Deutschland ist Vorreiter beim IoT

Deutsche Cloud macht dicht

von - 20.02.2019
com! professional: Vor Kurzem hat Microsoft beschlossen, die deutschen Cloud-Angebote mit der Deutschen Telekom als Treuhänder nicht mehr anzubieten. Ist den Unternehmen eine deutsche Cloud den kleinen Aufschlag nicht wert? Was sind die Alternativen?
Niedung: 2015 haben wir die Microsoft Cloud Deutschland angekündigt, um Kunden mit besonders strengen Compliance-Richtlinien oder Regulierungsvorgaben den Einstieg in die Cloud zu erleichtern. In den letzten drei Jahren haben sich die Anforderungen unserer Kunden weiterentwickelt. Sie wünschen sich umfassendere Funktionalitäten und die Konnektivität mit unserer globalen Cloud-Infrastruktur, die die souveräne Microsoft Cloud Deutschland mit ihrer besonderen Isolierung nicht ermöglicht. Aufgrund dieser veränderten Kundenanforderungen werden die neuen Cloud-Regionen nun den Schwerpunkt unserer Cloud-Strategie in Deutschland bilden.
com! professional: Schauen wir uns das Internet of Things einmal in der Praxis an: Was ist der erste Schritt, zu dem Sie einem Unternehmen raten würden?
Niedung: Der erste Schritt ist, die Idee für ein IoT-Projekt mit Leuten aus verschiedenen Bereichen des Unternehmens zu diskutieren und daraus ein funktionierendes Geschäftsmodell abzuleiten, Stichwort Business Model Canvas. Damit lassen sich die wichtigsten ersten Fragen beantworten. Dann sollten Unternehmen ihre Ideen mit einem IoT-Experten diskutieren. Es hilft auch, sich unsere IoT-Referenzarchitektur anzusehen, um – übrigens herstellerunabhängig – zu verstehen, wie Cloud, IoT und Edge funktionieren. Für die Praxis empfehle ich dann, sich mit einem agilen Entwicklungs­ansatz an ein Minimum Viable Product zu machen, also den essenziellen Kern einer praktischen Lösung zu erarbeiten, der anschließend mit allen Stakeholdern ausgebaut wird.
com! professional: Das klingt jetzt alles recht einfach. Aber wie finde ich eine passende IoT-Plattform? Oder anders gefragt: Ist der Einsatz von IoT-Plattformen überhaupt sinnvoll?
Niedung: Plattformen haben den Vorteil, die komplette Infrastruktur für IoT-Projekte bieten zu können – aus einer Hand, mit offenen Schnittstellen und oft sogar branchenspezifischen Modulen und Services. Das reduziert die Komplexität der Infrastruktur für das einzelne Unternehmen und damit auch die Kosten. Plattformen sind skalierbar, ohne dass ein einzelnes Unternehmen sich neue Hardware dafür anschaffen müsste. Das gibt also jeden notwendigen Raum für künftige Entwicklungen oder weltweite Expansion. In die Plattformen und die Services fließen die Erfahrungen vieler Player ein – von Microsoft und unseren Partnern und von vielen Entwicklern aus der Open-Source-Community. Dieses Know-how ist viel umfangreicher, als es ein einzelnes Unternehmen bieten könnte. Und schließlich gewährleisten Plattformen großer Anbieter ein Niveau an zertifizierter Sicherheit und Verfügbarkeit, das sich ein einzelnes Unternehmen nur schwerlich wird leisten können.
com! professional: Blicken wir zum Schluss in die Zukunft: Welchen Stellenwert wird IoT Ihrer Einschätzung nach in absehbarer Zeit haben? Wer treibt die Entwicklung, wer profitiert in Unternehmen und wer bremst die Innovationen?
Niedung: Erfolgreiche IoT-Lösungen haben stets dieselbe Dynamik: Sie fangen im Kleinen mit wenigen angebundenen Geräten und überschaubaren Anwendungsszenarien an und wachsen mit zunehmender Wertschöpfung schnell in Breite und Höhe. So erfolgreich viele dabei schon sind – sie stehen alle erst ganz am Anfang! Die kommenden Jahre werden uns einen riesigen Schub geben – durch die rasante Entwicklung von maschinellem Lernen und Künstlicher Intelligenz. Zusammen mit den Weiterentwicklungen bei IoT und Edge-Computing birgt das ein riesiges Potenzial für grundlegende und weitreichende Innovationen. Bei dieser Vielzahl an Chancen dürfen wir allerdings auf keinen Fall die Sicherheit aus den Augen verlieren. Der sichere Betrieb von IoT-Lösungen ist und bleibt eine der größten Aufgaben für alle Anbieter.
Vom Aufschwung des IoT werden alle profitieren, die als Anbieter, Vendoren, Entwickler oder Endkunden einen Platz in der IoT-Wertschöpfung einnehmen. Und natürlich die Unternehmen, die über IoT-Szenarien neue Geschäftsmodelle entwickeln. Schwerer werden es meiner Einschätzung nach neue IoT-Plattformanbieter haben, denn der Markt wird über kurz oder lang eher für Konsolidierungen sorgen.
Echte Innovationsbremser sehe ich nicht, wenngleich ich mich sehr für den Ausbau des schnellen Internets in Deutschland ausspreche, das wir für flächendeckendes IoT dringend benötigen. Nur so lohnen sich Aufwand und Kosten. Oft fehlen noch internationale Standards im IoT – etwa im Bereich Smart-Home.
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