Programmieren ohne Coden

KI, Low Code und die Zukunft der Entwickler

von - 16.01.2024
Das große Potenzial No Code/Low Code wird gerade durch einen Gamechanger geboostert: Künstliche Intelligenz. Die rasanten Fortschritte bei Chatbots und generativer KI machen auch vor der Softwareentwicklung nicht Halt. Schon heute lässt sich Software allein durch Dialog mit KIs wie ChatGPT 4 oder Bard generieren, ohne eine einzige Zeile Code selbst zu erstellen. Hinzu kommt: Eine KI wie ChatGPT kann Softwarecode auch testen und debuggen. Das Ergebnis ist in der Regel jedoch (noch) nicht perfekt, sodass der Code heute weiter von einem professionellen Entwickler auf Qualität, Sicherheit und Zuverlässigkeit geprüft werden muss.
Microsofts Low-Code-Offering, die Power Apps, enthält nach der Integration von Copilot bereits Funktionalitäten auf ChatGPT-Basis. Ryan Cunningham, Vice President Microsoft Power Apps, nennt zwei Zwecke für generative KI in Copilot: Die Entwicklungszyklen sollen beschleunigt, die erstellten Anwendungen mit generativen KI-Funktionen angereichert werden können. Gregor Greinke sieht in KI-Lösungen wie ChatGPT eine wertvolle Unterstützung, um Programmcode schneller zu finden und an die richtige Stelle einzubetten oder in bestehenden Code-Blöcken Fehler ausfindig zu machen. „ChatGPT ist durchaus in der Lage, abstrakte Befehle in konkreten Code zu transferieren und damit spezielle Funktionen zu bauen. Als eine Art Meta-Crawler durchsucht ChatGPT unzählige Datenbanken und Datensätze, konsolidiert die Informationen und leitet daraus Antworten ab. Natürlich sollten künstliche Intelligenzen wie ChatGPT mit Bedacht eingesetzt und die Antworten nicht ungeprüft übernommen werden. Greift die KI auf falsche Informationen oder veraltetes Wissen zurück, wird das gelieferte Ergebnis mit hoher Sicherheit fehlerbehaftet sein.“
Microsoft nennt seine Low-Code-Lösung Power Apps, sie ist Teil der Microsoft Power Platform.
(Quelle: Microsoft )
Zudem „halluzinieren“ KIs mitunter, erfinden also Dinge frei, was im Unternehmensumfeld ungute Gefühle weckt. ChatGPT ersetzt deshalb derzeit sicher noch keinen vollwertigen Entwickler, doch für IT-Teams kann es ein sinnvolles Tool zur Datenrecherche und zur schnellen Bereitstellung von Code-Snippets sein. Für das Zusammensetzen hunderter Code-Zeilen und die Programmierung komplexer Anwendungen bleiben Profi-Entwickler unabdingbar. Aber bleibt das so? Uwe Specht meint: „Das ist eine sehr gute Frage. Momentan ist schwer absehbar, ob generative KI schon in naher Zukunft bei No Code/Low Code oder in der klassischen Programmierung komplexere Aufgaben übernehmen kann. Auf beiden Gebieten werden aber zunächst die einfacheren Aufgaben durch KI entfallen, das ist klar. Die ersten Ergebnisse, die wir hier bei unserer eigenen Low-Code-Plattform sehen, sind jedenfalls schon sehr beeindruckend.“
Wenn Anwendungen praktisch von jedermann im Unternehmen hergestellt werden können, drängt sich auch unabhängig von KI die Frage auf, ob man langfristig überhaupt noch Entwickler braucht. Uwe Specht geht davon aus, dass viele Entwickler in Zukunft Low-Code-Designer und -Architekten sein werden, was ihren Durchsatz deutlich erhöhen wird. Es werde aber auch weiterhin Entwickler geben, die gerne coden, und für sie werde es auf absehbare Zeit auch noch genügend zu tun geben.
Ähnlich Gregor Greinke: „Da No-Code- und Low-Code-Technologien nicht in Konkurrenz zu den eigentlichen Aufgaben eines Entwicklers, also der Programmierung komplexer Funktionalitäten und individueller Softwareapplikationen, stehen, stellen sie auch keine Bedrohung für die Arbeitsplätze in der IT dar“, ist Greinke überzeugt. „Vielmehr fungiert No Code/Low Code als unterstützender Hebel, der einfachere Automationsaufgaben an den Fachbereich ausgliedert und den ITlern mehr Zeit für komplexere Fragestellungen und Applikationsentwicklungen freiräumt.“
Die Palette der Einsatzmöglichkeiten von Low-Code- und No-Code-Plattformen ist sehr breit gefächert.
(Quelle: Medium )
„Mit zunehmender Automatisierung wird der Einfluss von Entwicklern sogar noch wachsen“, prognostiziert Greinke, „da die Menge an zu verwaltenden Applikationen steigt und sie sich konstant mit neuen Technologien und deren Einsatzmöglichkeiten im Unternehmen beschäftigen müssen. Das heißt, das Arbeitsspektrum von Entwicklern verschiebt sich, doch sie selbst bleiben auch im Zeitalter von No Code und Low Code unersetzbar.“

Auswege aus dem Fachkräftemangel?

