Programmieren ohne Coden

Low Code/No Code und Automatisierung

von - 16.01.2024
Noch aber laufen unzählige Unternehmensprozesse hochgradig manuell ab, die Mitarbeiter verschwenden Zeit mit langweiligen Routineaufgaben. Doch das ändert sich. „Im Zuge der Automation und digitalen Transformation verfolgen bereits heute viele Unternehmen eine No-Code-/Low-Code-Strategie – mit steigender Tendenz“, beobachtet Greinke. „No-Code/Low-Code-Plattformen fungieren als eine Art Brandbeschleuniger bei der flächendeckenden Automatisierung und reduzieren die Durchlauf- und Bearbeitungszeiten von Geschäftsprozessen erheblich. Repetitive Tätigkeiten wie die Freigabe von Dokumenten, Prüfen von Rechnungen oder Anlegen von Stammdaten lassen sich mit wenigen Mausklicks automatisieren und erfordern anschließend keine manuellen Eingriffe mehr.“
Auch Uwe Specht betont, dass Low-Code/No-Code bei der Automatisierung eine herausragende Rolle spielt. „Durch die große Nähe zu den Fachabteilungen wird es für Unternehmen überhaupt erst möglich, die Aufgaben zu digitalisieren, die ihnen den höchsten Wert bieten. Ich nenne das pragmatisches Digitalisieren. Außerdem werden Anwendungen in Low-Code/No-Code-Plattformen üblicherweise besser modularisiert. Das hat einen erheblichen Vorteil für die Automatisierung. Mit Hilfe von Reporting und Process Mining können Unternehmen die am häufigsten genutzten und die problematischsten Aufgaben beziehungsweise Module identifizieren und dann gezielt ihre Automatisierung oder Verbesserung planen.“

Nachteile von No-Code- und Low-Code

Die Einführung von No-Code- und Low-Code-Plattformen erfolgt nicht ohne Herausforderungen. Ein Nachteil von Low- und No-Code-Tools liegt gerade in den geringen Kosten und der einfachen Handhabe begründet. So kann es passieren, dass die Mitarbeiter immer weiter vor sich hin entwickeln und niemand mehr den Überblick behalten kann, welche Anwendungen im Unternehmen vorhanden sind oder was sie können.
An dieser Stelle kommen auch Compliance und die DSGVO ins Spiel. Denn es hat mitunter auch niemand den Überblick, welche Daten die Anwendungen erstellen, welche sie verwenden und wer darauf Zugriff hat. Eine Herausforderung liegt also in der Verwaltung, Wartung und Skalierung dieser Anwendungen. Auch sind die potenziell eskalierenden Infrastruktur- und Speicherkosten im Auge zu behalten.
Uwe Specht
Senior Specialist Solutions Consultant bei Pegasystems
Foto: Pegasystems
„Durch die große Nähe zu den Fachabteilungen wird es für Unternehmen überhaupt erst möglich, die Aufgaben zu digitalisieren, die ihnen den höchsten Wert bieten. Ich nenne das pragmatisches Digitalisieren.“
Eine weitere Falle lauert in übertriebenem Ehrgeiz. So kann es vorkommen, dass Unternehmen feststellen, dass ihre Laienentwickler oder sogar die eigenen professionellen Entwicklungsteams versuchen, die Low- und No-Code-Tools für viel zu komplexe Aufgaben heranzuziehen, um dann am Ende festzustellen, dass sie das Tool und sich selbst überfordert haben – was eine Verschwendung von Ressourcen bedeutet. Low- und No-Code-Tools erfordern unter dem Strich einen erhöhten Verwaltungsaufwand und eine strikte Durchsetzung von Data-Governance-Regeln.
„Unternehmen sollten beim Einsatz von No-Code- und Low-Code-Plattformen unbedingt Regeln für den internen Gebrauch aufstellen, sonst droht Gefahr, dass sich die Prozessautomation verselbstständigt und Mitarbeiter Anwendungen entwickeln, die nicht gebraucht werden, bereits vorhanden sind oder fehlerhaft funktionieren und zum Beispiel unbefugten Personen Zugriff auf sensible Daten gewähren“, sieht auch Gregor Grenke die Gefahren. „Die IT-Governance nimmt bei No-Code-/Low-Code-Plattformen demnach eine zentrale Rolle ein und wird von einigen Tools durch eingebaute Genehmigungs- und Freigabefunktionen bereits systemseitig unterstützt. Verantwortliche aus der IT-Abteilung oder anderen Fachbereichen sollten vom Unternehmen beauftragt werden, um die Entwicklung von Apps zentral zu steuern und freizugeben. Ohne vorherige Zustimmung durch die berufene Personengruppe sollten Fachanwender kein Automationsprojekt starten, geschweige denn eine Prozess-App in Betrieb nehmen dürfen. Wenn Governance-Regeln aufgesetzt sind, dann ist die Gefahr von ungewollten oder fehlerhaft entwickelten Anwendungen weitgehend gebannt.“
Eine weitere Einschränkung bei No-Code- und Low-Code-Plattformen liegt oft im Kern der Anwendung begründet, also im programmierreduzierten Ansatz. Mit No-Code/Low-Code lassen sich insbesondere standardisierte Prozesse von geringer bis mittlerer Komplexität gut mit wenig Aufwand automatisieren. Bei sehr komplexen, individuell angepassten Anwendungen mit vielen Spezialfällen hingegen stößt No Code/Low Code an Grenzen. Dann kommen Unternehmen doch nicht um das klassische Programmieren herum.
Die größte Herausforderung sieht Pega-Manager Specht im Änderungsmanagement, das durch den Ansatz dieser Plattformen erforderlich wird. „Software-Architekten sind oft skeptisch und viele Entwickler fühlen sich bedroht. Die Fachabteilungen wiederum sind verunsichert, wenn es plötzlich keine tagelangen Anforderungsdiskussionen mehr gibt und ihnen stattdessen schon im zweiten Meeting ein funktionierender Prototyp präsentiert wird. Und die Erwartungshaltung muss gemanagt werden. Auch mit No Code/Low Code ist es nicht möglich, eine komplexe Fachapplikation mit einem Klick zu entwickeln.“
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