Open Source ist dem Markt teils Jahre voraus

Organisation von global verteilten Entwicklerteams

von - 30.05.2018
com! professional: Wie organisieren Sie die global verteilten Entwicklerteams?
Rodler: Unser Ziel ist seit der Gründung, in einer virtuellen Organisation zu arbeiten – daher auch der Firmenname Virtual Network Consult. Damit diese virtuelle Firma funktioniert, sind drei Dinge erforderlich:
Andrea Wörrlein
Andrea Wörrlein: Verwaltungsratsmitglied und Gründerin von VNC
erstens eine leistungsfähige Collaboration-Plattform innerhalb der Organisation, auf der jeder Entwickler, jeder Infrastruktur-Administrator und auch jeder Software-Tester ein bestimmtes Projekt jederzeit einsehen kann. Das leistet bei uns eine eigens entwickelte Projektmanagement-Lösung. Sie basiert natürlich auf  Open-Source-Technologie. Mit dem Tool können Projekte sowohl mit Agile- und Scrum-Methoden als auch nach dem Wasserfallvorgehen verwaltet werden. Das Tool erlaubt uns auch, die Projekte extrem granular zu gliedern.
Die zweite Voraussetzung für die virtuelle Organisation ist ein Kommunikations-Tool. Es beinhaltet Chat, Gruppen-Chat – beides mit History und leistungsfähiger Suche – sowie Audio- und Videotelefonie. So können wir auch Freelancer in abgelegenen Regionen in die Projekte miteinbeziehen, denn sie benötigen für die Kommunikation und Zusammenarbeit lediglich einen Webbrowser.
Der dritte Punkt ist das Arbeiten nach der DevOps-Methode. Auch in großen Projekten mit 50 oder mehr Programmierern wird jedes (virtuelle) Meeting strukturiert protokolliert. Die Protokolle werden qualitätsgeprüft und fließen in die Projektorganisation ein: In DevOps-Zyklen wird Code so früh wie möglich auf Test-Servern bereitgestellt und von der Qualitätssicherung maschinell und manuell validiert. Dafür haben wir eine hoch automatisierte Entwicklungsumgebung programmiert.
com! professional: Sind überhaupt Terminprojekte mit der Open-Source-Community möglich?
Rodler: Da sprechen Sie eine echte Herausforderung an. Bei der Disziplin und Termintreue unterscheiden sich die verschiedenen Produkt-Communities stark voneinander. Zum Beispiel stehen im Bereich der Content-Management-Systeme hervorragende Open-Source-Produkte zur Verfügung.
Allerdings ist es tatsächlich problematisch, die Entwickler zu einer effizienten und zielorientierten Arbeitsweise zu bewegen. Ein Grund ist sicher die sehr flache Hierarchie innerhalb der Community, ein anderer das Fehlen von Vordenkern. Dennoch sind die Produkte top, dem Markt teilweise Jahre voraus und die Releases immer einwandfrei. Wenn unsere Kunden mit bestimmten Anforderungen kommen, müssen wir dann eben die Funktionen selbst entwickeln.
Andrea Wörrlein: In diesem Produktbereich haben wir schon Millionen Franken investiert.
Rodler: Der Grund für diese hohen Investitionen ist einfach: Die Lösung ist die perfekte Alternative zu Microsofts erfolgreichem und kommerziell lukrativem SharePoint.
Wörrlein: Zwei sehr aktive Communities gibt es im Bereich des File Sync & Share. Hier können auch unsere Kunden zwischen zwei Produkten wählen: der populären ownCloud und ihrem Fork Nextcloud. Da hinter beiden Lösungen jeweils eine kommerzielle Unternehmung steht, findet bei beiden Produkten eine zielorientierte Entwicklung statt.
com! professional: Welche Pläne hat VNC für die Zukunft?
Rodler: Die IT entwickelt sich gerade rasant weiter. Wir werden mit dem Tempo mithalten und unseren Software-Stack weiter ausbauen. Ein Stichwort ist Artificial Intelligence, ein anderes Industrie 4.0. Dabei kommen unsere größten Wettbewerber aus Redmond: einerseits Office 365 und andererseits Microsoft Azure.
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