Rechte Propaganda
Fake-News-Seiten: Lügen als Geschäft
von
Frank
Kemper - 13.12.2016
Foto: pathdoc / Shutterstock.com
Frei erfundene Meldungen verbreiten sich wie ein Lauffeuer im Netz. Dahinter stehen politische Propagandisten - und knallharte finanzielle Interessen. Denn oft geht es einfach nur um Werbegeld.
Das Internet der Lügen: News-Front.info bezeichnet sich als "Nachrichtenagentur" und konzentriert sich hauptsächlich auf Russland-Themen - aus der Sicht des Kreml. Der Menüpunkt "Neurussland" beschreibt die Ost-Ukraine, die dort als "Volksrepublik Lugansk" bezeichnet wird. Die Deutschland-Berichterstattung steuert zu einem Gutteil RT bei, das deutsche Büro des Regierungssenders Russia Today.
News-Front mag einen antiwestlichen Kurs fahren, den Werbekunden scheint das egal zu sein: Mit einem Banner auf der Startseite wirbt das Möbelhaus Roller aus Gelsenkirchen für seine Schlafsofas.
Seiten wie News-Front gibt es zahllose im Netz. Propagandanachrichten haben Hochkonjunktur, aber auch fremdenfeindliche, oft frei erfundene Hetzartikel. Experten streiten darüber, ob solche Seiten Donald Trump zum Sieg verholfen haben.
Werbung für die Möbelhauskette Roller auf der rechtspopulistischen Online-Plattform Breitbart.com
Finanzieren deutsche Firmen Putins Propaganda?
Ein Anruf in der Firmenzentrale der Möbelhauskette im Ruhrgebiet löst Aufregung aus. Firmensprecherin Inga Osterwald weist jeglichen Verdacht von sich, dass das Unternehmen absichtlich Putins fünfte Kolonne oder Amerikas Neue Rechte mit Werbegeld sponsert: "Es ist natürlich keinesfalls in unserem Sinne, Kommunikation dieser Art durch unsere Werbung indirekt zu unterstützen."
Der Grund, weshalb der Roller-Werbebanner auf der Propagandaseite erschien, liegt beim Autor dieser Zeilen: Er hat sich in letzter Zeit vermehrt Polstermöbel im Web angesehen, da er den Kauf eines neuen Sofas plant – und damit Google Daten für das Targeting geliefert. Osterwald dazu: "Die Ausspielung unserer Online-Werbung erfolgt unter anderem auf der Basis von Nutzerprofilen, unabhängig davon, in welchem Werbeumfeld der Nutzer sich gerade aufhält." Egal ob Roller-Banner oder Werbung für die Semy Awards, für Hosting von 1&1 oder für Autos von VW: All diese Banner stammen aus dem Google-Adsense-Programm, sie werden in die Seiten eingespielt, die von Nutzern aufgerufen werden, deren bisheriges Surfverhalten darauf hindeutet, dass sie sich für die gezeigten Inhalte interessieren.
Was technisch leicht zu erklären ist, macht die Sache für die Markeninhaber nicht unbedingt besser: Nicht nur rücken sie in die Nähe von politischen Strömungen und Aussagen, die sie nicht unterstützen wollen, sie können damit auch ihre Marke beschädigen. So reagierte Roller auf die Nachricht, dass Banner des Möbelhauses auf Newsfront.net auftauchen, konsequent: Die Seite wurde im Google-Adsense-Account des Unternehmens auf die Blacklist gesetzt. Allerdings ist das kein Allheilmittel: Immer neue Seiten mit populistischen Inhalten tauchen auf.
VW-Werbung auf Seiten von Rechtspopulisten
Auf www.journalistenwatch.com etwa wird die Bundesregierung gern als "linksgrünes Regime“ bezeichnet, das an der Zersetzung der staatlichen Ordnung arbeite. Die Seite erhebt den Anspruch, die Arbeit der Medien zu beobachten und zu kommentieren. Tonalität und Anspruch zeigen sich in Formulierungen wie "Nein, liebe Lügenpresse. Diese Fake-Nummer ist nichts weiter als ein verzweifelter Versuch, die Oberhand bei den Nachrichten zu behalten, die Gegenöffentlichkeit auszuknipsen, damit Frau Merkel so weitermachen kann wie bisher."
Viele Inhalte von News-Front, Journalistenwatch und Breitbart bewegen sich hart am Rande dessen, was in Deutschland von der Meinungsfreiheit gedeckt ist - und zum Teil vermutlich sogar jenseits davon. Was sie alle eint, sind Werbebanner von Markenartiklern. Die meisten deutschen Online-Werbungtreibenden würden eine solche Website vermutlich nicht mit der Kneifzange anfassen. Dennoch findet sich bei einem Kontrollbesuch auf Journalistenwatch.com Werbung von Amazon, von den Volks- und Raiffeisenbanken, Microsoft und VW.
Auf dem rechtspopulistischen Michael-Mannheimer-Blog erscheint unter einer fremdenfeindlichen Meldung die Werbung für einen Wettbewerb von Rising Media
Firmenchefin Sandra Finlay ist der Redaktion persönlich aus gemeinsamen Projekten bekannt - und der Sympathie für Hate Pages gänzlich unverdächtig. Zur Platzierung ihrer Werbung auf rechtspopulistischen Seiten schreibt sie: "Wir würden es sehr begrüßen, wenn es ein Tool gäbe, welches verhindert, dass unsere Anzeige in einem Umfeld von Inhalten gezeigt wird, in dem wir nicht erscheinen möchten. Dies ist aber nur skalierbar umsetzbar, wenn es über einen Algorithmus auf der Hauptanzeigen-Plattform gesteuert ist."