Die Cloud löst klassische TK-Anlagen ab

Analoge Altlasten

von - 17.08.2017
Probleme bei der Umstellung auf All-IP im Allgemeinen und UCaaS im Speziellen machen oft auch analoge Altlasten: Faxgeräte, Frankiermaschinen, Gegensprecheinrichtungen, Alarmanlagen und Notrufsysteme in Aufzügen lassen sich nicht ohne Weiteres an ein IP-Netz anschließen. Ein Ersatz durch digitale Pendants ist teils kostspielig und aufwendig, teils gar nicht möglich.
„Eine genaue Planung und Vorbereitung mit Prüfung aller Anforderungen ist deshalb zwingend erforderlich“, sagt Langer. Zum Teil lasse sich das Problem über eine Mobilfunk­anbindung lösen, ergänzt Interoute-Manager Hartmann: „Manche Bestandsanlagen lassen sich nicht über ein IP-Netz betreiben, daher wählt man hier häufig GSM-Mobilfunk-Lösungen.“
Thomas Muhr
Country Manager DACH
bei ShoreTel
www.shoretel.de
Foto: ShoreTel
„Grundsätzlich ist zu raten, dass sich Unternehmen genau ansehen, mit welchen Cloud-
Anbietern die jeweilige Lösung betrieben wird.“
Abgesehen von Infrastrukturproblemen sind es oft Datenschutzbedenken, die Unternehmen vor dem Schritt zur Kommunikationslösung aus der Cloud zurückschrecken lassen. „UCaaS ist ohne die Übertragung personenbezogener Daten wie Namen, E-Mail-Adressen, Telefonnummern und Kalenderinformationen nicht möglich“, sagt Oliver Löw, Head of UCC Solutions beim Cloud-Provider BT. „Deshalb ist der Datenschutz in jedem Fall von Anfang an in alle Planungen einzubeziehen.“
Auch Thomas Muhr von ShoreTel empfiehlt, diesem Punkt besondere Beachtung zu schenken: „Grundsätzlich ist zu raten, dass sich Unternehmen genau ansehen, mit welchen Cloud-Anbietern die jeweilige Lösung betrieben wird.“ Nach Ansicht von TeamFON-Chef Weiß ist es sinnvoll, auf einen deutschen Anbieter zu setzen. „Dies erleichtert später die Umsetzung von zukünftigen Datenschutzvorschriften, etwa der Europäischen Datenschutz-Grundverordnung (DSGVO).“
Markus Krammer
Vice President Products &
New Business bei NFON
www.nfon.com/de
Foto: NFON AG
„Der Trend geht ganz klar weg von Hardware-Telefonen hin zu Webapplikationen.“
Neben der Möglichkeit, die Datenhaltung auf Rechenzen­tren in Deutschland oder im EU-Raum zu begrenzen, bieten viele UCaaS-Provider auch die Option, den Service in einer vom öffentlichen Internet getrennten Private Cloud zu betreiben. „Unternehmen sollten sich die Frage stellen, ob sie ihren Bedarf mit dem standardisierten Angebot einer Public-Cloud-Lösung erfüllen können oder ob sie Anforderungen an Individualisierung, Integration, Datenschutz und Sicherheit stellen, die nur eine Private Cloud erfüllen kann,“ sagt Swyx-CTO Claßen, „eine optimale Lösung bietet einen identischen Funktionsumfang in verschiedenen Varianten und Bezugsmodellen. Das erleichtert eine nahtlose Migration und sorgt dafür, dass ohne großen Aufwand nachjustiert werden kann, wenn sich der Bedarf mit der Zeit verändert.“

Der menschliche Faktor

Über all den wirtschaftlichen, technischen und rechtlichen Aspekten, die für oder gegen eine UCaaS-Lösung sprechen, dürfen die Nutzer nicht vergessen werden. „Wie bei jeder neuen Technologie kann es zunächst Unsicherheit bei den Mitarbeitern geben – hier bietet es sich an, frühzeitig zu informieren und Schulungen anzubieten“, sagt BT-Manager Löw. Ein gutes Mittel, um Akzeptanz zu schaffen, sind laut Löw Demo-Arbeitsplätze, an denen die Nutzer die neue Technik ausprobieren können. Auch der Betriebsrat sollte unbedingt frühzeitig an der Umsetzung von UCaaS-Konzepten beteiligt werden, rät der BT-Manager: „In vielen Firmen gibt es anfangs Bedenken gegen die Anzeige von Präsenzinformationen. Dahinter steht die Annahme, dass diese Informationen für Verhaltens- oder Leistungskontrollen genutzt werden können.“ Durch die Einbeziehung des Betriebsrats ließen sich solche Bedenken ausräumen, bevor sie Unruhe in der Belegschaft und Verzögerungen bei der Einführung hervorrufen. „Ein einfacher Kompromiss kann zum Beispiel sein, zwar den Verfügbarkeitsstatus einer Person anzuzeigen, aber nicht die Dauer der Inaktivität oder Anwesenheit“, so Löw.

