Resilienz für die Lieferketten

Digital Supply Chain

von - 31.03.2022
Die große Anzahl an Variablen, die bei der Steuerung moderner Lieferketten eine Rolle spielen, macht es unmöglich, diese manuell zu handhaben. Mauro Adorno zufolge ist die Planung von Lieferketten darüber hinaus ohnehin ein wenig eingängiger Prozess, bei dem Entscheidungen, die auf menschlichem Instinkt beruhen, „fast immer ein Phänomen mit sich bringen, das als ,Bullwhip-Effekt‘ oder auch ,Peitscheneffekt‘ bekannt ist und zu Bestandsmangel und Überangebot an den falschen Stellen führt“.
Adorno ist Chief Operating Officer EMEA & APAC beim Software-Anbieter Tools Group. Durch die Modellierung physischer Lieferketten mithilfe moderner Planungssysteme, die Algorithmen und Machine Learning einsetzen, könnten Unternehmen alle Variablen orchestrieren und optimieren, um das angestrebte Serviceniveau zu erreichen und die Bestands- und Logistikkosten sowie den Abfall zu minimieren.
Heutige Planungssysteme sind laut Adorno auch in der Lage, die Nachfrage zu erkennen – „man spricht hier auch von ,Demand Sensing‘ –, indem sie eine Reihe von Nachfragesignalen von PoS-Systemen, Wetter, Werbe­aktionen, Social-Media-Feeds und anderen externen Quellen analysieren.“ Durch den Einsatz solcher Systeme würden Unternehmen in der Regel 15 bis 30 Prozent des Lagerbestands einsparen.
Insbesondere globale Lieferketten sind heutzutage höchst komplex. Bei der Erstellung und Verteilung der (Vor-)Produkte würde eine riesige Menge an Daten anfallen, so Marco Schmitz. „Diese bieten das Potenzial, die Produktion und Verteilung der Produkte effizient und nachhaltig zu gestalten.“ Dafür brauche es sowohl leistungsfähige Hardware als auch intelligente Software, die stets verbessert werde und in immer größerem Umfang zur Verfügung stehe. „Die Digitalisierung betrifft dabei potenziell alle Aufgaben und Prozesse, die zur Erstellung und Erzeugung sowie zum Transport der Waren notwendig sind – von digitalen und softwaregestützten Produktionsprozessen bis hin zu autonomen Fahrzeugen, die die Waren verteilen.“ Hierbei spricht man dann häufig von einer Digital Supply Chain.
Die Digitalisierung ermöglicht laut Kay Manke von Bearingpoint die Vernetzung der Lieferkette, indem neue Technologien und innovative Modelle eine Vielzahl an Prozessen verknüpfen (Internet of Things), identifizieren und visualisieren (etwa über Dashboards), analysieren und vorhersagen (etwa mittels prädiktiver Analytik und KI) sowie handeln und optimieren (Reduktion von Emissionen und Steigerung der Automatisierung). „Somit kann eine intelligente und verknüpfte Supply Chain geschaffen werden“, fasst er zusammen, „die schneller, flexibler, granularer, akkurater und effizienter ist.“
Christian Grotemeier betont, dass die Themen Digitalisierung und Transparenz der Lieferette ein riesiges Optimierungspotenzial eröffnen: „Wer sich rechtzeitig vorbereitet, wird zum Beispiel besser mit Engpässen umgehen, derjenige, der weiß, dass ein Lieferant ausfällt, kann rechtzeitig umplanen.“
(Quelle: Fraunhofer IPA )
Transparenz zwischen so vielen Beteiligten sei nur über umfassende digitale Vernetzung möglich. Er fügt an, dass die Vernetzung jedoch ausgebremst werde, unter anderem durch die Sorge, die Hoheit über die eigenen Daten zu verlieren. Hinzu komme die technische Hürde einer Vielzahl von verschiedenen Standards bei den Schnittstellen und die Tatsache, dass manche Dokumente noch immer zwingend der Papierform bedürfen.
„Es wird intensiv an universellen Schnittstellen und Open-Source-Angeboten gearbeitet, und die Partner in der Supply Chain verstehen immer besser, warum sie ihre Daten untereinander teilen sollten. Außerdem wird nach Lösungen gesucht, um auch die letzten ,Papier-Saurier‘ zu beseitigen“, so Grotemeier.
Die Bundsvereinigung Logistik hat zum Beispiel gemeinsam mit GS1 – einer Organisation, die weltweit Standards für unternehmensübergreifende Prozesse entwickelt – und Praxispartnern ein Pilotprojekt „digitaler Lieferschein“ durchgeführt. Die Dauer einzelner Lieferprozesse verkürze sich damit, so der Geschäftsführer der BVL, um bis zu zehn Tage, denn Spediteure sparten sich den gesamten Aufwand der Dokumentation von analogen Lieferscheinen – vom Einscannen übers Archivieren bis hin zur Auskunftspflicht.
Dr. Christian Grotemeier, Geschäftsführer der Bundesvereinigung Logistik
Foto: BVL
„Die Logistik gehört zu den Treibern digitaler Innovation, und das muss sie auch. Denn die Kundenanforderungen ändern sich laufend und mit ihnen steigen auch die Erwartungen.“
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