SAP S/4HANA und die Zukunft des ERP

Viele Ankündigungen, verunsicherte Kunden

von - 07.09.2015
Bislang besteht S/4HANA also noch zu einem guten Teil aus Ankündigungen. Und manches ist überhaupt noch nicht bekannt. Das hat bei den SAP-Kunden zu spürbaren Irritationen geführt. Gartner-Analyst Drobik bilanziert: „Der Launch von SAP S/4HANA schafft mehr Fragen für SAP-Kunden als Antworten. Dies führt zu einer Verunsicherung über die künftige Roadmap.“
SAP-HANA-Design: Hasso Plattner legte bereits 2011 einen Entwurf für eine In-Memory-gestützte Datenbank vor, um die verschiedenen SAP-Anwendungen radikal zu beschleunigen.
SAP-HANA-Design: Hasso Plattner legte bereits 2011 einen Entwurf für eine In-Memory-gestützte Datenbank vor, um die verschiedenen SAP-Anwendungen radikal zu beschleunigen.
Auch vonseiten der Konkurrenz, vor allem von Oracle, kommen – wenig überraschend – sehr kritische Äußerungen zu HANA. So sagte Larry Ellison, Gründer, President und CTO von Oracle, auf der vergangenen Kundenveranstaltung OpenWorld in San Francisco: „Sprechen wir über SAP. Ich werde versuchen, nett zu sein. Aber das ist sehr hart! Ariba läuft auf Oracle. SuccessFactors läuft auf Oracle. Sie haben gerade Concur gekauft, und Concur wechselt zu Oracle. Ich habe keine Ahnung, was auf HANA läuft, aber ihre Cloud ist es nicht. Die läuft auf Oracle. Das ist unhöflich, aber es ist die Wahrheit.“
Das ist natürlich sehr parteiisch, dürfte aber angesichts der unklaren Informationslage bei manchen SAP-Kunden auf offene Ohren stoßen, auch wenn Larry Ellison ganz offenkundig nur Stimmung machen wollte für Exalyctics, seine eigene In-Memory-Appliance für Analytics.
Zu den Unterschieden zwischen Exalytics und SAP S/4HANA schreibt die Profi-Community Wikibon.org: „Unter anderen wichtigen Unterschieden ist vor allem erwähnenswert, dass Exalytics ausschließlich auf Sun-, also auf Oracle-Hardware läuft. Wir gehen davon aus, dass Oracle bei der Entwicklung von Exalytics seinen Ankündigungen stark hinterherhinkt. Wie mit allen Oracle-Technologien ist auch in diesem Fall das Risiko eines Vendor-Lockin groß, und die Kosten sind deutlich höher als bei vergleichbaren HANA-Installationen.“

Going to Market

Dass es für das Wohl und Wehe von S/4HANA und damit für die Zukunft von SAP entscheidend ist, möglichst viele seiner Kunden für einen Umstieg zu gewinnen, hat auch SAP erkannt.
Ein nicht unwesentlicher Teil der neuen SAP-Strategie besteht deshalb darin, deren Einstellungen zu ermitteln. Die Kunden sind das Objekt der Begierde, da es von ihnen abhängt, ob und wie SAP seine neuen Produkte am Markt absetzen kann. SAP lockt sie deshalb mit verschiedenen leichten Übergängen zu S/4HANA. Die Kundenbasis soll aber auch wachsen. Es ist deshalb kein Open-Software-Projekt geplant, auch wenn SAP sich stärker als früher dem Input von Partnern oder Kunden geöffnet hat.
Die Analystin Kelsey Mason von Technology Business Research (TBR) betont die Bedeutung der Partner ebenfalls: „Die Partner spielen eine kritische Rolle dabei, mehr Wachstum mit den SAP-Initiativen bei Business Suite 4 SAP HANA (S/4HANA), Internet of Things (IoT) und im KMU-Umfeld (kleine und mittlere Unternehmen) zu erzielen. SAP wurde in der Vergangenheit nicht gerade als partnerfreundliche Organisation angesehen. Inzwischen hat man sehr viel investiert, um ein solches Partner-Ökosystem zu schaffen, was sich vor allem in der Gründung der Global Partner Operations (GPO) im Mai 2014 manifestiert hat. Allein in den letzten zehn Jahren hat SAP die Anzahl der Partner von 2000 auf 13.000 erhöht.“
Wichtig zu wissen für die Kunden und die Partner von SAP: Alexander Drobik von Gartner glaubt nicht, dass alle Ankündigungen von SAP von heute auf morgen in die Praxis umgesetzt werden können. Selbst zehn Jahre würden dafür nicht ausreichen.
Genug Zeit also, um sich gründlich auf die Umwälzungen einzustellen und sich wichtige Fragen zu stellen. Vor einem Totalumbau müssen sich die Unternehmen vor allem klar darüber werden, was all diese tatsächlichen oder auch nur möglichen Veränderungen für sie bedeuten. Sie müssen sich fragen: Warum sollen wir mit unseren ERP-Lösungen in eine cloudaffine Umgebung wechseln, wie es SAP nun propagiert? Was spricht dafür, was dagegen? Das Interface? Die mächtigeren Funktionen? Lohnt sich der finanzielle Mehraufwand wirklich?
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