Fazit

Wohl kaum ein Unternehmen, das noch auf ISDN setzt, wird in den kommenden 18 Monaten um eine Restrukturierung seiner Kommunikationsinfrastruktur herumkommen. Da liegt es nahe, Cloud-Angebote in die Überlegung miteinzubeziehen. Gerade Mittelständler mit begrenztem IT-Know-how und geringen internen IT-Ressourcen können von Unified Communications as a Service profitieren, befreit es sie doch davon, in eine eigene TK-Anlage zu investieren und diese zu betreiben.
Vor der Entscheidung ist jedoch sorgfältig zu prüfen, ob internes Netz und Internetverbindung für eine Cloud-Lösung ausreichend dimensioniert sind, oder ob gegebenenfalls zusätzliche Kosten für ein Upgrade entstehen, die die Vorteile der Cloud-Lösung zum Teil oder ganz zunichtemachen. Auf jeden Fall sind in den Prozess auch Betriebsrat und Datenschutzbeauftragte miteinzubeziehen, da die Kommunikation über die Cloud viele Fragen rechtlicher Art aufwirft.
Erfolgreiche Migration auf UCaaS
Was Sie vor der Umstellung auf All-IP im Allgemeinen und UCaaS im Speziellen beachten sollten.
Internetzugang: Falls der Anschluss nur 98 Prozent garantierte Verfügbarkeit bietet, sollte als Fallback ein zweiter Zugang, etwa über einen LTE-Router, zur Verfügung stehen. Auch eine Aufrüstung auf einen SDSL(Symmetric Digital Subscriber Line)- oder MPLS(Multiprotocol Label Switching)-Anschluss mit garantiertem Quality of Service für Echtzeitkommunikation ist überlegenswert, allerdings mit erheblichen Mehrkosten verbunden. Eine symmetrische Leitung lohnt sich vor allem auch dann, wenn viele Teilnehmer gleichzeitig telefonieren oder gar Videokonferenzen in HD abhalten wollen. Ein VoIP-Telefonat benötigt circa 100 KBit/s in beide Richtungen, bei Videokonferenzen in HD können es bis zu 4 MBit/s sein.
Internes Netz: Das interne LAN sollte möglichst durchgehend mit Gigabit-Ethernet ausgerüstet sein, alle Switches und Router Quality-of-Service- sowie VLAN-fähig sein. Für den Anschluss von Tischtelefonen ist zudem Power over Ethernet von Vorteil. Werden Endgeräte per WLAN angebunden, ist eine durchgängige, gemanagte WLAN-Infrastruktur mit mindestens 802.11n notwendig.
Stromversorgung: Anders als im ISDN-Netz mit seiner Notstromversorgung sind bei der IP-Telefonie im Fall eines Stromausfalls keine Gespräche über das Festnetz mehr möglich. Alle Router, Switches und Endgeräte in der Kommunikationsinfrastruktur sollten deshalb an eine unterbrechungsfreie Stromversorgung angeschlossen werden.
Fax: Falls Sie zwingend ein Papierfaxgerät benötigen, sollten Sie einen Provider wählen, der das Faxprotokoll T.38 unterstützt. Für die gelegentliche, nicht rechtsverbindliche Faxkommunika­tion genügt dagegen ein Fax-Webservice.
Problemfälle: Analoge Notrufsysteme in Aufzügen, Alarm­anlagen, Frankiermaschinen, Gegensprecheinrichtungen und Kartenterminals lassen sich nicht ohne Weiteres über ein IP-Netz betreiben. Vor der Umstellung sollten Sie alle potenziellen Pro­blemfälle im Unternehmen sammeln und Migrationspfade über Adapter beziehungsweise das Mobilfunknetz prüfen, oder den Ersatz durch IP-fähige Alternativen erwägen.
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