Die Digitalisierung zum Erfolg führen

Wandel nach Plan

Die agile Budgetierung von Investitionen mit langfristiger Tragweite kann aufgrund unvorhersehbarer und wechselnder Betriebsanforderungen eine beachtliche Komplexität entfalten. Den Wunsch nach mehr Agilität bestätigt auch die erwähnte Adobe-Studie. 70 Prozent der Befragten geben an, „eine innovative, anpassungsfähige Herangehensweise nach dem Fail-Fast-System“ implementiert zu haben. Vier von zehn befragten Managern zeigen sich dennoch frustriert vom „Silodenken einzelner Abteilungen“ sowie von bürokratischen Prozessen.
63 Prozent haben bereits einen technischen Projektplan für die digitale Transformation entwickelt. 61 Prozent verfügen für das bevorstehende Vorhaben auch schon über ausreichend Experten im eigenen Unternehmen. Nahezu jeder zweite Befragte hat jedoch eigenen Aussagen zufolge weder genügend Mittel noch Zeit, um die Anforderungen und Geschäftsziele zu erfüllen.
Gérard Richter
Gérard Richter
Seniorpartner von McKinsey & Company
www.mckinsey.de
„Die klassische Finanzplanung in Jahreszyklen hat ausgedient.“
Dieser Widerspruch deutet möglicherweise darauf hin, dass nahezu jedes zweite Unternehmen weltweit mangels ausreichender finanzieller Ressourcen für die Einstellung zusätzlicher Fachkräfte die digitale Transformation vorerst nur im eingeschränkten Umfang vollzieht. Inwiefern diese rigiden Einschränkungen die Innovationsbereitschaft behindern oder fördern, bleibt vorerst ungeklärt.

Beispiel Deutsche Bahn

Ein deutscher Konzern, der sich mit den Herausforderungen der Digitalisierung – aus leidvoller Erfahrung – bestens auskennt, ist die Deutsche Bahn: „Wir mussten auf harte Weise erfahren, was digitale Transformation bedeutet, und haben dabei auch die ein oder andere Chance verpasst“, räumt selbstkritisch Richard Lutz ein, Vorstandsvorsitzender der Deutschen Bahn AG.
So sei die Bahn zwar schon 1999 mit den Surf-and-Rail-Tarifen auf den „Online-Zug“ aufgesprungen, habe jedoch das Potenzial selbst nicht voll verstanden. Und auch die Möglichkeiten der Smartphone-App DB Navigator und ihre Relevanz aus Sicht des Kunden habe man nicht ausgereizt und die App daher viel zu zögerlich weiterentwickelt. „Dabei werden heute jeden Tag vier Millionen Suchanfragen über die App gestellt“, betont Lutz. Im Jahresdurchschnitt kommt die App auf sagenhafte 1,46 Milliarden Aufrufe.
Das sind alles Daten von enormem Wert, nicht zuletzt für die Infrastrukturplanung. 18,4 Millionen Menschen in Deutschland – mehr als je zuvor – sind Pendler, gab das Bundesinstitut für Bau-, Stadt- und Raumforschung vergangenen Juli bekannt. Umgerechnet 59,4 Prozent aller Beschäftigten müssten „vom Wohnort zur Arbeit in eine andere Gemeinde fahren“, ein Anstieg um 2 Prozentpunkte gegenüber 2015.
Dem ADAC zufolge dürften teurer Wohnraum und großer Druck in der Arbeitswelt das Pendeln in naher Zukunft zu einem „noch größeren Massenphänomen“ werden lassen. Für Unternehmen im Transportwesen ist die digitale Transformation deshalb auf jeden Fall unabwendbar.
Das Pendler-Phänomen in dicht besiedelten Ballungsräumen wie München, Frankfurt, Berlin und Hamburg und zeitkritische Transportanforderungen im Güterverkehr erfordern eine digital gesteuerte Abstimmung der Züge. Mit den kürzeren Taktzyklen hat sich auch die herkömmliche Synchronisierung per Lokführer überlebt.
Die Digitalisierung des Konzerns gehört zu den vordringlichen Aufgaben der Bahn-Manager. Seit November vergangenen Jahres ist dafür Sabina Jeschke als Vorstand Digitalisierung & Technik verantwortlich. Die promovierte Physikerin kommt von der RWTH Aachen. An der dortigen Fakultät für Maschinenwesen leitet sie als Direktorin das interdisziplinäre Cybernetics Lab, das sich mit dem Einsatz von Informatik und Digitalisierungstechnologien in den Ingenieurwissenschaften befasst.
Aus der Sicht von Jeschke ist längst noch kein Ende der Transformation abzusehen. Denn der Fortschritt trete sprunghaft, in „Sub-Wellen“, ein. Die digitale Revolution, die im Wesentlichen „KI-getrieben“ sei, werde dicht gefolgt von der Automatisierung und dem autonomen Fahren – auch im Bahnverkehr. Lutz-Vorgänger Rüdiger Grube stellte zum Beispiel in Aussicht, zwischen 2021 und 2023 in Teilen des Netzes den Lokführer abzuschaffen.
Jeschke erkennt bei der datengetriebenen Revolution, dass „die unterschiedlichen Branchen unterschiedliche Tempi treffen“. Bei der Bahn jedenfalls fährt der Zug der digitalen Transformation jetzt ab. Die Voraussetzungen, mit alten und neuen Konkurrenten mitzuhalten, sind für den über 180 Jahre alten Traditionskonzern dabei gar nicht so schlecht. Er bricht derzeit einen Passagierrekord nach dem anderen und kehrte im vergangenen Jahr auch in die Gewinnzone zurück.
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