So soll der Großrechner überflüssig werden

Der schwierige Weg zum SDM

von - 27.01.2017
Man nehme eine Applikation und packe sie in einen Container – was sich so einfach anhört, ist beim Transfer von Mainframe-Anwendungen in die Open-Systems-Welt alles andere als trivial. Das beginnt schon bei der Speicheradressierung. Z Systems, die Großrechnerarchitektur von IBM, speichert das höchstwertige Bit zuerst (Big-Endian), während x86-Prozessoren das Little-Endian-Format nutzen, also mit dem kleinstwertigen Bit beginnen.
Auch beim Zeichensatz gehen Mainframes ihre eigenen Wege. Statt ASCII (American Standard Code for Information Interchange) wird EBCDIC (Extended Binary Coded Decimal Interchange Code) verwendet, dessen Konzept noch aus Zeiten der Lochkartenkodierung stammt und bei dem, anders als bei ASCII, die Buchstaben A bis Z nicht lückenlos aufeinanderfolgen.
Beat Schuppli
Business Development ­Manager bei Microsoft
www.microsoft.com
Foto: Microsoft
„Aus meiner Sicht bietet die Software-defined-Mainframe-Lösung von LzLabs einen einmaligen Lösungsansatz.“
Ganz zu schweigen von Mainframe-Spezialitäten, etwa hierarchischen Datenbanken wie IMS/DB (Information Management System/Data Base), Zugriffsmethoden wie VSAM (Virtual Sequential Access Method) und BSAM (Basic Sequential Access Method), Transaktionsmanagern wie CICS (Customer Information Control System) oder dem IMS/TM (Information Management System/Transaction Manager) sowie Security-Umgebungen wie ACF2 (Access Control Facility) oder RACF (Resource Access Control Facility).
Kein Wunder also, dass LzLabs einige Zeit brauchte, um all diese Komponenten und Subsysteme in einer x86-Umgebung nachzubilden.
Erst zur CeBIT 2016 stellte das bereits 2011 gegründete Unternehmen sein Produkt vor, der offizielle Start erfolgte im Juli dieses Jahres. Noch sind nicht alle Spezialfälle der Mainframe-Welt abgedeckt, gibt Thilo Rockmann zu: „Wir haben uns nach der 80-20-Regel erst einmal auf die Themen konzentriert, wo wir die größte Nachfrage vermuten. Es wird aber noch ein bis anderthalb Jahre dauern, bevor wir in
einem Gros der Fälle weitgehend automatisiert migrieren können.“
Derzeit unterstützt LzLabs COBOL-Programme, relationale Datenbanksysteme, das CICS-Transaktionsmanagement sowie VSAM. In den nächsten Monaten sollen auch hierarchische Datenbanken und PL/1-Anwendungen im Software-defined Mainframe laufen können. Auch das IMS-Transak­tionsmanagement soll dann unterstützt werden.
Neben einer Kooperation mit Red Hat, die auch gemeinsame Marketingaktivitäten umfassen soll, arbeitet der Hersteller eng mit Microsoft zusammen, um den SDM in die Cloud zu bringen. LzLabs ist Mitglied des „BizSpark“-Programms, in dem Microsoft Start-ups für drei Jahre Werkzeuge, Software und Cloud-Services unentgeltlich zur Verfügung stellt. Aufgrund der spezifischen Anforderungen wurde LzLabs für das „BizSpark Plus“-Programm nominiert, das einen erweiterten Zugriff auf Azure-Cloud-Services erlaubt.
„Aus meiner Sicht bietet die Software-defined-Mainframe-Lösung von LzLabs einen einmaligen Lösungsansatz“, sagt Beat Schuppli, Business Development Manager bei Microsoft. Neben der technischen Unterstützung hilft Microsoft dem Neuling auch bei der Marktbearbeitung. „Ziel für Microsoft ist es, aus einer solchen Zusammenarbeit den Lösungs-Partner erfolgreich im Markt zu positionieren oder noch erfolgreicher zu machen“, so Schuppli weiter.

Die Vorteile des SDM

Laut Thilo Rockmann bietet der Software-defined Mainframe gegenüber dem Mainframe-Betrieb Einsparpotenziale von 85 bis 90 Prozent. Berücksichtige man die Migrationskosten, ließe sich ein Return on Invest in ein bis zwei Jahren erzielen. Die Umstellung selbst soll in wenigen Monaten abzuschließen sein. „Die eigentliche Mi­gration geht relativ schnell vonstatten und ist nicht sehr aufwendig“, sagt der LzLabs-COO. Einwände der Kritiker, die Mainframe-Performance sei unerreicht und könne nur mit hohen Hardware-Investitionen kompensiert werden, lässt Rockmann nicht gelten: „Intel-Systeme sind dem Mainframe mindestens ebenbürtig, wenn nicht sogar überlegen.“
Thilo Rockmann
Chairman und COO bei LzLabs
www.lzlabs.com
Foto: LzLabs
„Intel-Systeme sind dem Mainframe mindestens ebenbürtig, wenn nicht sogar überlegen.“
Das Aufmerksamkeit sei vor allem im Bereich Banken und Versicherungen enorm groß. „Egal wo wir hinkommen, sind die Kunden hoch interessiert“, erklärt Rockmann. Die Kosten für die Mainframe-Umgebungen würden aus dem Ruder laufen und lägen bei großen Banken im dreistelligen Millionenbereich, so Rockmann weiter. „Der Druck ist spürbar, man sucht überall händeringend nach Lösungen.“
Von den Finanzdienstleistern abgesehen sieht LzLabs weiteres Kundenpotenzial im Handel, bei Service-Providern, Behörden oder in der Automobilindustrie. „Typischerweise sind unsere Kunden sehr lange existierende, große Unternehmen“, sagt der COO.
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