KI schafft Chancen für den Mittelstand

Datenarmut als Bremsklotz

von - 12.12.2019
KI-Technologie werde bereits in vielen Projekten eingesetzt, doch alles auf Biegen und Brechen auf KI umzustellen sei nicht die richtige Lösung, warnt Bastian Diedrich, Head of Business Development bei der Bremer Agentur hmmh multimediahaus, einem Gründungsmitglied von Bremen.AI, dem KI-Netzwerk der Hansestadt. „KI ist wirkungsvoll, zweifellos, aber derzeit überhypt“, findet er. Jedes Unternehmen, das seine Hoffnungen auf KI setze, müsse sich fragen: „Was ist das konkrete Problem? Was steckt wirklich dahinter? Wie kann ich den Nutzen für mich und meine Kunden durch KI steigern?“, so Diedrich. „Und da kann die Antwort auch mal lauten: Nein, es lohnt sich derzeit nicht.“
Erwünschte Maßnahmen
Wunschliste: Von der Aufbereitung von Best Practices erhoffen sich Experten am meisten Antrieb für den KI-Transfer in den Mittelstand.
(Quelle: Begleitforschung Mittelstand-Digital, WIK GmbH (n = 31) )
Eine nicht zu unterschätzende Hürde für KMUs auf dem Weg zur KI stellt laut Diedrich eine unzureichende Datenbasis dar. „Das Ökosystem rund um die KI muss da sein, sonst wird aus dem Projekt nichts.“ Viele Unternehmen hätten keine ausreichende Datenbasis und falls doch, könne eine KI nichts damit anfangen. 60 bis 70 Prozent der Arbeit beim Einsatz einer KI stecke in der Datenaufbereitung. Die ersten Fragen, die sich Unternehmen auf dem Weg zur KI stellen müssten, betreffen deshalb die Verfügbarkeit und die Beschaffung auswertungsfähiger Daten.
„KI ohne Daten ist wie das Schwimmen ohne Wasser“ - zu diesem Schluss kommt auch die „KI-Studie 2019: Wie nutzen Unternehmen Künstliche Intelligenz?“ von Deloitte. Als größte Herausforderungen im Rahmen von KI-Initiativen nennen die dafür befragten deutschen Firmen an erster Stelle datenbezogene Probleme rund um Datenschutz, Datenqualität, Integration, maschinelle Interpretation und dergleichen. Auch die Einbindung Künstlicher Intelligenz in bestehende Prozesse, die Identifikation passender Use-Cases, oft hohe Entwicklungskosten und ein Mangel an Kompetenzen und Fachkräften erschwerten die KI-Nutzung.
Stolze 62 Prozent der Unternehmen räumen in der Deloitte-Studie denn auch eigene Schwächen in diesem Bereich ein. Der Mangel an KI-Entwicklern oder Data Scientists wird sogar als „gravierend“ empfunden, aber auch an Change-Management- und Transformations-Skills hapere es. Diese Erkenntnisse stimmen mit der Sicht der Experten in der Mittelstand-Digital-Begleitforschung überein. Die Experteninterviews der KI-Studie von Deloitte zeigen, dass Unternehmen den Mehrwert von KI vorrangig in der Optimierung von Produkten (52 Prozent) und internen Abläufen (42 Prozent) sehen. Der Effekt von Personaleinsparungen spielt dagegen in ihren Erwartungen eine eher untergeordnete Rolle (20 Prozent).
Bastian Diedrich
Head of Business ­Development bei hmmh multimediahaus AG
www.hmmh.de
Foto: Bild: hmmh
„Wie kann ich den Nutzen für mich und meine Kunden durch KI steigern?
Da kann die Antwort auch mal lauten: Nein, es lohnt sich derzeit nicht.“
Das deckt sich im Großen und Ganzen ebenfalls mit den Resultaten der Erhebung der Mittelstand-Digital-Begleitforschung. Auch hier sehen nur rund 35 Prozent der Experten in KI eine „große oder sehr große“ Chance für die Verringerung des Personalaufwands. Die dort befragten KI-Experten aus der Wissenschaft sehen allerdings ein höheres Potenzial für KI im Bereich der Prozessoptimierung gegenüber der Pro­dukt­innovation - genau anders als die Praktiker aus den Unternehmen in der Deloitte-Studie.

Fazit & Ausblick

Um welche wirtschaftliche Dimension es beim Einsatz von Künstlicher Intelligenz geht, macht der Blick auf einige Pro­gnosen zur Auswirkung des KI-Einsatzes auf das Bruttoinlandsprodukt (BIP) deutlich. Das McKinsey Global Institute beispielsweise erwartet von Künstlicher Intelligenz einen jährlichen Wachstumsschub für das Bruttoinlandsprodukt in Höhe von 1,3 Prozent in Deutschland, das wären 50 Milliarden Euro pro Jahr. Zum Vergleich: Indus­trierobotik soll mit 0,4 Prozent, ITK mit 0,6 Prozent wesentlich weniger zur neuen Wertschöpfung beitragen. PwC Deutschland wiederum hat einen theoretisch möglichen Anstieg des deutschen BIPs aufgrund KI-basierter Innovationen um 11,3 Prozent oder 430 Milliarden Euro bis zum Jahr 2030 errechnet.
Und eine Studie im Auftrag des Wirtschaftsministeriums im Rahmen der Begleitforschung zum Technologieprogramm PAiCE unter dem Titel „Potenziale der Künstlichen Intelligenz im produzierenden Gewerbe in Deutschland“ prognostiziert eine kumulierte Bruttowertschöpfung durch KI in den Jahren 2019 bis 2023 von satten 32 Milliarden Euro allein im verarbeitenden Gewerbe.
Martin Ruskowski
Dr. Martin Ruskowski
Leitung Forschungsbereich Innovative Fabriksysteme am DFKI
www.dfki.de
Foto: DFKI
„KI-as-a-Service-­Angebote sollten von den KMUs als eine Art kreative Toolbox gesehen werden.“
Innovative, marktorientierte Unternehmen erschließen sich von diesem gewaltigen Kuchen immer größere Stücke, wie  an der um sich greifenden Verbreitung KI-getriebener Lösungen ablesbar ist. Doch liegt die Technologie bisher fast ausschließlich in der Hand von Großunternehmen mit globaler Reichweite. Der deutsche Mittelstand entwickelt sich hauptsächlich zum KI-Verbraucher. Wer sich jedoch ausschließlich auf externe KI-Lösungen verlässt - von digitalen Assistenten bis hin zu autonomen Fahrzeugen -, der muss für seine KI-gestützte Wertschöpfung zwangsläufig an andere zahlen.
Dem Mittelstand droht im KI-Zeitalter der Verlust der Datensouveränität in den Ökosystemen dominierender Geschäftspartner. Um dieses Ungleichgewicht zu überwinden, muss der Mittelstand den Schwenk vom KI-Konsumenten zum KI-Produzenten vollziehen. Einige Mittelständler aus der deutschen Textilindustrie machen gerade vor, wie das gehen könnte. Denn wie der Unternehmer Harald Christ sagt: „Wer Weltmarktführer bleiben will, braucht Künstliche Intelligenz.“ Und Weltmarktführer ist der deutsche Mittelstand auf vielen Gebieten - noch.
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