Alt und neu kombiniert

Banken nehmen es mit Fintechs auf

von - 22.12.2016
Fintech
Foto: TZIDO SUN / Shutterstock.com
Trotz Altlasten sind etablierte Banken keineswegs chancenlos gegen die junge Fintech-Branche. Mehr und mehr traditionelle Geldhäuser investieren auch in innovative Digitalkonzepte.
Seit einigen Jahren sorgen die Fintechs im Markt der Finanzdienstleistungen für Unruhe. Junge Start-ups, meist mit wenig Kapital, aber mit viel Selbstbewusstsein und vor allem mit innovativen Ideen, fordern mit ihren schlanken, technologiegetriebenen Geschäftsmodellen die etablierten Institute heraus.
McKinsey schätzte die Zahl der Fintechs bereits 2015 auf über 12 000. Der überwiegende Teil ist in den USA ange­siedelt, aber auch in Europa nimmt ihre Zahl zu. Im Bankenland Schweiz sollen es immerhin schon rund 180 Unternehmen sein. Sie fokussieren sich auf spezielle Segmente des Finanzgeschäfts, etwa auf den Zahlungsverkehr (Mobino), die Immobilienfinanzierung (Moneypark), Versicherungen (Knip oder Versicherix) oder Mobile Banking (Centralway Numbrs).
Fintechs bieten aber auch neue Bankfunktionen an, etwa Crowdfunding und Crowdinvesting, Peer-to-Peer-Kredite (Creditgate24) oder automatisierte Finanzberatung. Andere Unternehmen konzentrieren sich auf bankinterne Funktionen wie Risikobewertung oder Scoring. Dabei steht das Privatkundengeschäft im Vordergrund.
Bernd Schall
Sales Manager Financial Services
bei Pegasystems
www.pega.com/de
Foto: Pegasystems
„Der Einbau von Fintech-Konzepten in traditionelle Strukturen fügt nur weitere Silos hinzu und löst das Grundproblem nicht.“
Obwohl die Fintechs in der Regel Bankdienstleistungen anbieten, verfügen die wenigsten über eine Banklizenz. Dafür sind die Anforderungen zu hoch. Auch wenn die Eidgenössische Finanzmarktaufsicht Finma im März 2016 einige Hürden für Fintechs beseitigt hat, bleiben diese vorerst auf die Kooperation mit einer „echten“ Bank angewiesen. Solche Kooperationen gehen aber zulasten der Margen, denn reine Freundschaftsdienste leisten die etablierten Banken ihren Herausforderern sicher nicht. Dies kann durchaus das Geschäftsmodell eines Fintechs infrage stellen.

Fintechs haben viele Vorteile...

Trotzdem haben die Start-ups gegenüber traditionellen Instituten einige Wettbewerbsvorteile. Ihre Angebote sind stark selektiv und hoch standardisiert. Außerdem sind sie so abgestimmt, dass nur niedrige Zulassungshürden zu bewäl­tigen sind, was nicht nur geringere Kosten, sondern auch höhere Flexibilität bedeutet. Sie können so neue Produkte wesentlich schneller auf den Markt bringen.
Der wichtigste Vorteil aber ergibt sich aus der Internet­ökonomie. Fintechs haben in der Regel sehr gute Informationen über ihre Kunden. Damit können sie mit situationsbezogenen, individuellen Angeboten bei Kunden und Interessenten vorstellig werden, lange bevor herkömmlich arbeitende Banken überhaupt einen Bedarf erkennen. Dies wirkt sich gerade bei internetaffinen Kunden positiv aus, die ein per­sonalisiertes Vorgehen längst aus dem Web kennen.

...aber auch Nachteile

Allerdings sind die Fintechs in den letzten fünf Jahren nicht weit aus ihrer Nische herausgekommen; ihr tatsächlicher Anteil am Finanzsektor ist, im Unterschied zur erzeugten Aufmerksamkeit, noch immer marginal. Das liegt weniger an den Vorschriften des Finanzsektors, sondern eher an einem strategischen Nachteil: Sie haben im Vergleich zu etablierten Banken einfach eine wesentlich kleinere Kundenbasis, sodass sie von Skaleneffekten kaum profitieren können.
Auch das schmale Portfolio engt den Handlungsspielraum ein. Erweist sich das gewählte Segment als nicht tragfähig, kann man nicht ausweichen. Ungünstige Entwicklungen in einem Bereich, etwa bei den Zinssätzen, oder kurzfristige Marktereignisse, die Banken mit ihren oft noch Millionen zählenden Kunden und ihren breiten Portfolios über Mischkalkulationen abfangen, können einem Fintech das Genick brechen. So verschwinden denn auch immer wieder Start-ups vom Markt, in der Schweiz zum Beispiel die mobile Bezahllösung Klimpr oder der Zürcher Online-Vermögensverwalter MoneyVane; sie haben letzten Endes einfach nicht genügend Kunden gefunden.
Dass die Banken ihrem prognostizierten Untergang bislang entgangen sind, liegt auch daran, dass sie in den letzten Jahren nicht tatenlos zugeschaut haben. So haben sie sich zum einen Fintechs durch Übernahmen einverleibt, zum anderen haben sie selbst die Gründung neuer Fintechs gefördert, um die betreffenden Geschäftsmodelle ans eigene Haus zu binden. Für die Schweiz sind hier etwa der Impact Hub der Credit Suisse, die UBS Future of Finance Challenge oder das Innovations-Labor der UBS im Londoner Level 39 zu nennen.
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