KI-Start-ups als Treiber für Innovationen

Zwei Gründungstypen

von - 03.06.2020
KI-Landkarte
Start-ups in Deutschland: Die Übersicht von appliedAI listet eine ganze Reihe von Jungunternehmen im Bereich Künstliche Intelligenz auf.
(Quelle: appliedAI)
Sieht man sich die Art der KI-Lösungen und -Services näher an, die KI-Start-ups produzieren, lässt sich Folgendes feststellen: In den meisten Fällen klinken sich die Start-ups in bestehende Wertschöpfungsketten ein - in medizinische Prozesse, in die Produktentwicklung oder den Kunden-Support. Sie generieren oft Lösungen, um vorhandene Geschäftsprozesse zu automatisieren und zu optimieren. Oder sie unterstützen Unternehmen dabei, eigene Produkte zu entwickeln und zu vertreiben. Dass KI-Start-ups schlüsselfertige Endprodukte im B2C-Segment entwickeln, kommt seltener vor.
Das Berliner Humboldt Institut für Internet und Gesellschaft (HIIG) hat aus empirischen Daten zwei Typen von KI-Start-ups herausgearbeitet: „AI-as-a-Service-Start-ups“ und „AI-as-a-Solution-Start-ups“. Letztere machen ein knappes Drittel aller deutschen KI-Junggründungen aus. Sie stellen Produkte her, die meist als eigenständige Marke direkt an private Endkunden vertrieben werden, bedienen also das Segment B2C.
Die Anwendung ist in der Regel auf eine bestimmte Branche fokussiert, um dort ein konkretes Problem zu lösen. Beispiele wären im Bereich Mobility KI-basierte Assistenten, die während der Autofahrt Auskunft geben, oder in der Gesundheitsbranche Assistenten, die bei gesundheitlichen Fragen Rat geben und helfen, Gesundheitsparameter zu verfolgen.
Der andere Gründertyp - AI-as-a-Service-Start-ups - fokussiert sich demgegenüber im Bereich B2B auf einen bestimmten Teil der Wertschöpfungskette. Diese Gründer machen etwa zwei Drittel aus und arbeiten an KI-Lösungen, die anderen Unternehmen helfen, Endprodukte mit Hilfe von KI zu entwickeln und diese zu vertreiben oder Unternehmensprozesse zu optimieren.
Das HIIG unterscheidet bei Service-Start-ups noch einmal zwei Gruppen. Die erste Gruppe - die Technologieentwick­ler - konzentriert sich auf die Entwicklung und Anwendung einer spezifischen KI-Technologie wie Bilderkennung. In Zusammenarbeit mit Unternehmen werden die hochspezialisierten Technologien in neue Produkte, Dienstleistungen oder Prozesse eingebunden. Ein Beispiel für einen Techno­logieentwickler ist das Münchner Start-up Twaice, das eine Lösung für die Abschätzung der Lebensdauer von Akkus in E-Fahrzeugen entwickelt.
Die zweite Gruppe - die Geschäftsprozess-Transformato­ren - geht einen Schritt weiter in der Wertschöpfungskette und entwickelt Lösungen, um bestehende Prozesse in Unternehmen mit Hilfe von Künstlicher Intelligenz zu automatisieren und zu optimieren. Ein Beispiel für einen solchen Geschäftsprozess-Transformator ist die Firma rfrnz. Sie agiert im juristischen Bereich und hilft Rechtsabteilungen, juristische Daten besser zu verstehen. Die entwickelte Software wertet etwa Vertraulichkeitsvereinbarungen automatisch aus und prüft, ob der Rechtstext so in Ordnung ist. Solche KI-Lösungen optimieren also bestehende Prozesse.

Nur Platz drei für Deutschland

Auf den ersten Blick ist die deutsche KI-Start-up-Szene recht aktiv und kreativ. Im internationalen Vergleich fällt sie allerdings relativ klein aus - und ist ziemlich schwach finanziert.
Laut der Studie „The Road to AI - Investment Dynamics in the European Ecosystem“ der Unternehmensberatung Roland Berger, die Anfang 2020 publiziert wurde, liegt Deutschland mit 218 KI-Neugründungen im Jahr 2018 lediglich auf dem dritten Platz im europäischen KI-Ökosystem - hinter Großbritannien (590 Start-ups) und Frankreich (235 Start-ups). Großbritannien allein hat doppelt so viele KI-Start-ups vorzuweisen wie Deutschland.
Global betrachtet nehmen die Vereinigten Staaten mit fast 40 Prozent aller weltweiten KI-Start-ups die Führungsrolle ein. Dort haben auch 77 der 100 besten KI-Start-ups der Welt ihren Sitz. Diese werden regelmäßig vom US-Marktforschungsunternehmen CB Insights ermittelt. Europa liegt mit 22 Prozent aller KI-Gründungen weltweit immerhin hinter den USA an zweiter Stelle - noch vor China.
Jochen Ditsche
Jochen Ditsche
Partner bei Roland Berger
www.rolandberger.com
Foto: Roland Berger
„Im Vergleich zu China und den USA ist das europäische KI-Ökosystem zu stark fragmentiert und leidet unter mangelnder Integration.“
Der Studie zufolge hat das europäische KI-Ökosystem mit einem Manko zu kämpfen: „Viele Entwicklungen sind sehr erfreulich, da sie zeigen, dass das europäische KI-Ökosystem weiter stark wächst“, erklärt Jochen Ditsche, Partner bei Roland Berger. „Doch im Vergleich zu China und den USA ist das europäische KI-Ökosystem zu stark fragmentiert und leidet unter mangelnder Integration.“ Sein Kollege Ashok Kaul warnt: „Europa darf sich nicht weiter im Klein-Klein verlieren. Wir benötigen eine Strategie, die den freien Datenfluss sicherstellt, Synergien zwischen den Ländern schafft und damit die unterschiedlichen Stärken und Schwächen bei Patenten, In­frastruktur, Investitionskapazität und Fachkräften ausgleicht.“
Verwandte Themen