KI-Regulierung zwischen Chancen und Risiken

Milliardenkosten durch Regulierung?

von - 28.11.2021
Das Center of Data Innovation (CDI) warnt in einer Studie vor den hohen Kosten, die durch die Regulierung entstehen könnten. Laut Benjamin Müller, politischer Analyst beim Center for Data Innovation und Autor der Studie, würde das geplante Gesetz die europäische Wirtschaft in den kommenden fünf Jahren 31 Milliarden Euro kosten. Auf kleine und mittlere Unternehmen (KMUs), die eine Hochrisiko-KI-Anwendung entwickeln wollten, kämen demnach Aufwendungen von durchschnittlich 400.000 Euro zu. Insgesamt könnten die Compliance-Kosten das Investitions­volumen in neue KI-Lösungen um bis zu 20 Prozent reduzieren. „Die Kommission hat wiederholt argumentiert, dass das KI-Gesetz das Wachstum und die Innovation im digitalen Sektor unterstützt“, sagt Müller. „Eine Analyse der Kosten zeigt allerdings, wie unrealistisch dieses Argument ist.“ Auch Rechtsinformatik-Experte Borges sieht das Problem: „Die Gefahr einer Überregulierung und einer Belastung von Anbietern mit überhöhten Kosten für das Risikomanagement besteht in jedem Fall. Es ist deshalb extrem wichtig, den Anwendungsbereich der Vorschriften über Hochrisiko-KI-Systeme so zu fassen, dass daraus keine Innovationshemmnisse entstehen.“
Bart B. Willemsen
Research Vice President bei Gartner
Foto: Gartner
„Eine KI-Regulierung sollte vor allem die Aspekte im Blick haben, bei denen gravierende Effekte auf die Betroffenen durch die eingesetzten Technologien entstehen.“
Laut Borges ist vor allem das Geschäftsmodell kleiner Software-Unternehmen gefährdet: „Es gibt Zigtausend Anbieter, die Standard-Software an spezielle Einsatzgebiete anpassen, die für die großen Hersteller der Applika­tionen nicht attraktiv sind“, erklärt der Rechtsinformatiker. „Auf den KI-Bereich angewendet würden solche Akteure nach dem vorliegenden Entwurf zum Anbieter werden und müssten das komplette Pflichtenpaket übernehmen, während der eigentliche Hersteller außen vor wäre. Das könnte sehr leicht zu Hemmnissen führen.“
KI in der Produktion: eines von vielen vielversprechen­den Anwendungsfeldern.
(Quelle: Shutterstock / PaO_STUDIO )
Gartner-Analyst Willemsen glaubt dagegen nicht, dass KMUs durch die KI-Gesetzgebung belastet würden: „Die Gesetzesvorlage richtet sich an Firmen, die KI-Systeme entwickeln, verfügbar machen oder auf den Markt bringen. Sie zielt nicht auf den mittelständischen Anwender.“

Fazit & Ausblick

Thierry Breton, EU-Kommissar für Binnenmarkt und Dienstleistungen, betont: „Man sollte den Vorteil der EU als Vorreiter nicht unterschätzen.“ Vorreiter aber machen Fehler, die Nachzüglern vielleicht nicht mehr unterlaufen.
Der vorliegende Entwurf für ein KI-Gesetz jedenfalls hat Potenzial und geht vom Grundsatz her in die richtige Richtung. Er weist aber erheblichen Verbesserungsbedarf auf. Vor allem die Frage der Kontrolle und Durchsetzung muss in den kommenden Monaten diskutiert werden. Für die Umsetzung sollen weitgehend bereits bestehende Behörden und Einrichtungen zuständig sein, die jetzt schon überlastet sind oder – wie die Antidiskriminierungsstellen – gar nicht die Macht haben, Sanktionen zu verhängen. Die Gefahr ist groß, dass das Gesetz in weiten Teilen ein Papiertiger bleibt und seine Wirkung auf den Schutz von Grundrechten nicht entfalten kann. Davon würden wie schon bei der DSGVO vor allem die großen US-Plattform-Provider profitieren, während kleine und mittelständische Anbieter durch Dokumentations- und Nachweispflichten erdrückt werden.
Thierry Breton
EU-Kommissar für Binnenmarkt und Dienstleistungen
Foto: EU-Kommission - Audiovisueller Dienst
„Man sollte den Vorteil der EU als Vorreiter nicht unterschätzen.“
Der Entwurf geht nun in die nächste Phase. Im Rahmen eines Konsultationsprozesses haben Wissenschaftler, Wirtschaftsexperten und Verbände die Möglichkeit, ihre Sicht der Dinge einzubringen. „Ich bin sicher, dass es noch erhebliche Änderungen im Entwurf geben wird“, sagt Georg Borges. „Bis zum Erlass des KI-Gesetzes ist es noch ein weiter Weg.“
Verwandte Themen