XXL-Projekte mit agilen Methoden bewältigen
Muster für agile Projekte
von Thomas Hafen - 11.06.2019
An einer Alternative zu Large-Scale Agile Frameworks arbeitet der Lehrstuhl Software Engineering for Business Information Systems (sebis) an der TU München. Der Lehrstuhl, der seit vielen Jahren im Bereich Enterprise Architecture Management (EAM) forscht, stellte früh fest, dass Unternehmen Regelwerke nicht buchstabengetreu einführen. „Frameworks werden nie eins zu eins umgesetzt, sondern immer an die Unternehmensanforderungen angepasst“, weiß Lehrstuhlinhaber Florian Matthes. Die Forscher leiteten aus ihren Beobachtungen ein System von Patterns ab - Musterlösungen für typische, immer wieder auftretende Herausforderungen. Im Unterschied zu den Frameworks gibt es dabei nicht eine Antwort für ein Problem, sondern verschiedene Alternativen, die je nach Kontext mehr oder weniger sinnvoll sind. Bereits 2008 publizierte der Lehrstuhl dazu einen EAM-Pattern-Katalog, der mittlerweile in einer zweiten Version vorliegt. Er beschreibt Muster in den Methoden (M-Patterns), Perspektiven (Viewpoint, V-Patterns), dem Informationsmodell (I-Patterns) und der Datenerhebung (Data Collection, DC-Patterns).
Eine Arbeitsgruppe um den wissenschaftlichen Mitarbeiter Ömer Uluda arbeitet derzeit an einem analogen Katalog für den Bereich Large-Scale Agile Development. Er definiert Muster der Koordination (Coordination, C-Patterns), der Methoden und Prinzipien (M- und P-Patterns) und der Perspektive (V-Patterns). Außerdem gibt es sogenannte Anti-Patterns die verlockend und sinnvoll erscheinen, agile Projekte aber typischerweise zum Scheitern bringen oder zumindest behindern. „Anti-Patterns sind eine Art
Katzengold der agilen Entwicklung“, erläutert Matthes.
Katzengold der agilen Entwicklung“, erläutert Matthes.
Der Katalog basiert im Wesentlichen auf den Erfahrungen, die Uluda und Kollegen aus der Beobachtung konkreter Projekte gewinnen. „Wir arbeiten mit großen Einzelhandelsketten wie Media Markt Saturn, Automobilherstellern und Versicherungsunternehmen wie der Versicherungskammer und der Allianz zusammen und beobachten, wie dort große agile Vorhaben umgesetzt werden“, erklärt Matthes. Auch Christian Kabelin von Ventum Consulting ist an den Projekten beteiligt: „Wir untersuchen gemeinsam, wie die agile Adaption vom Reifegrad her voranschreitet.“
In den Projekten wird strukturiert erfasst, welche Prozesse und Rollen vorkommen, welche rollenspezifischen Herausforderungen es gibt und wie die Firmen darauf reagieren. Methodenmuster, die dabei mindestens drei Mal auftreten, werden in den Pattern-Katalog aufgenommen. Der Kritik von anderen Wissenschaftlern, dem Pattern-Ansatz fehle es an einer theoretischen Grundlage, begegnet Matthes mit Gelassenheit: „Das Verhalten in Organisationen wird durch so viele Einflussfaktoren geprägt, die sehr wenig rational sind“, erklärt der Professor. „Daher ist es sinnvoll, empirisch zu untersuchen, was funktioniert und was nicht.“
Fazit
Große Projekte oder ganze Unternehmen agil zu transformieren, ist eine enorme Herausforderung. Frameworks bieten dafür Leitplanken und Möglichkeiten der Erfolgskontrolle. Je nach Komplexität des Frameworks erfordert sein Einsatz jedoch ein gerüttelt Maß an Wissen, auch Zeitaufwand und Kosten können erheblich sein. Dennoch lohnt es, vor der Skalierung agiler Ansätze einen näheren Blick auf die Frameworks zu werfen - nicht um dann eines dogmatisch umzusetzen, sondern um Ansätze und Ideen zu verstehen und ihre Anwendbarkeit auf die eigene Situation evaluieren zu können. Am Ende zählt weniger die Wahl des richtigen oder falschen Frameworks, sondern viel mehr, wie das agile Denken in den Alltag integriert wird.