Googles Rekordstrafe wird Konsequenzen haben

Untersuchungen gegen Google begannen 2010

von - 24.07.2017
Der Vorwurf sei nicht einfach aus der Luft gegriffen, betont die EU-Kommission in einem Statement. Seit 2010 wurde in Brüssel beobachtet, wie sich die Google-­Rankings verschiedener Vergleichsportale auf Google verschoben. Vorangegangen waren dem Beschwerden aus der Internet-Wirtschaft. So sollen etwas die Bewertungsportale Yelp und Trip Advisor über gezielte Behinderungen geklagt haben. Das ist durchaus nachzuvollziehen: Wer heute auf Google nach einem Restaurant sucht, der stößt zumeist auf eine One-Box, in der Lage, Adresse und Öffnungszeiten des Etablissements angegeben sind - und auf Bewertungen. All dies liefert Google, und die Konkurrenz hat oft genug das Nachsehen.
Was bei Hotel- und Gaststätten auffällt, gilt für Produktangebote noch viel mehr: Seitdem Google aus seiner etwas glücklosen Produktsuchmaschine "Froogle" das omnipräsente "Google Shopping" gemacht hat, beklagen Betreiber von Preisvergleichsportalen eine Verschlechterung ihrer Positionierung - während Google Shopping Ads oft an prominenter Position gleich zu Beginn der Suchergebnisliste auftauchen.

Diskriminierung begann 2008 in Deutschland und UK

Gemäß EU-Recht verstößt dies jedoch ­gegen europäische Wettbewerbsricht­linien: "Nach Artikel 102 des Vertrags über die Arbeitsweise der Europäischen Union ist die missbräuchliche Ausnutzung einer marktbeherrschenden Stellung im Binnenmarkt oder einem wesentlichen Teil desselben durch ein oder mehrere Unternehmen verboten, wenn dies zu einer Beeinträchtigung des Handels zwischen Mitgliedstaaten führen kann." Dies sieht Brüssel in diesem Fall als gegeben an. Aus einem Memo der EU-Kommission geht sogar hervor, wann Google mit dieser Praxis angefangen haben soll:
"Google begann diese Ungleichbehandlung der Preisvergleichsdienste zu unterschiedlichen Zeitpunkten:
  • im Januar 2008 in Deutschland und im Vereinigten Königreich,
  • im Oktober 2010 in Frankreich,
  • im Mai 2011 in Italien, den Niederlanden und Spanien,
  • im Februar 2013 in der Tschechischen Republik,
  • im November 2013 in Belgien, Dänemark, Norwegen, Österreich, Polen und Schweden.“
Damit, so das Papier, benachteilige Google Wettbewerber in allen Ländern des EWR (Europäischer Wirtschaftsraum), in denen es selbst Preisvergleichsdienste anbietet - also nicht nur in EU-Mitgliedsländern, sondern auch in Norwegen, das als EWR-Land den gleichen Regelungen unterliegt. Die Folgen dieser Benachteiligung der Wettbewerber sind laut EU-Bericht drastisch. So seien in Deutschland seit Januar 2008 die Zugriffszahlen auf Google-Shopping-Angebote um das 35-Fache gestiegen, in Großbritannien nahmen die Zugriffszahlen gar um das 45-Fache zu. Im Gegenzug, so der Kommissionsbericht, gingen die Zugriffe auf Konkurrenzangebote in Deutschland um 92 Prozent zurück, in Großbritannien betrug der Rückgang 85 Prozent. Einige Wettbewerber hätten durch Änderung ihrer Strategie zwar Nutzer zurückgewinnen können, keins der untersuchten Unternehmen habe jedoch zu alter Stärke zurückgefunden. Zu diesen Erkenntnissen gelangte die EU-Kommission nach eigenen Angaben durch intensive Daten­recherche. So wurden unter anderem Millionen von Suchanfragen analysiert.
Aus dieser Datensammlung erklärt sich auch die Strafsumme, die laut Kommis­sionsbescheid 2.424.495.000 Euro beträgt: Sie bemisst sich nach den Werbeumsätzen, die Google in den entsprechenden Ländern seit dem Zeitpunkt gemacht hat, seitdem die Benachteiligung der Wettbewerber beobachtet worden war. Doch damit nicht genug: Sollte Google die beanstandeten Geschäftspraktiken nicht binnen 90 Tagen aufgeben, drohen weitere Strafzahlungen - die sich täglich auf fünf Prozent der weltweiten Umsätze der Google-Dachgesellschaft Alphabet summieren könnten. Legt man einmal den ­Alphabet-Jahresabschluss von 2016 zugrunde, ergibt das bei einem Gesamtumsatz von knapp 85 Milliarden Euro eine mögliche Strafzahlung von elf Millionen Euro - pro Tag.

Google stellt Kundenerlebnis in den Vordergrund

Google selbst reagierte auf den Bußgeldbescheid aus Brüssel schmallippig. Nach Bekanntwerden der Entscheidung veröffentlichte der Konzern ein Statement von Kent Walker, Chef der Google-Rechtsabteilung, in dem er nicht auf die juristischen Implikationen des Briefs der EU eingeht, sondern stattdessen lieber sein Haus lobt: "Wenn Sie Google zur ­Suche nach Produkten verwenden, versuchen wir Ihnen das zu geben, wonach Sie suchen. ­Unsere Fähigkeit das gut zu machen liegt nicht ­darin, dass wir uns bevorzugen oder eine andere Seite oder Verkäufer - es ist das Ergebnis harter Arbeit und konstanter Innovation."
Und Kay Oberbeck, Sprecher von Google Deutschland, lässt sich mit den Worten zitieren: "Bei allem Respekt, wir stimmen den ­heute verkündeten Schlussfolgerungen der EU-Kommission nicht zu. Wir werden die Entscheidung ausführlich prüfen, auch in Erwägung eines Einspruchs gegen die Entscheidung. Entsprechend werden wir weiterhin unseren Standpunkt klarmachen." Für ein Interview stand Oberbeck der Redaktion nicht zur Verfügung.
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