Energiekrise

E-Mobilität: Verträgt das Stromnetz Millionen Wallboxen?

von - 08.12.2022
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Die Last von Millionen Elektroautos stellt das Stromnetz künftig vor Herausforderungen. Einige Betreiber und Experten fürchten lokale Stromausfälle. Eine Studie präsentiert nun Lösungsansätze.
Mein Haus, mein E-Auto, meine Wallbox: Mit dem Umstieg auf die Elektromobilität schießt auch die Zahl der privaten Ladepunkte in die Höhe. Allein über einen Fördertopf des Bundes haben zuletzt mehr als 800.000 Haushalte einen Zuschuss dafür beantragt, die Bundesregierung will bis 2030 bis zu fünfzehn Millionen E-Autos auf der Straße haben.
Doch auf das Stromnetz kommen damit gewaltige Herausforderungen zu, Netzbetreiber sorgen sich vor lokalen Stromausfällen. Eine Studie präsentiert nun Lösungsansätze. Zumindest einen davon könnten auch die Verbraucher zu spüren bekommen.
Martin Konermann hatte sich schon vor Jahren Gedanken gemacht. Er ist Geschäftsführer Technik beim baden-württembergischen Netzbetreiber Netze BW, einer Tochter des Energiekonzerns EnBW. Nach einem Gespräch mit einem Daimler-Manager über deren E-Auto-Pläne habe er sich damals besorgt die Frage gestellt: «Was passiert eigentlich mit unseren Netzen, wenn perspektivisch vor jedem Haus ein E-Auto steht?» Bislang seien die größten Verbraucher im Haushalt Saunen oder Elektroherde gewesen. Eine handelsübliche Wallbox - also ein privater Ladepunkt - habe mit bis zu 22 Kilowatt aber rund doppelt so viel Leistung. Wenn dann eine komplette Straße gleichzeitig nach Feierabend ihr Auto lade, könne im äußersten Fall die Sicherung für die Straße fallen.

Bundesnetzagentur: Verteilnetze stehen vor Herausforderungen

Auch aus Sicht der Bundesnetzagentur stehen die Verteilnetze durch den Hochlauf von E-Fahrzeugen oder auch Wärmepumpen absehbar vor Herausforderungen. Als Grund nennt die Behörde «teils beträchtlich höhere Bezugsleistungen» und eine deutlich höhere Gleichzeitigkeit bei der Nutzung. Es brauche eine zeitnahe und vorausschauende Ertüchtigung der Verteilernetze. Doch der Ausbau allein reiche nicht aus - künftig sollen Netzbetreiber auch an einigen Stellschrauben drehen können. Zum neuen Jahr soll dafür ein neuer Gesetzespassus in Kraft treten, der das möglich machen könnte.
Welche Stellschrauben das sein könnten, das hat die Netze BW in den vergangenen Jahren in mehreren Pilotprojekten in Baden-Württemberg erforscht. In den sogenannten Netzlaboren wurden Anwohner in ausgewählten Wohnvierteln mit E-Autos und Ladestationen ausgestattet. Das Ziel: Unter realen Bedingungen testen, wie und wann die Menschen ihr Auto laden, was das für das lokale Netz bedeutet - und welche Möglichkeiten es gibt, die Belastung für die Netze zu reduzieren. Insgesamt machten 113 Haushalte an acht Standorten mit.
Inzwischen ist Technikchef Konermann entspannter. Das hat auch mit den Ergebnissen dieser Versuche zu tun. Denn zum einen ergab sich, dass die Anzahl an Fahrzeugen, die gleichzeitig luden, stark variiert. In den Netzlaboren pendelte der Wert zwischen 22 und 88 Prozent und lag im Mittel bei 50 Prozent. «Wenn wir überall 80 bis 100 Prozent Gleichzeitigkeit gehabt hätten, dann hätte sich die Netzbelastung und damit der Ausbau unseres Stromnetzes um ein Vielfaches erhöht», sagt Markus Wunsch, der die Projekte leitete.
Und zum anderen - und das ist nun der Kern dessen, was auch der Gesetzgeber demnächst regeln will - konnten die Belastungen für das Netz durch sogenanntes netzdienliches Lademanagement reduziert werden. Hinter diesem etwas sperrigen Begriff versteckt sich ein einfaches Prinzip: Wenn mehr E-Autos am Netz hängen, als dieses eigentlich verträgt, dann könnte man durch eine gezielte und bedarfsabhängige Reduktion der Ladeleistung die Belastung für das Netz abfedern. Das führt dann aber auch dazu, dass ein einzelnes Auto langsamer lädt.
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