Large-Scale Agile Frameworks

XXL-Projekte mit agilen Methoden bewältigen

von - 11.06.2019
Large-Scale Frameworks
Foto: ONYXprj / shutterstock.com
Frameworks sollen helfen, auch große Projekte mit agilen Techniken zu stemmen. Statt jedoch eine Lösung dogmatisch umzusetzen, sollten zunächst verschiedene Ansätze evaluiert werden.
Beliebte Frameworks und Methoden
Large-Scale Agile Frameworks: Mit 29 Prozent ist SAFe das beliebteste Verfahren, um agile Projekte zu skalieren.
(Quelle: Collab.net VersionOne: "12th Annual State of Agile"-Report, 2018, n=1492 )
In den letzten 20 Jahren wurden agile Modelle für die Software-Entwicklung wie Extreme Programming, Feature Driven Development oder Scrum immer beliebter. Sie setzen auf flexibles Arbeiten statt auf lange Planungsphasen und starre Projektvorschriften. Längst ist das Konzept nicht mehr nur auf die Software-Entwicklung beschränkt, komplette Unternehmen sollen heute nach agilen Prinzipien funktionieren.
Scrum und andere agile Ansätze lassen sich jedoch nicht ohne Weiteres auf größere Projekte oder ganze Organisationen übertragen, da sie für kleine Teams konzipiert sind. Eine Reihe von Framework-Initiativen tritt an, diese Beschränkung mit „Large-Scale Agile Frameworks“ zu überwinden und agile Methoden auch im großen Maßstab nutzbar zu machen. Die wichtigsten werden im Folgenden vorgestellt.

