Googles Rekordstrafe wird Konsequenzen haben

Ist Amazon vielleicht noch viel schlimmer?

von - 24.07.2017
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Interne Google-Untersuchungen sollen belegen, dass die Suchmaschine Wettbewerb nicht behindert. Hier liegen Amazon und eBay weit vor Google Shopping.
Derweil feilt der Konzern intern bereits an einer Verteidigungsstrategie. Der Tech-Blog "Recode" veröffentlichte unlängst Daten aus internen Google-Memos, die beweisen sollen, dass die Suchmaschine aus Mountain View ein ganz kleines Licht ist, wenn es um das Buchen von Reisen oder das Kaufen von Hardware geht. So stellt eine Grafik dar, dass bei Suchanfragen rund um Produkte Amazon und eBay die meisten Klicks abräumen, Google Shopping dagegen liegt irgendwo im Mittelfeld. Nach welchen Kriterien die Zahlen erhoben wurden, ist nicht klar ersichtlich, sicher erscheint jedoch, dass Google nicht kampflos aufgeben will.
Die Vorwürfe aus Brüssel sind der ­kalifornischen Konzernzentrale nicht unbekannt. Bereits 2010 hatte die EU-Kommission Ermittlungen gegen Google aufgenommen, nachdem sie von insgesamt 18 Unternehmen förmliche Beschwerden ­bekommen hatte. Der damalige Wettbewerbskommissar Almunia machte auch klar, weshalb er gegen Google vorgehen wolle: Nicht die Konkurrenten des Konzerns gelte es zu schützen, sondern die EU-Bürger, die von einem fairen Wettbewerb am meisten profitieren.
Im Frühjahr 2013, also mehr als zwei Jahre später, wurde Google erstmals förmlich darüber unterrichtet, was die EU-Kommission dem Unternehmen genau vorwirft. Ein Jahr später konnte Almunia verkünden, dass der Such-Gigant eingelenkt habe - allerdings zum Teil mit skurrilen Vorschlägen. So wurde Unternehmen zugesichert, dass sie mit ihren Angeboten nicht bei Google auftauchen würden, wenn sie dies nicht wünschten. Der Konzern sagte auch zu, auf Ausschließlichkeitsklauseln in Verträgen mit Publi­shern verzichten zu wollen. Außerdem sollten Google-Werbekunden, die auf anderen Suchmaschinen Search-Kampagen fahren wollten, dies erlaubt werden.
Diesem Versuch, das Wettbewerbsverfahren abzuwenden, waren zwei weitere Angebote im Jahr 2013 vorangegangen, die jeweils als unzureichend abgelehnt wurden.
Im Herbst 2014 übernahm Margrethe Vestager das Amt - und zog die Zügel deutlich an. Während Almunia noch auf eine gütliche Einigung mit Google gesetzt hatte, ging Vestager - die in Brüssel gelegentlich auch die "eiserne Lady" genannt wird - auf Konfrontationskurs. Dass die ebenso verbindlich wie resolut auftretende Dänin keine Scheu davor hat, sich mit mächtigen US-Konzernen anzulegen, musste im vergangenen Sommer bereits Apple-Chef Tim Cook feststellen. Vestager erklärte ein Steuerabkommen mit der Republik Irland, das dem iPhone-Konzern große Steuererleichterungen verschaffte, kurzerhand für illegal und ordnete eine Nachzahlung von 13 Milliarden Euro an den irischen Staatshaushalt an - Apple-Chef Tim Cook soll dem Vernehmen nach geschäumt haben.

