Künstliche Intelligenz mit Ethik
KI-Ethik testen
von Oliver Schonschek - 20.10.2020
Vorbild Energieeffizienz-Label: VDE, KIT und andere haben ein Ethiklabel für KI-Systeme entwickelt.
(Quelle: AIEI Group (www.ai-ethics-impact.org/en))
Ein weiteres Tool ist der Pegasystems Ethical Bias Check. Er soll helfen, Voreingenommenheiten oder Diskriminierungen in KI-Anwendungen automatisch zu identifizieren und zu eliminieren. Der Ethical Bias Check ist eine Funktionserweiterung des Pega Customer Decision Hub, der den KI-Einsatz im Kundendialog steuert. Das Tool kann laut Anbieter sowohl simulativ im Vorfeld als auch operativ im laufenden Prozess KI-Anwendungen auf eventuelle Diskriminierung über Kundensegmente hinweg prüfen. Dabei lassen sich Schwellwerte selbst definieren, etwa für
Alter, Geschlecht oder Herkunft. Damit soll es Unternehmen möglich sein, unbeabsichtigte Voreingenommenheiten in Vertriebs- und Marketingstrategien zu vermeiden.
Alter, Geschlecht oder Herkunft. Damit soll es Unternehmen möglich sein, unbeabsichtigte Voreingenommenheiten in Vertriebs- und Marketingstrategien zu vermeiden.
KI-Ethik zertifizieren
Für die Außenwirkung bei den Kunden sind Gütesiegel und Zertifikate hilfreich, die die Ethik einer Künstlichen Intelligenz bescheinigen. Solche Nachweise sind nicht nur für die Anbieter von KI-Lösungen interessant, sie stellen auch eine wichtige und praktische Unterstützung dar, wenn man als Unternehmen eine KI-basierte Lösung anschaffen und einsetzen möchte. Die Arbeit an solchen Gütesiegeln läuft inzwischen auf Hochtouren.
Ein Beispiel dafür ist das Projekt „Zertifizierung zur Sicherstellung einer vertrauenswürdigen KI“, an dem das Fraunhofer-Institut für Intelligente Analyse- und Informationssysteme IAIS beteiligt ist. Das dort geplante KI-Zertifikat soll auch Fragen der KI-Ethik behandeln und die Einhaltung von KI-Ethik-Richtlinien bescheinigen.
Der Verband der Elektrotechnik Elektronik Informationstechnik (VDE) hat zusammen mit weiteren Partnern ein Modell entwickelt, mit dem sich nach dem Vorbild des Energieeffizienz-Labels die Ethik einer KI transparent und differenziert abbilden lassen soll.
Zum Wie und Warum des Labels erklärt Sebastian Hallensleben, KI-Spezialist im VDE und Initiator des Modells: „Ethik wird genauso wie das Thema Nachhaltigkeit zum Wettbewerbsvorteil. Unternehmen, die transparent aufzeigen, wie sich ihre KI-Systeme ethisch verhalten, bringen ihre Produkte leichter in den Markt. Mit dem Modell fördern wir das Vertrauen der Bürger in KI-Systeme, die direkt mit Menschen zu tun haben oder mit deren Daten umgehen. Gleichzeitig räumen wir Ängste in der Industrie vor überbordenden neuen Vorschriften aus.“
Das VDE-Modell einer Ethik-Kennzeichnung lehnt sich an die bereits bei Haushaltsprodukten bewährte Energieeffizienz-Kennzeichnung an. Ähnlich der Energieeffizienz-Klassen veranschaulicht es die Eigenschaften von KI-Systemen, beispielsweise Schutz der Privatsphäre, Transparenz oder Diskriminierungsfreiheit.
„Wir machen KI-Ethik messbar und schaffen damit einen transparenten Wettbewerb, ermöglichen regionale Mindeststandards für bestimmte Anwendungen und geben Kunden Transparenz“, erläutert Hallensleben das Modell. Der Schlüssel sei dabei die Messbarkeit, damit die Kennzeichnung auch tatsächlich aussagekräftig ist.
Der Vorschlag zur Normung stieß auch in der International Electrotechnical Commission (IEC) grundsätzlich auf Zustimmung. Sebastian Hallensleben konstatiert sogar ein Interesse Chinas am VDE-Modell: „Gerade für China ist eine weltweit einheitliche Ethik-Kennzeichnung essenziell, um seine Produkte global vermarkten zu können.“ Noch sei das Gestaltungsfeld bei KI weit offen. Im internationalen Wettrennen um KI habe Deutschland gute Chancen, mit ethischer und transparenter KI „made in Germany“ vorne mitzumischen.
Fazit & Ausblick
Sicher ist: Die Verbraucher in Deutschland sind für solch ein KI-Ethik-Label. So ergab eine Studie des Bundesverbands Digitale Wirtschaft (BVDW): Stolze 72 Prozent der Bundesbürger erklären, sie würden digitale Produkte und Services bevorzugen, die so geplant sind, dass sie sich bei ihrer Entscheidungsfindung an nachvollziehbaren ethischen Standards orientieren. Eine ähnliche Erkenntnis haben die Digitalunternehmen gewonnen. Von ihnen sind 71 Prozent der Ansicht, dass digitale Produkte, die an ethischen Standards ausgerichtet sind, auch potenziell erfolgreicher im Markt sind.
Mitunter kann das Einhalten ethischer Standards eine Einschränkung des Funktionsumfangs zur Folge haben - fast zwei Drittel der Verbraucher (63 Prozent) würden das in Kauf nehmen. Bemerkenswert: Bei den befragten Digitalunternehmen liegt dieser Anteil sogar bei 83 Prozent.
Der deutsche Markt scheint also auf ethische KI-Lösungen zu warten - beispielhafte Leitlinien, Werkzeuge für KI-Ethik-Tests und Modelle für KI-Ethik-Labels gibt es bereits.
Wie sich der Trend zu einer ethischen KI international entwickelt, bleibt allerdings abzuwarten, denn: „Hierzulande spielen Themen wie Ethik und Datenschutz eine deutlich größere Rolle als zum Beispiel in den USA“, betont BVDW-Präsident Matthias Wahl. Im Bereich KI gibt es jedoch viele Lösungen, die nicht aus Deutschland oder der Europäischen Union stammen.