Kommt das Zweiklassen-Internet?
Was heißt Netzneutralität?
Interview mit Nico Lumma, Co-Vorsitzender D64 – Zentrum für Digitalen Fortschritt |
com! professional: Welche Gründe sprechen für die Netzneutralität und die strikte Gleichbehandlung aller Datenpakete? Nico Lumma: Es gilt das Gebot der diskriminierungsfreien Durchleitung von Daten. Damit werden alle Datenpakete gleich behandelt, und es spielt keine Rolle, um welche Inhalte es sich handelt oder wer die Daten zur Verfügung stellt oder abruft. Das bedeutet übrigens auch, dass große und kleine Anbieter dieselben Chancen im Markt haben, ihre Nutzer zu erreichen.
com! professional: Gibt es sinnvolle Ausnahmen? Lumma: Nein.
com! professional: Welche Argumente der Gegner der Netzneutralität können Sie nachvollziehen? Lumma: Keines. Es geht immer darum, dass man den Netzausbau zurückhaltend angeht und doppelt kassieren will: einmal für die Netzanbindung und einmal für die Durchleitung spezieller Datenpakete. Infrastrukturanbieter wollen an den Inhalten mitverdienen, das lehne ich ab, da es moderne Wegelagerei ist.
com! professional: Die Telekom etwa führt hohe Investitionskosten ins Feld und will eventuell Gebühren für priorisierte Dienste erheben. Was sagen Sie dazu? Lumma: Infrastrukturanbieter stehen in der Tat vor der Herausforderung, dass sie in bessere Netze investieren müssen, aber Inhalte-Anbieter dann funktionierende Geschäftsmodelle aufsetzen, an denen die Infrastrukturanbieter nicht partizipieren. Die Limitierung des Geschäftsmodells sollte aber nicht dazu führen, dass das Prinzip der Netzneutralität verlassen wird, damit Infrastrukturanbieter mehr Geld kassieren können.
com! professional: Länder wie Slowenien und die Niederlande haben sich zur Netzneutralität bekannt. Wie sehen Sie die Situation in Deutschland und in der EU? Lumma: Die Bundesregierung sagt, sie sei für Netzneutralität, formuliert aber Ausnahmeregelungen für Verkehrsdienste und Operationen über das Internet. Das zeigt, dass die Telekom und andere Telekommunikationsanbieter hier ganze Arbeit leisten und dafür sorgen, dass die Netzneutralität aufgeweicht wird.
com! professional: Ein Wort zu D64: Welche Ziele hat der Verein? Lumma: D64 hat sich zum Ziel gesetzt, die Digitalpolitik konstruktiv zu begleiten und Ideen zu entwickeln, wie die Digitalisierung der Gesellschaft gestaltet werden kann. Mittlerweile sind über 350 Mitglieder bei D64 engagiert und streiten für eine progressive Digitalpolitik. |