Stellt sich die Frage, ob No Code und Low Code beim Fachkräftemangel Linderung bringen. Klares Ja von Gregor Greinke: „Viele Unternehmen verfügen nicht über genügend qualifizierte Informatiker, um Digitalisierungs- und Automationsvorhaben in der vom Markt geforderten Schnelligkeit umzusetzen. Und genau in diese Kerbe zahlt No Code/Low Code ein. Es ermöglicht technisch weniger qualifiziertem Personal, ihre digitalen Initiativen eigenständig umzusetzen und den Fachkräftemangel abzufedern. Technologien wie KI, No Code oder Low Code gewinnen daher weltweit an immer mehr Beliebtheit und unterstützen Unternehmen bei der Umsetzung digitaler Geschäftsmodelle trotz IT-Ressourcenmangel.“ Auch Uwe Specht sieht das so: „Definitiv, denn Low Code/No Code ermöglicht eine Steigerung der Produktivität. Das Backlog der IT-Abteilungen ist in den vergangenen Jahren deutlich angewachsen. Sie schaffen nur einen Bruchteil der Digitalisierungsanforderungen und können häufig nur den reinen Betrieb aufrechterhalten. Dieser Zustand lässt sich nur durch Low Code/No Code spürbar verbessern.“

Ausblick & Fazit

Alles abrupt auf Low Code/No Code umzustellen, wäre sicherlich falsch, weil das Silos fördern würde. Vielmehr sollten IT-Abteilungen einen hybriden Ansatz verfolgen, bei dem klassischer Code und Low Code nebeneinander existieren. Die Integration von KI in Low-Code-Plattformen wird es Entwicklern zudem ermöglichen, schnell intelligente Anwendungen mit fortschrittlichen Funktionen wie der Verarbeitung natürlicher Sprache und Predictive Analysis zu versehen. Low-Code-Applikationen, die einem einzigen Zweck dienen, ohne Idee für eine Wiederverwendung, sollten bald der Vergangenheit angehören. Vorkonfigurierte Module werden Kernfunktionen bieten, die mehreren Anwendungen gemeinsam sind. Diese Module lassen sich vielfach verwenden, was die Anwendungsentwicklung weiter beschleunigen wird.

Low-Code-/No-Code-Plattformen (Auswahl)

Hersteller

Plattform

Beschreibung

Appian

https://appian.com

Appian

Die Low-Code-Plattform von Appian eignet sich besonders für das Business-Process- und Case-Management.

Creatio www.creatio.com

Creatio Studio

Workflows und CRM automatisieren mit No Code. Creatio Studio lässt sich in Creatios CRM-Tool integrieren. So können Synergieeffekte genutzt werden.

Microsoft

https://powerapps.microsoft.com/de-de

Microsoft Power Apps

Die Low-Code-Plattform basiert auf Excel-ähnlichen Tabellenkalkulationen und stellt eine benutzerfreundliche Lösung für die Low-Code-Entwicklung dar.

Neptune Software

www.neptune-software.com

Neptune DXP

ABAP-basierte Entwicklungsplattform, kombiniert No Code, Low Code und Rapid Application Development (RAD). 

Oracle

https://apex.oracle.com

Oracle Application Expres (APEX)

APEX arbeitet rein browserbasiert und passt sich jedem Endgerät automatisch an. Ein Verständnis von SQL ist von Vorteil. Citizen Developern wird ein SQL Workshop zur Verfügung gestellt.

Pega

www.pega.com/de

Pega Infinity Plattform

Die Plattform bietet Lösungen für CRM, RPA oder Business Process Management. Das App Studio ist dabei der eigentliche Low-Code Editor für UI-Design und Prozessautomatisierung.

Quickbase

www.quickbase.com

Quickbase

Quickbase ist auf No-Code-Entwicklung für Workflow-Automatisierung spezialisiert und verzichtet auf Kollaborationsfeatures und KI-Funktionen.

Salesforce

www.salesforce.com/de/

Lightning App Builder

Die Low-Code-Plattform ermöglicht die Automatisierung und Integration alltäglicher Geschäftsvorgänge und eignet sich für die Einrichtung von Dashboards und CRM.

SAP

www.sap.com

SAP Build Apps

SAP Build besteht neben den Build Apps aus den Modulen „SAP Build Process Automation“ und „SAP Build Workzone“ und ermöglicht ganzheitliches Application Life Cycle Management (ALM).

Service Now

www.servicenow.com/de/

Now Platform

Die Low-Code-Plattform gliedert sich in die App Engine für UI- und UX-Design und Creator Workflows zum Erstellen von Workflows in einem visuellen Editor.

Simplifier

https://simplifier.io

Simplifier

Stellt vorgefertigte Applikationsvorlagen zur Verfügung, die eine schnelle Entwicklung spezifischer Business-Apps ermöglichen. Zudem lassen sich komplexe IoT-Apps entwickeln.

Zoho

www.zoho.com/creator/

Zoho Creator

Der Zoho Creator erfordert etwas mehr Kodierungsarbeit, stellt den Anwendern aber einen vielfältigen Satz an Templates zur Verfügung, die eine weitgehende Anpassung ermöglichen.

Low-Code-/No-Code-Plattformen (Auswahl)
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