Smarte Software fürs Business

„Wir stehen am Rande einer neuen Welle der Software-Kreativität“

Künstliche Intelligenz ist in aller Munde – und fast jeder Software-Hersteller wirbt aktuell mit entsprechenden Funktionen in seinen Produkten. Doch wie relevant ist das Thema im Bereich Business-Software wirklich? com! professional spricht darüber mit Stefan Sigg, Chief Product Officer bei der Software AG.
com! professional: Herr Sigg, Künstliche Intelligenz ist ein beliebtes Buzzword. Aber wie relevant ist das Thema wirklich für Ihre Kunden?
Stefan Sigg
Chief Product Officer bei der Software AG
(Quelle: Software AG)
Stefan Sigg:
Künstliche Intelligenz ist für unsere Kunden hochrelevant und gewinnt weiter an Bedeutung. In vielen Unternehmen hat KI bereits mehr oder weniger sichtbar Fuß gefasst. Man denke nur an autonome Fahrzeuge, personalisierte Empfehlungen in Online-Shops oder Anomalie-Erkennung in der IT-Sicherheit.
Kunden sollten sich daher frühzeitig mit dem Thema befassen. Zumal vor allem generative KI in den letzten Monaten dank ChatGPT stark an Fahrt aufgenommen hat und in zwei bis drei Jahren Standard sein wird – so wie heute Google oder Bing.
com! professional: Wird Künstliche Intelligenz in Zukunft ein fester Bestandteil von Business-Software wie ERP oder CRM? Oder wird die KI irgendwann die Unternehmens-IT überholen – und klassische Business-Software wird damit überflüssig?
Sigg: Schon heute verschmelzen ERP- oder CRM-Systeme mit KI – insbesondere beim Thema Analytics. Der Markt für bereichsspezifische Lösungen ist jedoch bislang noch nahezu unerschlossen. Doch das wird sich sicher sehr schnell ändern: Es ist relativ einfach, mit Hilfe von generativer KI spezifische Lösungen zu entwickeln, die im Vergleich zu nicht KI-basierten Lösungen eine neue Stufe erreichen. Wir stehen am Rande einer neuen Welle der Software-Kreativität.
com! professional: Und das fordert Unternehmen heraus...
Sigg: Was es mehr denn je brauchen wird, ist Integration: Alle Systeme – On-Premise, Cloud oder Edge – müssen miteinander interagieren und aufeinander abgestimmt werden. Wie die Business-Software der Zukunft konkret aussieht, sei dahingestellt. Wahrscheinlich wird sie eher eine etwas andere Form annehmen als heute. Sie wird sicherlich weniger zentralistisch sein, sondern eher ein föderiertes Modell aus vielen verschiedenen Spezialkomponenten.
„Schon heute verschmelzen ERP- oder CRM-Systeme mit KI – insbesondere beim Thema Analytics.“
com! professional: Wird es irgendwann überhaupt noch Mitarbeiter geben, die mit Business-Software arbeiten? Oder kommunizieren Kunden künftig direkt mit der autonomen Software?
Sigg: Solange es Unternehmen gibt, wird es auch Business-Software geben, die das Geschäft unterstützt. Und solange sich Technik weiterentwickelt, wird es immer einfacher, die Software zu bedienen. Manche Aufgaben werden komplett automatisiert sein wie beispielsweise Hilfestellung im Kundenservice. Hier wird der Kunde in Zukunft sehr häufig mit einer KI sprechen – vor allem, wenn es um niedrigschwellige Anfragen geht.
In anderen Bereichen werden KI und Mensch ein Team bilden und gemeinsam Aufgaben im Sinne des Kunden lösen. Ein Hauptaugenmerk wird in Zukunft auf dem Thema Integration liegen: Es geht um das Zusammenspiel zwischen Business-Software und KI, um Skalierung und um die Bereitstellung einer entsprechende Informationsbasis, auf Basis derer Creative AI die unternehmenseigene Lösung weiterentwickeln hilft. KI-Konnektoren gewinnen in diesem Zusammenhang immer mehr an Bedeutung.
com! professional: Welchen konkreten Nutzen sehen Sie in der Verwendung von Künstlicher Intelligenz in Business-Software?