Frameworks im Überblick

Scaled Agile Framework (SAFe): Das von dem Methodiker Dean Leffingwell gegründete Framework ist das älteste und derzeit am meisten genutzte Large-Scale Agile Framework. Laut dem von dem Software-Hersteller Collab.net VersionOne herausgegebenen „12th State of Agile“-Report aus dem Jahr 2018 verwenden 29 Prozent aller befragten Unternehmen, die Methoden und Ansätze zur Skalierung nutzen, das Scaled Agile Framework. SAFe ist ab einem Projektumfang von 50 bis 60 Mitarbeitern einsetzbar, im Wesentlichen aber für sehr große Umgebungen mit Tausenden von Beteiligten konzipiert. Das Framework, das aktuell in Version 4.6 vorliegt, deckt nahezu alle Anwendungsfälle ab und gibt detaillierte Handlungsempfehlungen, es ist allerdings auch sehr komplex. „SAFe ist inzwischen mindestens so umfangreich wie ein Bachelor-Studium“, erklärt Peter Vollmer, Solution Architect & Agile Evangelist beim Software-Unternehmen Micro Focus. „Es gibt ungefähr 150 Fachbücher und zahlreiche Fachbeiträge zu den verschiedenen Aspekten des Frameworks.“ Vollmer muss es wissen, denn als SAFe 4 Certified Program Consultant Trainer (SPCT) hat er die höchste Stufe im Zertifizierungsprogramm des Frameworks erreicht und darf andere SAFe-Trainer ausbilden. Selbst er tut sich schwer, die rasante Weiterentwicklung in den unterschiedlichen Teilbereichen in der Tiefe zu verfolgen. „Es geht nicht nur um neue Aspekte, die in das Framework aufgenommen werden, sondern auch um die Bewertung aktueller Trends, um an der Entwicklung neuer SAFe-Versionen mitwirken zu können“, erläutert der Experte. Besonders positiv bewertet Vollmer das umfangreiche Angebot an Schulungen und Kursen. „Die Trainings bauen nach dem Multiplikatorenprinzip aufeinander auf, sodass ich intern sehr schnell Skalierungseffekte erzielen kann, statt teuer externe Coaches einkaufen zu müssen.“
Peter Vollmer
Peter Vollmer
Solution Architect & Agile Evangelist bei Micro Focus und SAFe 4 Certified ­Program Consultant Trainer
www.microfocus.com/de-de
Foto: Micro Focus
„SAFe ist inzwischen ­mindestens so umfangreich wie ein Bachelor-Studium.“
Laut den vielen Case-Studies auf der SAFe-Homepage verkürzt das Framework die Zeit bis zur Markteinführung um 30 bis 75 Prozent. Es steigert die Produktivität um 20 bis 50 Prozent, die Qualität der Produkte um 25 bis 75 Prozent und die Mitarbeiterzufriedenheit um 10 bis 50 Prozent. Solche Angaben sind allerdings mit Vorsicht zu genießen, warnt Micro-Focus-Experte Vollmer: „Es kommt schließlich immer auf die Ausgangswerte an, auf denen sie basieren.“
Large-Scale Scrum (LeSS): Das Framework LeSS wurde von den Agile Coaches Bas Vodde und Craig Larman für die agile Produktentwicklung mit maximal acht Teams und jeweils acht Mitgliedern pro Team konzipiert, kann aber als „LeSS Huge“ auch in Umgebungen mit einigen Tausend Projekt­beteiligten eingesetzt werden. Wie der Name schon andeutet, versteht sich LeSS vor allem als eine Skalierungsmethode für Scrum. Viele Komponenten dieses Konzepts werden übernommen. So gibt es einen gemeinsamen Product Backlog für alle Teams, einen Product Owner und eine gemeinsame DoD (Definition of Done). Alle Teams arbeiten am selben Sprint, an dessen Ende ein funktionsfähiges Produkt steht. Ergänzend kommen unter anderem gemein­same Sprint-Planungssitzungen und Retrospektiven hinzu.
LeSS bietet wesentlich weniger Strukturen und macht weniger Vorgaben als etwa SAFe. „Auf viele Fragen, die bei der Skalierung von agilen Projekten auftreten, findet man in LeSS keine direkte Antwort“, berichtet Peter Vollmer. Die Offenheit von LeSS kann auch zu Problemen führen, wenn es gilt, Dienstleister in Projekte einzubinden oder Compliance-Regeln zu erfüllen. „SAFe geht mit solchen Herausforderungen deutlich strukturierter um“, betont Christian Kabelin, der als Principal Enterprise Architekt bei Ventum Consulting Kundenprojekte vor allem im Automobilbereich betreut.
Die LeSS-Webseite listet eine Reihe von Fallbeispielen auf - Banken wie JP Morgan Chase und UBS und Telekommunikationsanbieter wie Ericsson und Huawei. Auch der Autokonzern BMW gehört zu den LeSS-Nutzern und hat nach den Prinzipien des Frameworks eine Vertriebsplattform (Unified Sales Platform, USP) für das Elektromobil BMW i aufgebaut. Mark Bregenzer vom Coaching-Unternehmen Valtech, das das Projekt betreute, zieht eine positive Bilanz: „LeSS und agile Prinzipien boten eine ausgezeichnete Führung während des gesamten Projekts und waren in vielen Fällen die Grundlage für kritische Projektentscheidungen.“
Nexus: Das von Ken Schwaber, einem der Väter von Scrum, entwickelte Rahmenwerk ist für zwei bis neun Scrum-Teams konzipiert. Bei größeren Projekten werden weitere Nexus-Einheiten gebildet. Wie diese zusammenarbeiten sollen, wird im Modell allerdings nur minimal beschrieben.
Das Framework will Abhängigkeiten zwischen parallel arbeitenden Teams reduzieren und die Integration der Teilergebnisse erleichtern. Es definiert dafür das „Nexus Integration Team“, das die Teams koordinieren und coachen soll. Wie bei LeSS nutzen auch bei Nexus alle Scrum-Teams dasselbe Product Backlog. Um die Transparenz zu erhöhen, gibt es zusätzlich ein Nexus Sprint Backlog, in dem die Abhängigkeiten und der aktuelle Arbeitsstand der einzelnen Teams dokumentiert werden.
Am Ende jedes Sprints steht ein integriertes Inkrement, das funktionsfähig und potenziell releasebar sein muss. Nexus versteht sich als leichtgewichtiges Framework, das möglichst wenig Vorgaben macht. Laut Peter Vollmer lässt es sich gut mit SAFe kombinieren. „Nexus bietet eine gute Zwischenebene für die Skalierung mit SAFe.“
Disciplined Agile (DA): Dieses oft auch als DAD (Disciplined Agile Delivery) abgekürzte Rahmenwerk will Unternehmen Orientierungshilfen bei der Umsetzung einer agilen Strategie liefern. Es basiert auf sieben Prinzipien:
  • Delight Customers: Produkte und Services übertreffen die Kundenerwartung
  • Be Awesome: Motivierte Teammitglieder, die richtige Umgebung und die notwendige Unterstützung ermöglichen großartige Leistungen
  • Pragmatism: Effektivität geht vor Festhalten an agilen Prinzipien
  • Context Counts: Jedes Team und jedes Unternehmen ist einzigartig. Eine effektive Strategie muss daher spezifisch an die jeweiligen Voraussetzungen angepasst werden
  • Choice is Good: Teams müssen experimentieren dürfen, um die richtige Strategie für die aktuellen Herausforderungen finden zu können
  • Optimize Flow: die Koordination der Teams, die kontinuierliche Überprüfung der Zusammenarbeit und deren ständige Verbesserung sind entscheidende Erfolgsfaktoren
  • Enterprise Awareness: Mitarbeitern ist die Bedeutung ihrer Arbeit für die übergreifenden Unternehmensziele bewusst.
DA ist für mittlere bis große Projekte konzipiert und bietet eine Vielzahl von Optionen. Das hat laut Peter Vollmer Vor- und Nachteile: „Es braucht sehr viel Wissen und Durchsetzungsvermögen, um mit DA eine Organisation zu transformieren“, weiß der Micro-Focus-Experte. „Andererseits lässt sich das Framework bei richtiger Anwendung auch sehr gut an die konkrete Unternehmenssituation anpassen.“ Das Schulungs- und Zertifizierungsangebot von DA basiert auf einem Konzept aus der japanischen Kampfkunst, das die Entwicklung hin zum Meister in die drei Stufen „Shu“ (= Lernen, Wissen erwerben), „Ha“ (= Loslösen, Verstehen) und „Ri“ (= Überwinden, zum Meister werden) einteilt.
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