6G – der Mobilfunk von morgen

Funkmast an Funkmast?

von - 28.03.2023
Bereits bei 5G ist die Situation so, dass für eine flächendeckende Versorgung deutlich mehr Funkmasten gebraucht werden als für den Vorgänger LTE/4G. Da stellt sich die Frage, ob 6G noch mehr Mobilfunkstationen notwendig machen wird. Das Errichten von Funkmasten und Basisstationen hängt dabei laut Andreas Rößler von vielen Faktoren ab. Einer dieser Faktoren sei die Trägerfrequenz. „Als Daumenregel kann man sagen, je höher die Frequenz, desto mehr Basisstationen braucht man, um die gleiche Fläche zu versorgen. Wohlgemerkt, wenn ich nur diese hohe Frequenz nutze.“ Dieses Modell sei aber nicht wirtschaftlich und für keinen Netzbetreiber der Welt rentabel: „Hohe Frequenzen sind attraktiv, weil dort hohe Bandbreiten zur Verfügung stehen. Hohe Bandbreite ermöglicht hohe Datenraten, aber eben nur auf eine beschränkte Distanz.“
Tanja Richter
Geschäftsführerin Technik bei Vodafone
Foto: Vodafone
„Deutschlands Telekommunikationskonzerne müssen mitreden und den 6G-Standard gestalten.“
Unter wirtschaftlichen Aspekten ergebe es deshalb nur Sinn, diese hohen Frequenzen dort einzusetzen, wo viele Nutzer mit einem Anspruch auf hohe Datenraten zu erwarten sind, etwa in Stadtzentren, Einkaufsmeilen, Stadien, Konzerthallen, Flughäfen und Bahnhöfen. Und selbst dort dürfe man, so Rößler, keine flächendeckende Versorgung mit hohen Frequenzen erwarten, sondern nur eine punktuelle. „Das hat aber nicht unbedingt nur mit technischen Herausforderungen, sondern vielmehr mit logistischen Einschränkungen zu tun wie Verfügbarkeit des Standorts, Anbindung an das Kernnetz, Stromversorgung und so weiter. Diese fundamentalen Aspekte kann und wird auch 6G nicht ändern, daher wird es auch nicht alle paar Meter einen Funkmast geben.“
Die Sorge vor einen Antennenwald in Deutschland zerstreut auch Tanja Richter von Vodafone. Sicherlich werde man die Mobilfunknetze in Zukunft weiter verdichten müssen. Vor allem dort, wo besonders viele Menschen zusammenkämen und die Anforderungen an Bandbreite und Kapazität hoch seien, entstünden auch neue Standorte für Antennen. Aber: „Die Mobilfunktechnik entwickelt sich weiter, wird leistungsstärker, smarter und energieeffizienter. Daher werden die anfallenden Daten auch über die bestehende Mobilfunkinfrastruktur ans Ziel gelangen können“, so Richter.
6G soll Terahertz-Wellen nutzen
Eine Herausforderung bei der Entwicklung rund um 6G sind die hohen Frequenzbereiche, die die neue Mobilfunkgeneration später einmal nutzen soll. Mit 6G plant man die Nutzung des Terahertz-Bereichs (THz). Voraussichtlich kommt das D-Band im Bereich von 0,11 bis 0,17 THz zum Einsatz. Darüber hinaus könnte man laut Fraunhofer-Institut für Zuverlässigkeit und Mikrointegration (IZM) auch Visible Light Communication (VLC) verwenden, einen optischen Kommunikationsansatz für die Nahbereichskommunikation.
Terahertz-Wellen liegen zwischen dem Infrarot- und Mikrowellenbereich. Entsprechende Empfänger sind noch vergleichsweise komplex und damit teuer. Erste Lösungsansätze gibt es aber bereits: Forscher am Karlsruher Institut für Technologie (KIT) haben in Zusammenarbeit mit dem US-amerikanischen Diodenhersteller Virginia Diodes (VDI) einen besonders einfachen und kostengünstig herzustellenden Empfänger für Terahertz-Signale entworfen. Dabei handelt es sich um eine sogenannte Schottky-Diode, die sich durch hohe Geschwindigkeit auszeichnet. Mit dem neuen Empfänger erreichten die Forscher über eine Entfernung von 110 Metern und eine Frequenz von 0,3 THz eine Datenübertragungsrate von 115 GBit/s. Nach Angaben des KIT ist das die höchste Datenrate, die bislang mit drahtloser Terahertz-Übertragung über mehr als hundert Meter demonstriert wurde.
Eine weitere Baustelle der 6G-Forscher: Sie befassen sich unter anderem damit, die enorme Freiraumdämpfung zu überwinden, also die Reduzierung der Leistung bei der Ausbreitung der elektromagnetischen Wellen. Terahertz-Wellen verhalten sich ähnlich wie Licht und durchdringen so gut wie keine Mauern. Da die Wellen nicht weit reichen, kann so bereits ein Baum die Übertragung erheblich stören. Das gilt auch für schlechtes Wetter wie Regen oder Nebel.

Campus-Netzwerke künftig mit 6G?

Auch auf Campus-Netze – werkseigene Mobilfunknetze, die von außen nicht zugänglich sind – wird 6G Auswirkungen haben. Auf Basis des Mobilfunknetzes erlauben Campus Area Networks eine Vernetzung zum Beispiel von Produktionsanlagen, ohne dass hierfür zusätzliche Kabel auf dem Gelände verlegt werden müssen.
„Neben den bereits genannten Aspekten sind gerade für private Campus-Netze zwei Merkmale aus 5G entscheidend: Verlässlichkeit und Latenz“, betont Reiner Stuhlfauth. Er ist wie Andreas Rößler Technology Manager Wireless bei Rohde & Schwarz. Die Netzverfügbarkeit sei ein wesentliches Kriterium. Dabei gehe es nicht nur um 6G als Kommunikationstechnologie, sondern es finde eine Konvergenz der verschiedenen Technologien statt, beispielsweise die Integration von 5G in den Prozessablauf einer Fabrik. „Wir kombinieren die Operationsdaten (Operational Technology, OT) mit den Informationsdaten (Information Technology, IT) und durch dieses Zusammenspiel lassen sich völlig neue Anwendungen realisieren.“ Latenz ist laut Stuhlfauth nicht unbedingt nur die schnelle Übertragung, sondern vor allem eine deterministische Einschätzung der Laufzeit. Das bedeutet: Arbeitsschritte, die zeitlich getaktet voneinander ablaufen, lassen sich besser synchronisieren und beschleunigt durchführen. „Und last, but not least hat 6G nicht nur mit Funk zu tun, daher will ich auch den Sicherheitsaspekt ansprechen“, betont  Reiner Stuhlfauth. „Mobilfunk führt heute die Teilnehmer-Authentisierung auf Basis der bekannten SIM-Karte durch. Ähnlich wie bei einem Reisepass wird damit die Identität des Endanwenders verifiziert. Künftig wird es aber vielleicht auch die Möglichkeit über SIM-free-Authentisierungen geben, also ähnlich wie Modelle aus dem Bereich Blockchain, bei denen Mehrheitsentscheidungen über Vertrauen mitentscheiden.“
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