Sicherheit ist die Achilles­ferse des IIoT

Die Rolle der Gateways

Vernetzte Fabrik: Die Connected Factory wird mit Plattformen wie IoT Azure Suite von Microsoft realisiert. Im Bild der Blick auf eine Produktionsstraße.
(Quelle: Microsoft)
Kommt das Gespräch mit Herstellern und Experten auf konkrete IIoT-Sicherheitslösungen, dann wird schnell klar, dass es hier sicher keine Off-the-shelf-Produkte wie Antiviren-Lösungen geben kann, die von den Unternehmen einfach auf ihren Maschinen oder in der Produktionsstraße installiert werden und die Systeme auf diese Weise absichern.
Neben der Möglichkeit, den Firmen Security-SDKs für ihre Industriesysteme anzubieten, wie es beispielsweise Trend Micro tut (siehe dazu auch das Interview auf Seite 30), betonen viele Experten die Schlüsselrolle der IoT-Gateways für den sicheren Einsatz von IoT-Geräten im Industrieumfeld. Dazu Matthias Schorer: „Beim IoT besitzen die Gateways einen hohen Stellenwert, denn sie sind die Vermittler zwischen der archaisch anmutenden, aber sehr zuverlässigen OT-Welt (OT = Operational Technology) und der Ethernet-basierten IT.“ 
Auch und gerade in puncto Sicherheit komme ihnen eine zentrale Rolle zu, „da sie an der Schnittstelle zwischen geschütztem internen Produktionsnetz und dem öffentlichen IoT agieren. Sie müssen Datenflüsse kontrollieren, um die Einhaltung von Datenschutz- und Sicherheitsanforderungen zu gewährleisten, und dienen als Vertrauensanker der IIoT-Infrastruktur. Erst durch sie wird die Umsetzung innovativer datenbasierter Geschäftsmodelle möglich, die über die reine Vernetzung von Produktionsanlagen hinausgehen.“
Matthias Schorer
Lead Business Development Manager IoT EMEA
bei VMware
www.vmware.com/de
Foto: VMware
„Eine Vereinheitlichung (…) wird für IoT-Geräte nur schwerlich erreichbar sein, denn IoT lebt ja ­gerade von der Verknüpfung unterschiedlicher Geräte miteinander.“
Somit fällt dem Gateway die wichtige Aufgabe zu, als Bastion vor der IT-Infrastruktur für Sicherheit zu sorgen. Schorer: „Alle Daten, die vom ,Klingeldraht‘ kommen, werden inspiziert, bevor sie ins Rechenzen­trum weitergeleitet werden. Ebenso sollte das Gateway eine sichere Verbindung mit allen heute gebräuchlichen Sicherheitsstandards aufbauen. Und natürlich können Gateways die Signale unterschiedlicher Welten wie etwa Produktion und Gebäudetechnik in ein Backend weiterleiten, wo sie dann standardisiert in einer Datenbank abgelegt werden können.“
Die Weiterleitung der Daten kann zum Beispiel mit Hilfe der Agenten des Pulse IoT Centers erfolgen, einer von VMware entwickelten Lösung für das IoT-Gerätemanagement im Enterprise-Bereich. Die IoT-Gerätemanagement- und -überwachungslösung soll es IT- und OT-Abteilungen ermöglichen, ihre IoT-Anwendungsbereiche vom Netzwerkrand bis in die Cloud zu integrieren, zu verwalten und zu schützen.
Microsoft-Managerin Anna Notholt betont, dass für eine sichere IoT-Lösung sowohl sichere Geräte und eine sichere Verbindung als auch ein sicheres Cloud-Backend relevant sind. Dabei verweist Notholt auf gehärtete Hardware und Betriebssystemumgebungen und führt Windows IoT Enterprise an, das mit Funktionen wie Bitlocker und Secure Boot einen sicheren Einsatz von IoT-Geräten unterstütze. Auch bei den IoT-Gateways setzt Microsoft laut Notholt auf umfassenden Schutz: „Bei den Gateways gelten dieselben Mechanismen: So stellen wir bei Azure IoT Edge präzise Sicherheitsanforderungen an die zertifizierten Geräte, die unabhängig vom Betriebssystem sind. Generell verwenden wir bei IoT-Systemen auf der Netzwerkebene nur vom Gerät ausgehende Kommunikation. Das bedeutet, dass weder Gateways noch Geräte auf eingehende Verbindungen aus dem Internet hören.“
Einen weiteren Gesichtspunkt bringt Michael Loger, Senior Sales Engineer bei Thales eSecurity, ins Spiel: die Verschlüsselung. Gerade sie sei ein Faktor, der im IoT-Umfeld nicht vernachlässigt werden dürfe: „Ohne Verschlüsselung ist eine inhärent sichere IoT-Lösung faktisch unmöglich. Verschlüsselung garantiert als einzige Technologie die Vertraulichkeit, Integrität, Authentizität und Verbindlichkeit von Daten, Programmen und Firmware. Niemand will, dass jeder Hacker die Firmware eines Devices manipulieren kann. Niemand will, dass die Datenströme von IoT-Devices manipuliert oder ab­gegriffen werden. Und jeder will ein sicheres Schlüssel- und Zertifikatsmanagement. Und das vom IoT-Device über die Middleware bis hin zu den Anwendungen und Managementlösungen in der Cloud.“
Automatisierung: Bei IoT-Projekten läuft die Kommunika­tion durch alle Schichten komplett nach dem IP-Protokoll. „Security“ im IT-Sinn wird wichtiger, „Safety“ (Maschinensicherheit, Unfallschutz) verliert an Bedeutung.
Foto: Trend Micro
Glossar
Aktoren/Sensoren: Ein Aktor setzt elektrische Steuersignale in mechanische Bewegungen oder physikalische Größen um, ein Sensor erfasst physikalische oder chemische Eigenschaften und gibt die Werte als elektrische Signale weiter.
MES/MOMS: Manufacturing Execution Systems/Manufacturing Operations Management Systems – MES-Systeme sind eine Ebene von zumeist mehrschichtigen Systemen für das Fertigungsmanagement (Produktionsleitsysteme).
Bei MOMS geht es um die Digitalisierung von Betriebsvorgängen und Informationen (Produktionsmanagement).
RTU: Remote Terminal Unit – Fernsteuerungsgerät, das unter anderem in der Prozesstechnik und der Energieübertragung eingesetzt wird. Damit werden Prozesse aus der Ferne überwacht und/oder ferngesteuert – auch kabellos.
Scada: Supervisory Control and Data Acquisition steht für das Steuern und Überwachen technischer Prozesse mit Hilfe von zentralen wie dezentralen Computersystemen.
SCM: Supply-Chain-Management bezeichnet den Aufbau und die Verwaltung integrierter Logistikketten über den gesamten Wertschöpfungsprozess hinweg.
SPS: Speicherprogrammierbare Steuerung (Programmable Logic Controller, PLC). Gerät zur Steuerung oder Regelung einer Maschine oder Anlage, kein „normales“ IT-Gerät wie etwa ein PC.
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