Green IT

„Rund 55 Prozent der Emissionen der IT werden durch die Software beeinflusst.“

von - 30.01.2023
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Effiziente Software reduziert Treibhausgasemissionen. Wie das funktioniert und was es wirklich bringt, erklärt Dr. Tim Walleyo, Geschäftsführer der IT-Beratung PTA.
Künstliche Intelligenz oder vernetzte Industrie - moderne Techniken benötigen vor allem eines: Rechenleistung. Die steigende Digitalisierung in allen Lebensbereichen führt auch zu einem starken Wachstum der Leistung in Rechenzentren. Laut dem Borderstep Institut für Innovation und Nachhaltigkeit stieg die IT-Leistung in Rechenzentren von 2010 bis 2020 bereits um satte 84 Prozent. In den Folgejahren bis 2025 erwarten die Experten eine Steigerung um noch einmal rund 30 Prozent. Das hat auch deutliche Folgen für die Umwelt: So hat sich der Energiebedarf deutscher Rechenzentren und kleinerer IT-Installationen laut dem Borderstep Institut von 2010 bis 2020 von 10,5 auf 16 Milliarden Kilowattstunden pro Jahr gesteigert. Zur Einordnung: Das entsprach 2020 rund 0,6 Prozent des Gesamtenergieverbrauchs Deutschlands. Insgesamt gibt es Borderstep zufolge hierzulande aktuell rund 3000 Rechenzentren mit mehr als 40 kW IT-Anschlussleistung und mindestens 10 Server-Racks. Hinzu kommen knapp 50.000 kleinere IT-Installationen.
Die gute Nachricht für die Umwelt: Auch die Effizienz der Rechenzentren stieg. So hat sich Rechenkapazität pro verbrauchter Kilowattstunde Strom seit 2010 fast verfünffacht. Und damit sind die durch Rechenzentren und kleineren IT-Installationen verursachten Treibhausgasemissionen seit 2018 auch rückläufig. Doch der Strombedarf für die IT steigt weiter - die Experten halten einen durchschnittlichen Bedarfszuwachs von bis zu 5 Prozent pro Jahr auf bis zu 29 Milliarden kWh im Jahr 2030 für möglich.

Es ist Zeit für nachhaltige IT

Green IT soll dieser Entwicklung entgegenwirken. Der Begriff fasst sämtliche Maßnahmen zusammen, die technologischen Fortschritt mit Umweltschutz verbinden. Eine ressourcenschonende Technologienutzung anstatt einer Einschränkung von digitalen Anwendungen ist die Devise.
Ein Bereich ist zum Beispiel das Reduzieren von CO2 durch effiziente Software - dem sogenannten Green Coding. Dabei geht es darum, Software nachhaltig zu entwickeln und auch zu betreiben. Bei der Anwendungsentwicklung betrifft dies jede einzelne Programmzeile, weil jede Zeile Code bei stark genutzter Software einen riesigen Skalierungseffekt haben kann.
Doch was genau bringt Green Coding und wie präsent ist das Thema bereits in den Unternehmen? Darüber spricht com! professional mit Dr. Tim Walleyo. Er ist Geschäftsführer der PTA Programmier-Technische Arbeiten GmbH, der nach eigenen Angaben ältesten IT-Beratung Deutschlands. PTA wurde 1969 in Mannheim gegründet und ist bis heute eine Unternehmensberatung mit Ausrichtung auf Organisations- und IT-Projekte.
com! professional: Herr Dr. Walleyo, ein Thema, bei dem Unternehmen nicht warten können, ist Nachhaltigkeit. Ein Bereich ist Green Coding – also Software nachhaltiger zu entwickeln. Es ist für viele schwer greifbar, dass Software mit dem richtigen Code "grüner" wird...
Dr. Tim Walleyo: Es geht dabei darum, die Software in den Fokus zu nehmen und diese nachhaltig und energieeffizient zu entwickeln und zu betreiben. Ein Beispiel verdeutlicht die Dimensionen, um die es hier geht: Experten schätzen, dass eine Google-Suche etwa 0,2 Gramm CO2 freisetzt. Wollten wir die Emissionen für alle Suchanfragen innerhalb eines Jahres durch das Pflanzen von Bäumen kompensieren, müssten wir etwa 41 Millionen Bäume pflanzen - wenn wir davon ausgehen, dass ein Baum im Jahr etwa 10 Kilogramm CO2 neutralisiert und es schätzungsweise 5,6 Milliarden Google-Suchanfragen täglich gibt. Aber selbst das ist ein Klacks angesichts der 2,2 Milliarden Bäume, die wir für die 22 Millionen Tonnen CO2 pflanzen müssten, die das Bitcoin-Mining jährlich in die Atmosphäre bläst. Um eine Relation zu geben: Im Schwarzwald wachsen auf über 6000 Quadratkilometern gerade einmal vier Millionen Bäume.
Dr. Tim Walleyo, Geschäftsführer PTA
Foto: PTA
"Ein Beispiel verdeutlicht die Dimensionen, um die es hier geht: Experten schätzen, dass eine Google-Suche etwa 0,2 Gramm CO2 freisetzt. Wollten wir die Emissionen für alle Suchanfragen innerhalb eines Jahres durch das Pflanzen von Bäumen kompensieren, müssten wir etwa 41 Millionen Bäume pflanze."
com! professional: Und wie misst man die Energieeffizienz von Software?
Walleyo: Wir haben dafür eigens einen Energieeffizienz- Monitor entwickelt, mit dem sich Programmcode hinsichtlich der Energieeffizienz analysieren lässt. So spielt beispielsweise bereits eine entscheidende Rolle, in welcher Programmiersprache eine Anwendung programmiert ist. Ein Programm, das in der hardwarenahen Sprache C entwickelt wurde, kann um den Faktor 70 energieeffizienter sein als ein Code, der in der komplexen und damit speicherintensiven Sprache Python geschrieben wurde.
Ironie des Schicksals: Gerade die alten, hardwarenahen Programmiersprachen, die sehr einfach gehalten und effizient sind, geraten mehr und mehr aus dem Blickfeld. Rund 55 Prozent der verursachten Emissionen der IT werden tatsächlich durch die zugrunde liegende Software beeinflusst. Das Einsparpotenzial ist also groß.
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