Es herrscht eine große Unsicherheit am Markt

Zurückhaltung bei Cloud-Lösungen

von - 14.02.2018
com! professional: Gemäß Ihrer eigenen Umfrage unter DSAG-Mitgliedern erkennen Firmen das Zukunftspotenzial von Lösungen wie S/4HANA und der Cloud. Trotzdem schrecken viele Unternehmen noch vor einer Migration zurück. Wie erklären Sie sich diese Zurückhaltung?
Lenck: Es gibt ein riesiges Informationsdefizit, das ich für die Zurückhaltung der Kunden verantwortlich mache. Angenommen, Sie wollen ein konkretes Produkt wie S/4HANA Release 1610 einführen. Die Frage, welche neuen Funktionalitäten die Version 1610 im Vergleich zu vorherigen Releases anzubieten hat, ist extrem schwierig zu beantworten. SAP bietet einen sogenannten Simplification Guide an, der 600 Seiten umfasst. All diese Seiten müssen Sie durchackern, um sich über die neue Version zu informieren. Und im 600-seitigen Simp­li­fication Guide steht noch nicht einmal alles drin.
com! professional: Das bedeutet?
Lenck: Selbst wenn Sie den Guide durchgearbeitet haben, sind Sie nicht rundum gut informiert. Hinzu kommt: SAP-Berater sind nicht alle auf dem gleichen Kenntnisstand. Selbst wenn Sie als Kunde einen Berater konsultieren, müssen Sie sich zwei Fragen stellen: „Was kann das Produkt denn nun tatsächlich?“ und „Ist das, was mir mein SAP-Berater erzählt, wirklich noch aktuell oder schon veraltet?“
com! professional: Welche Probleme sehen Sie in der momentanen Umbruchsituation denn noch?
Lenck: Es herrscht eine große Unsicherheit am Markt. Das ist kein Vorwurf an die SAP. Zurzeit verändern sich zeitgleich sehr viele Dinge fulminant. Schauen Sie sich die S/4-Releases 1503 (Simple Finance), 1511 und 1610 an. Jede Version hat eine völlig andere Funktionalität. Und in der im September auf den Markt gekommenen aktuellen 1709er-Version hat sich schon wieder extrem viel geändert. SAP lässt die Kunden hier zu häufig im Regen stehen. Die Kunden müssen selbst entscheiden, ob sie ein Release einführen wollen oder eben nicht.
com! professional: Dann müsste SAP Berater besser schulen?
Lenck: Definitiv.
com! professional: SAP puscht momentan Künstliche Intelligenz und Machine Learning. Ist das für einen DSAG-Mittelständler denn schon relevant?
Lenck: Ein Programmierer der 1980er- und 1990er-Jahre hat einfache Entscheidungswege programmiert, um einer Maschine Künstliche Intelligenz zu verpassen. Heute sind wir in der Lage, aus den Daten ohne Hilfe eines Programmierers Modelle zu generieren, anhand derer die Maschine Entscheidungen treffen kann. Das ist schon ein deutlicher Fortschritt zu den neuronalen Netzen vor 30 Jahren. Aber die Künstliche Intelligenz ist in den Geschäftsprozessen der heutigen Unternehmen noch nicht wirklich vertreten.
com! professional: Kein Kunde setzt nur und ausschließlich SAP ein. Wie offen ist SAP für Lösungen der Mitbewerber?
Lenck: Kunden entscheiden sich für eine SAP-Lösung, weil sie der Prozessreife einer SAP vertrauen und ihre Geschäftsprozesse damit abbilden. Die SAP ist sicher nicht der einzig mögliche Plattformbetreiber.
com! professional: Was fällt Ihnen ganz spontan zu SAP ein?
Lenck: Ein wichtiger Partner, mit dem sich immer eine Unterhaltung lohnt, auch wenn wir manchmal unterschiedlicher Meinung sind.
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