Sigg: Es gibt eine neue Klasse der KI, die nicht nur binäre/mathematische Entscheidungen treffen kann, sondern auch „kreativ“ ist. Damit hat Künstliche Intelligenz auch Bereiche erobert wie die Texterstellung, die Entwicklung von Grafiken oder das Verfassen von Filmdrehbüchern.
Häufige Anwendung für Creative AI sind beispielsweise das Texten von Webseiten oder das Übersetzen von Gesprächen oder Meetings in verschiedene Sprachen und die Zusammenfassung von Unterhaltungen mit Hilfe von Large Language Models (LLM). Und dann ist da natürlich noch der große Bereich von Datenanalyse-Tools, der mit KI noch einmal an Schlagkraft gewinnt.
com! professional: Welche Faktoren sind denn wichtig, um ein KI-Projekt in Kombination mit einer Business-Software erfolgreich zu realisieren?
Sigg: Der Tech Stack muss die neuen Anforderungen unterstützen. Programme, die verschiedene Lösungen miteinander verbinden können, sogenannte Konnektoren, kommen hinzu und sorgen für Integration, Kommunikation und API-Management – in allen Ausprägungen. Konnektoren können Daten in Massen- oder Streaming-Formaten liefern oder Daten über B2B-Standards wie SWIFT an Partner senden. Konnektoren regen auch den Versand von Daten an IoT-Geräte oder das Empfangen von Daten und Dateien aus einer Vielzahl von Quellen unter Verwendung von Standardprotokollen an.
com! professional: Das klingt kompliziert. Ist das Thema Künstliche Intelligenz überhaupt für KMUs relevant – oder ist das nur ein Thema für große Unternehmen?
Sigg: ChatGPT hat gezeigt, dass generative KI ein Tool für jedermann ist. Das beweist, dass KI nicht nur in großen Firmen genutzt wird, sondern auch für KMUs interessant ist. Gerade mit Creative AI kann beispielsweise Code generiert werden – was gerade KMUs entlastet, die im Fachkräfte-Poker oft das Nachsehen haben. KI wird die Digitalisierung weiter vorantreiben und hat daher gerade auch im Mittelstand großes Potenzial.
com! professional: Sie haben ChatGPT angesprochen. Welche Auswirkungen wird das Tool auf Business-Software haben?
Sigg: ChatGPT wird der klassischen Business-Software zusätzliche neue Funktionen ermöglichen und alte obsolet machen, zum Beispiel durch Automatisierung. Kommunikations-Tools wie Teams oder Slack haben zum Teil schon heute eine automatische Protokoll- oder Übersetzungsfunktion. Business-Intelligence-Lösungen werden sich beim Thema „UI-less“-Analytics weiterentwickeln. Und Vertriebslösungen punkten mit noch besseren Vorschlägen, wie aus Leads ein Deal wird.
com! professional: Viele sehen den Einsatz von KI auch kritisch und fordern ethische Leitlinien für die Künstliche Intelligenz. Spielt dieses Thema im B2B-Segment überhaupt eine Rolle?
Sigg: Ja. Denn B2B-Geschäft findet ja nicht im rechtsfreien Raum statt, sondern ist nach wie vor eine vertragsbasierte Partnerschaft zwischen Unternehmen. Und die beteiligten Menschen wollen genau wissen, in welchen ethischen Bahnen sie sich bewegen. Es geht hier um die Themen Fairness, Neutralität und Correctness.
Niemand will mit einem KI-Chatbot sprechen, ohne dass er es weiß. Wenn KI weitere Protokolle und Programmiercode entwickelt, muss geregelt sein, wie weit das gehen darf und wie etwa die IP-Rechte geregelt sind.
Ein Beispiel ist der Finanzsektor: Darf eine KI allein die Kreditwürdigkeit eines Unternehmens bestimmen? Wenn die KI lernt, dass weiße Männer am häufigsten (hohe) Kredite bekommen – wird das nicht dazu führen, dass Frauen oder Nicht-Europäer häufiger mit einem Kreditgesuch abgewiesen werden? Wo sind die Grenzen? Und seit ChatGPT wissen wir auch: Das, was eine KI antwortet, ist nicht immer richtig. Was aber, wenn sich eine KI aufgrund von Vorurteilen – gegen Frauen, gegen Minderheiten et cetera. – weiterentwickelt?
Verwandte Themen