Das Strafgeld ist für Google nicht entscheidend

Und jetzt Google. Der Fall, den Vestager von ihrem Vorgänger übernommen hat, könnte sich als der größte ihrer Karriere erweisen. Der Verdacht, dass Wettbewerber gezielt behindert werden, drängt sich bei vielen großen Konzernen auf. Was jedoch den Google-Fall so groß macht, sind nicht die 2,42 Milliarden Euro Strafgeld. Es ist die damit verbundene Verpflichtung an Google, sein über mehr als zehn Jahre entwickeltes Geschäftsmodell auf den Prüfstand zu stellen.
Das drängendste Problem dürfte sein, binnen der gesetzten 90-Tage-Frist irgendeine Lösung zu präsentieren, die die Kommission zumindest vorläufig ruhig stellt. Der Tech-Blog "Recode" vermutet, ­Google könnte in einer Hauruckaktion sein Shopping-Feature auf eine frühere Version umstellen, die weniger organische Suchergebnisse verdrängt. Denkbar sei auch, unter die bezahlten Anzeigen in Google Shopping ein paar unbezahlte einzublenden. Haken bei beiden Varianten: deutliche Einbußen bei den Anzeigenerlösen.

Manche wollen ihren Namen nicht in der Zeitung sehen

Die Reaktion von vermeintlich betroffenen Wettbewerbern auf die EU-Entscheidung reicht von offener Befriedigung bis zu der leisen Ansage, man habe damit ­eigentlich gar nichts zu tun, verbunden mit der Bitte, das Gespräch vertraulich zu behandeln. Nicht jedes Unternehmen, das auf Traffic von Google angewiesen ist, möchte seinen Namen in einem Artikel ­lesen, in dem der US-Konzern in der ­Rolle des Angeklagten steht.
Harald Schiffauer, Geschäftsführer der Guenstiger.de GmbH, begrüßt den Beschluss der EU und sieht ihn vor allem als großen Gewinn für den Konsumenten: "Ergebnisse von Google Shopping verdrängen klar die Auffindbarkeit und Sichtbarkeit von Preisvergleichsseiten in den Google-Ergebnissen. Weniger Auswahl und weniger Transparenz sind immer schlecht für Verbraucher. Zudem wird vielen Nutzern bei Google nicht klar, dass es sich um ein reines Anzeigenformat handelt", sagt Schiffauer. "So wird Verbrauchern die Möglichkeit genommen, zwischen verschiedenen Diensten zu wählen." Dass der Suchmaschinengigant bei der Platzierung seiner eigenen Angebote mit zweierlei Maß misst, steht für Schiffauer außer Frage: "Würde Google Shopping nach den eigenen Algorithmen von Google bewertet, würde dieser Dienst wohl kaum so prominent erscheinen."
Offen bleibt, was am Ende bei den langen, kostspieligen EU-Wettbewerbsverfahren herauskommt. Gerade Großkonzerne nehmen teure Strafen nicht einfach hin, sondern fechten sie vor Gericht an. Das beste Beispiel ist das Verfahren gegen ­Intel, dem seit über zehn Jahren vorgeworfen wird, den Absatz seiner x86-PC-Prozessoren durch unfaire Methoden gestützt zu haben. 2014 sprach die EU-Kommis­sion die bis dato höchste Strafe gegen den Chip-Hersteller aus: 1,04 Milliarden Euro. Heute ist das Verfahren immer noch beim Europäischen Gerichtshof, eventuell muss der Fall komplett neu aufgerollt werden, eine Entscheidung darüber wird in Kürze erwartet. Pointe der Geschichte: Seine ­Dominanz als Zulieferer für Computerchips hat Intel inzwischen zu einem großen Teil eingebüßt.
Auch von den von Apple geforderten Milliarden hat der irische Staatshaushalt noch nichts gesehen. Apple weigert sich zu zahlen - und Irland weigert sich, die ausstehenden Steuerschulden beizutreiben. Schließlich hatte man den Computerkonzern mit einem extrem günstigen Steuermodell ja erst auf die Grüne Insel gelockt. Derzeit streben beide eine gerichtliche Klage gegen die EU an. Vestagers Behörde sieht in dem Steuersparmodell eine versteckte Subvention, eine Sprecherin sagt dazu: "Die unrechtmäßigen staatlichen Beihilfen müssen so schnell wie möglich wieder eingezogen werden, um die durch die Beihilfe entstandene Wettbewerbsverzerrung zu beseitigen."
Dagegen verwahrt sich die irische Regierung. Sie beansprucht die Hoheit in Steuerfragen für sich.
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