Modernes Supply Chain Management

Resilienz für die Lieferketten

von - 31.03.2022
Foto: Shutterstock / kozhedub_nc
Technologien wie Künstliche Intelligenz und Data Analytics optimieren die Planung und Durchführung von Warenströmen – für mehr Wettbewerbsvorteile.
Alle haben wir in den vergangenen zwei Jahren eines schmerzlich zu spüren bekommen: die Instabilität von Lieferketten. Die Corona-Pandemie hat eindrücklich gezeigt, wie schnell die eigentlich für gewährleistet gehaltene Versorgungssicherheit in Gefahr geraten kann und Lieferketten kollabieren. Während zu Beginn der Pandemie hauptsächlich sogenannte medizinische Schutzgüter wie Masken rar wurden, sind es mittlerweile Produkte aus allen erdenklichen Kategorien, deren schwankende Verfügbarkeit die Geduld der Verbraucher auf eine harte Probe stellt: Mal sind es Fahrräder, mal Spielekonsolen, mal Medikamente – aber auch Fahrzeuge können oft aufgrund von Chipmangel nicht gebaut werden.
In vielen Bereichen hängt die Handlungsfähigkeit der Unternehmen entscheidend davon ab, wie gut Lieferketten funktionieren. Das zeigt sich besonders bei den erwähnten Chips für Autos. Die jahrzehntelang bewährte Praxis der Just-in-time-Produktion, also der Zulieferung von Material im Fertigungstakt mit nur geringer Vorratslagerung, funktioniert nur so lange gut, wie die Lieferkette reibungslos arbeitet. Und ob Pandemie, Cyberangriffe oder geopolitische Spannungen – es gibt heutzutage zahlreiche Unwägbarkeiten, die zu einer Störung führen können.
Für Unternehmen aller Branchen und Größen stellt sich daher die Frage, wie sie ihre Lieferketten neu aufstellen sollen und welche Rolle die Digitalisierung hierbei spielt. Corona zwingt viele Betriebe in den Realitäts-Check und ein vollständig digitalisiertes Supply Chain Management wird umso wichtiger.
Andreas Friedrich, Business Owner Digital Supply Chain DACH bei Software One
Foto: Software One
„Unter Supply Chain subsumiere ich die Steuerung des gesamten Einkaufsprozesses: von der Feststellung des Bedarfs bis hin zur finalen Abwicklung der Zahlungen im Zusammenwirken mit allen Lieferanten.“

Was ist Supply Chain Management?

Der Begriff Supply Chain Management soll erstmals 1982 von dem Berater Keith Oliver in einem Interview mit der „Financial Times“ verwendet worden sein. Doch was verbirgt sich eigentlich dahinter? Supply Chains beziehungsweise Lieferketten wurden schon immer in irgendeiner Weise organisiert. Gemeint ist, ob deutsch oder englisch, laut Andres Friedrich in beiden Sprachen das Zusammenspiel von Lieferanten, Resellern, Distributoren, Kunden und Plattform-Providern. Der Business Owner Digital Supply Chain beim Software-Unternehmen Software One subsumiert darunter die Steuerung des gesamten Einkaufsprozesses – von der Feststellung des Bedarfs bis hin zur finalen Abwicklung der Zahlungen im Zusammenwirken mit allen Lieferanten.
„Das Supply Chain Management umfasst die Planung, die Durchführung und das Controlling aller Waren-, Informations- und Finanzströme entlang der mehrstufigen Lieferkette eines Endprodukts – vom ersten Vormaterial bis zum Endkunden“, ergänzt Marco Schmitz. Manche schließen auch die Verwertung und das Recycling der Waren in die Supply Chain mit ein, also die Kreislaufwirtschaft, so Schmitz vom Team New Solutions beim Software-Unternehmen Inform.
Kay Manke, Globaler Leiter Operations bei der Unternehmensberatung Bearingpoint, fasst Supply Chain Management in einem Satz zusammen: „Das Supply Chain Management beschreibt die integrierte und prozessorientierte Steuerung und Planung von Informations-, Waren- und Finanzflüssen über die gesamte Wertschöpfungskette vom Ursprung bis hin zum Verbraucher.“

Was zählt zur Supply Chain?

Zu einer Supply Chain gehören dabei alle Stakeholder, die zur Erstellung oder Erzeugung eines Endprodukts oder zur Verwertung nach der Nutzung beitragen. Kurzum: alle Unternehmen, die Vorprodukte oder Dienstleistungen bereitstellen, die für das Endprodukt wichtig sind. Oder die das Endprodukt nach dessen Nutzung verwerten.
Dazu zählen neben den eigenen Lieferanten, den sogenannten First-Tier-Suppliern, und deren Vorlieferanten auch die Unternehmen auf der gleichen Stufe sowie auf nachgelagerten Stufen, also auf der Absatzseite eines Unternehmens. „Je nachdem, aus wie vielen Bestandteilen ein Produkt besteht und wo diese jeweils hergestellt werden, ist eine Supply Chain mehr oder weniger komplex und hat entsprechend viele Beteiligte“, so Christian Grote­meier. Der Geschäftsführer der Bundesvereinigung Logistik (BVL) fügt hinzu, dass dazu „insbesondere Rohstoff­lieferanten, Zulieferer von Bauteilen und Vorprodukten, Dienstleister wie Transport- und Lagereianbieter, der Produzent, der oder die Händler und der Endkunde zählen“.
Walzen as a Service: Kunden greifen selbst in die Fertigung ihrer Bestellungen ein und legen fest, wann ihr Metall gewalzt wird. Sogar noch wenige Stunden zuvor lassen sich die Materialeigenschaften anpassen.
Foto: Thyssenkrupp Steel Europe
Beispiel: Walzen as a Service
Wie eine vollvernetzte Supply Chain in der Praxis aussehen kann, zeigt das Beispiel des Stahlproduzenten Thyssenkrupp Steel – ein Anfang des 19. Jahrhunderts gegründeter Traditionskonzern, der konsequent auf die Digitalisierung setzt. Im Warmwalzwerk in Hohenlimburg wurden die einzelnen Produktionsprozesse so aufeinander angestimmt, dass das Werk seinen Kunden „Walzen as a Service“ bieten kann.
Kunden geben ihren kurzfristigen Bedarf ins System ein und lösen damit den Fertigungsprozess aus. Möglich macht dies ein volldigitalisierter Bestell- und Herstellungsprozess, der auch dafür sorgt, dass eine fristgerechte Bereitstellung der dafür notwendigen Materialen erfolgt. Kunden haben die Möglichkeit, direkt in die Fertigung ihrer Bestellungen einzugreifen und mit einem Vorlauf von 48 bis 72 Stunden selbst festzulegen, wann ihr Metall gewalzt werden soll. Zusätzlich ermöglicht Thyssenkrupp Steel den Kunden, bis wenige Stunden vor der Walzung die Materialeigenschaften der bestellten Produkte bei Bedarf noch einmal anzupassen. Nach Eingang des Auftrags lässt sich der Status online, zum Beispiel per App, verfolgen.
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