Quelloffene Business-Software

Open Source ist dem Markt teils Jahre voraus

von - 30.05.2018
Open Source
Foto: Rawpixel.com / shutterstock.com
Die VNC-Gründer verraten, wie sie mit Open Source konkurrenzfähige Lösungen entwickeln und wie man ein global verteiltes Entwicklerteam organisiert.
Bernd Rodler
Bernd Rodler: Verwaltungsratspräsident und Gründer von VNC
Viele Anwenderunternehmen setzen auf Open Source. Insbesondere im Infrastrukturbereich ist die Technologie zu finden. Die Entwicklungsfirma VNC, kurz für Virtual Network Consult, hat sich auf die Fahne geschrieben, Open Source im gesamten Enterprise zu etablieren. Dabei zählen die Schweizer auf eine weltweit verteilte Entwickler-Community.
Die Gründer Andrea Wörrlein und Bernd Rodler zeichnen die Entwicklung ihres Unternehmens nach und nennen Chancen und Hindernisse für zukünftiges Wachstum.
com! professional: Was zeichnet VNC aus, woher kommt das Unternehmen?
Bernd Rodler: VNC wurde 1998 in Nürnberg gegründet. Vier Jahre später folgte die Niederlassung in der Schweiz. Damals hatte VNC noch nichts mit Open Source zu tun, denn es gab keine quelloffene Business-Software. Der Schwerpunkt lag zunächst auf proprietären Technologien, etwa von Microsoft. Vor rund zehn Jahren hat sich VNC neu orientiert und setzt seitdem ausschließlich auf Open Source.
com! professional: Sie können uns bestimmt die Gründe für die Neuorientierung nennen.
Rodler: Die Gründe sind einfach erklärt: Die quelloffene Enterprise-Software hatte damals eine unglaubliche Dynamik entwickelt. Wir sind mit einem Open-Source-ERP aus Kalifornien gestartet, das innerhalb weniger Jahre einen riesigen Funktionsumfang bekommen hat. Für OpenPro haben wir den Europavertrieb übernommen. Da ERP nur vertikale Märkte bedient und wenig skaliert, haben wir uns nach weiteren Open-Source-Produkten umgesehen.
Wir landeten schnell im Bereich der Groupware, sprich Zimbra. Die Software gehörte damals zu Yahoo, für die wir wiederum den Zentraleuropavertrieb übernommen haben. Schnell stellten wir fest, dass sich sehr viel tut in der Business-Open-Source-Szene. Vor etwa acht Jahren haben wir beschlossen, nicht nur einzelne Produkte zu vermarkten und anzupassen, sondern einen ähnlichen Stack, wie Microsoft ihn mit Exchange, SharePoint oder den Backend-Komponenten Windows Server und SQL Server anbietet, mit Open Source zu bauen.
com! professional: Wer sind Ihre Kunden?
Rodler: Viele Kunden stammen aus sicherheitskritischen Branchen wie Kirchenorganisationen. Deren Daten betreffen im wahrsten Sinne des Wortes Leben und Tod. Den Organisationen stellen wir den kompletten Collaboration-Stack bereit, gehostet in Kirchenrechenzentren. Hier kommt ein weiteres Charakteristikum unserer Lösungen zum Tragen: Wir entwickeln SaaS-fähige Software, die der Kunde auf Wunsch selbst betreiben oder aus unserem Rechenzentrum beziehen kann.
com! professional: Diese Lösungen werden in der Schweiz entwickelt?
Rodler: Ja, das Design der Lösungen und das Projektmanagement finden in der Schweiz statt. Anschließend erfolgt die Qualitätsprüfung und -sicherung ebenfalls in der Schweiz.
Die Entwicklung der Lösungen selbst findet allerdings global statt. Das muss so sein – aus mehreren Gründen: Einmal würden wir die Menge an Programmierern niemals in der Schweiz selbst finden. Der Markt ist leer. Zweitens arbeiten wir mit hochkomplexen Technologien wie Angular, OpenLDAP oder PostgreSQL. Die Kompetenzen sind kaum in einem einzigen Land zu finden. Drittens erwarten die Kunden und Partner, dass sie zügig beliefert werden. Wir müssen rund um die Uhr an sieben Tagen pro Woche entwickeln.
In Zeiten agiler Entwicklung will der Kunde schnell Ergebnisse sehen und eingreifen können, wenn eine Funktion nicht wie gewünscht umgesetzt wird. Das geht nur mit Teams, die verteilt sind in Brasilien, Indien, Pakistan, Vietnam und natürlich Europa. Zwingend in der Schweiz geschehen muss wie erwähnt die Qualitätssicherung. Das lässt sich nicht outsourcen. Wir haben es in einzelnen Projekten versucht.
com! professional: Woran hat es gemangelt?
Rodler: Die Kollegen beispielsweise in Indien haben nicht die gleichen Qualitätsansprüche wie ein Schweizer Kunde.
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