Wie die Digitalisierung die Medizin voranbringen soll

Negativbeispiel sind die USA

von - 10.01.2018
Großbritannien habe mit der Einbindung von Betroffenenkompetenz gute Erfahrungen gemacht, sagt Susanne Mauersberg, Gesundheitsexpertin beim Verbraucherzentrale Bundesverband. "Indes wird in der Forschung auch mit Big Data dringend mehr Patientenerfahrung benötigt".
Auch Ärztevertreter begrüßen die Nutzung anonymisierter Behandlungsdaten. Für die Forschung wäre es ein "echter Fortschritt", wenn Patienten festlegen könnten, ob ihre Behandlungsdaten in "gesicherten und staatlich kontrollierten" Datenbanken hinterlegt werden dürften, sagt Peter Bobbert, Bundesvorstand beim Marburger Bund. Dafür müssten aber hohe wissenschaftliche und ethische Standards gelten und Patienten Herr des Verfahrens bleiben. "Der Datenschutz darf nicht außer Kraft gesetzt werden."
Eine gemeinsame Position aller Bundesländer für die Zustimmung der Patienten fehlt noch. Mauersberg wirbt für eine praxistaugliche Lösung. Wenn Kranke für jeden Zweck einzeln zustimmen müssen, sei das wenig praktikabel. "Wir brauchen zudem einen zeitgemäßen und dynamischen Datenschutz." Negativbeispiel sind aus ihrer Sicht die USA: Dort werden Patientenprofile gehandelt.
Doch nicht nur der Bund, auch die Privatwirtschaft testet die ökonomischen und medizinischen Chancen von Patientendaten. Deutschlands größter Klinikbetreiber Fresenius Helios unternimmt erste Versuche und der Softwarekonzern SAP arbeitet mit der Berliner Charité Klinik an einem Projekt, das die Behandlung chronisch Kranker per Nutzung von Patientendaten verbessern soll. "In Krankenhäusern liegen tonnenweise Daten, die sie alleine gar nicht nutzen können", sagte SAP-Experte Kai Sachs auf einer Konferenz in Frankfurt.
Ließen sich Daten verknüpfen und Ärzten zur Verfügung stellen, könnte das die Therapien chronisch Kranker verbessern, so die Vision. Daten könnten vor Herzschäden warnen, wenn der Ruhepuls von Patienten regelmäßig zu hoch sei oder Datenschwankungen auf schädliche Wassereinlagerungen hindeuteten. Es gehe um ein Prototyp-Projekt, betont SAP. Alle Datenschutz-Gesetze würden eingehalten.

Ökonomische Aspekte dürften nicht im Vordergrund stehen

Wirtschaftliche Vorteile der Digitalisierung, die dem Gesundheitswesen insgesamt zugutekämen, seien begrüßenswert, meint der Marburger Bund. Die große Mehrheit der angestellten Ärzte glaube, dass die Digitalisierung die Arbeit im Krankenhaus verbessert könne. Ökonomische Aspekte dürften jedoch nicht im Vordergrund stehen. "Wir müssen verhindern, dass finanzstarke Unternehmen aus personalisierten medizinischen Daten ein Geschäftsmodell zur Steigerung des eigenen Gewinns entwickeln", sagt Bobbert.
Digitale Zukunftsprojekte kosten allerdings viel Geld - und das ist knapp in Krankenhäusern. Ein Viertel der rund 2.000 Kliniken hierzulande schreibt laut der Deutschen Krankenhausgesellschaft (DKG) Verluste. Für die digitale Aufrüstung seien zehn Milliarden Euro nötig, schätzt der Marburger Bund. Er fordert ein "staatliches Sonderprogramm".
Bisher aber fließt das Geld eher zäh. Von den jährlich für Investitionen benötigten sechs Milliarden Euro zahlten die Bundesländer nur etwa die Hälfte, kritisiert die DKG. Geld für Modernisierung fehle an allen Ecken und Enden. Bis sich digitale Vorzeigeprojekte in Kliniken durchsetzen, muss noch viel passieren.
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