Kommt das Zweiklassen-Internet?
Netzneutralität soll Fortschritt bremsen
Interview mit Joe McNamee, Executive Director, Bürgerrechtsorganisation European Digital Rights (EDRi) |
com! professional: Ist die Netzneutralität wichtig? Joe McNamee: Der Kern des Erfolgs des Internets ist, dass jeder mit jedem kommunizieren kann, und das mit dem Best Effort, den das Netzwerk bietet. Dies ermöglicht dem Internet seinen kommerziellen Erfolg, da es die gesamte Welt in einen potenziellen Markt verwandelt. Und es ermöglicht ihm seinen sozialen Erfolg, weil es Ideen verbreiten, Koalitionen bilden und Repressionen ans Licht holen kann. Die Alternative besteht darin, dass man den großen Betreibern erlaubt, von Online-Diensten Geld einzutreiben für den Zugang zu den Kunden des Betreibers. Damit bezahlt der Kunde für den Zugang zum Internet, und der zahlungswillige Teil des Internets bezahlt für den Zugang zum Kunden.
com! professional: Wie beurteilen Sie den jüngsten Antrag des Europäischen Rats zur Netzneutralität? McNamee: Die derzeitige Beschlussvorlage erreicht nicht das selbst gesteckte Ziel, ein offenes, nicht diskriminierendes Internet zu verteidigen. Weite Teile des Textes sind aber solide. Wenn genügend politischer Wille da ist, die Rechte der Internetnutzer, die kleinen Online-Unternehmen sowie Wirtschaft und Innovation zu unterstützen – und nicht die kurzsichtigen und kurzfristigen Interessen einiger großer Betreiber –, dann lässt sich der Text relativ einfach anpassen. Es gibt aber noch etliche Schwachstellen. So soll der Beschluss diversen gesetzlichen Vorschriften gehorchen – und dann folgen Erklärungen, was gesetzliche Vorschriften sind. Dieser Passus sollte gestrichen werden. Da die problematischsten Elemente dieser Erklärungen von Großbritannien und Schweden eingebracht wurden, die gesetzwidrige Internetblockaden und eigenmächtige Zensur betreiben, steht zu befürchten, dass die Absicht dahintersteckt, die Rechtsstaatlichkeit zu unterminieren.
com! professional: Was ist EDRi und was sind Ihre Ziele? McNamee: EDRi (European Digital Rights) ist ein Zusammenschluss von 33 Bürgerrechtsorganisationen aus 19 Ländern. Unsere Aufgabe ist es, sicherzustellen, dass Bürgerrechte in der Online-Welt respektiert werden, wann immer sie bedroht sind durch Aktionen von Politikern oder privaten Organisationen. Freiheit und Rechtsstaatlichkeit sind somit unser Kernanliegen. |