die Telefon- und Internet-Verbindungsdaten der Bürger nicht ohne konkreten Verdacht auf Terrorismus oder eine schwere Straftat speichern lassen. Eine pauschale Aufbewahrung durch Telekommunikationsunternehmen sei nicht zulässig, erklärte der Europäische Gerichtshof (EuGH) in einem am Dienstag veröffentlichten höchstrichterlichen Urteil. Es gebe jedoch besondere, genau definierte Ausnahmefälle: Bei einer akuten Bedrohung der nationalen Sicherheit oder zur Bekämpfung schwerer Kriminalität halten die Richter eine zeitlich begrenzte, begründete Vorratsdatenspeicherung für zulässig - aber nur dann.
Mit seiner Ablehnung flächendeckender, vorsorglicher Datensammlung stärkte das Luxemburger Gericht die Bürgerrechte. Eine unmittelbare Wirkung auf die deutschen Regelungen hat die Entscheidung noch nicht, für die Bundesrepublik läuft ein separates Verfahren.
Der EuGH stellt klar: Die Verpflichtung der Anbieter in einigen EU-Staaten, eine "allgemeine und unterschiedslose Übermittlung oder Aufbewahrung von Verbindungs- und Standortdaten" zu gewährleisten, sei nicht mit dem Europarecht vereinbar. Zwei Einschränkungen wurden jedoch betont. Zum einen darf bei einer unmittelbaren "ernsten Bedrohung der nationalen Sicherheit" von Regeln zur Vertraulichkeit der Daten abgewichen werden - für einen streng begrenzten Zeitraum.

Auswertung von Echtzeit-Daten in manchen Fällen möglich

Außerdem können Behörden im Kampf gegen Schwerkriminalität eine "gezielte Aufbewahrung" von Daten anordnen, zumal bei "Gefahren für die öffentliche Sicherheit". Bei konkretem Terrorverdacht dürfen sogar Echtzeit-Daten nach vorheriger Prüfung durch ein Gericht ausgewertet werden. Die Richter mahnen indes: Solche Schritte müssen wegen des Eingriffs in die Grundrechte stets von "effektiven Schutzmaßnahmen" flankiert werden. Gemeint sind etwa unabhängige gerichtliche Überprüfungen. Die Staaten könnten auch nicht behaupten, dass der Schutz der nationalen Sicherheit allein ihnen obliege, so dass europäische Datenschutzrichtlinien hier nicht anwendbar seien.
Seit Jahren gibt es in mehreren EU-Ländern Streit um das Thema zwischen Sicherheitsbehörden und -politikern auf der einen sowie Bürgerrechtlern und Verbraucherschützern auf der anderen Seite. Die Befürworter argumentieren, bei der Terrorabwehr oder Bekämpfung organisierter Kriminalität müssten Ermittler die Möglichkeit haben, auf gespeicherte Telekommunikationsdaten zuzugreifen. Die Kritiker befürchten zu starke Eingriffe in die Grundrechte, wenn es dabei keinen hinreichenden Anfangsverdacht gegen mutmaßliche Täter gibt.
Gespeichert werden keine Sprach- oder Textinhalte von Telefonaten, SMS oder E-Mails, sondern Verbindungsdaten - etwa Angaben dazu, wer wann mit wem telefonierte und in welcher Handy-Funkzelle er sich aufhielt. Die aktuell ruhende deutsche Regelung hierzu sieht eine Speicherfrist von zehn Wochen vor. Telekommunikationsfirmen speichern die Daten aber auch laufend, zum Beispiel für Abrechnungszwecke. Die Deutsche Telekom hält die IP-Adressen ihrer Nutzer - sozusagen die Anschrift im Internet - nach eigenen Angaben sieben Tage lang vor.
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