IT-Infrastruktur im Wandel

Auf dem Weg zur Distributed Cloud

von - 04.01.2021
Cloud-Computing
Foto: Virgiliu Obada / shutterstock.com
Zwischen firmeneigenem Rechenzentrum und der Cloud kommt es zu einer spannenden Koexistenz. Regulierungs- und Compliance-Fragen stellen für Unternehmen große Hürden dar.
Eigentlich ist die Sache ja schon ausgestanden. Die (Pu­blic) Cloud hat auf der ganzen Linie gesiegt. Immer mehr Unternehmen geben ihre eigene IT auf, da sie zu kompliziert ist, zu teuer und nicht zuletzt zu viel Spezialwissen und entsprechend ausgebildetes und fähiges Personal erfordert. So ist es immer wieder zu lesen. Erst kürzlich stand in einer schrillen Botschaft der PR-Agentur des eher kleineren Software-Anbieters Barracuda: „Ganze Rechenzentren verschwinden in die Cloud.“ Auf Nachfrage, ob sich das mit Zahlen belegen ließe, hieß es: „Da muss ich erst einmal passen.“
Auch angesehene Analysten wie die von Gartner argumentieren so: „Bis 2025 werden 99 Prozent aller Dateien in Cloud-Umgebungen gespeichert werden. Mitarbeiter werden Dateien erzeugen, bearbeiten und auf allen möglichen Geräten speichern, ohne zu wissen, ob die Dateien lokal oder in der Cloud abgelegt werden.“ Die Analysten von IDC schreiben: „Wo Wachstum in der Infrastruktur stattfindet, wird das meiste in der Cloud stattfinden.“ Und bei der Taneja Group heißt es: „Gegenwärtig befinden sich 67 Prozent der IT-Infrastrukturen primär in privaten Rechenzentren, aber dieser Anteil wird binnen drei Jahren auf 28 Prozent fallen, während die überwiegende Mehrheit von 72 Prozent hauptsächlich die Dienste von Public Clouds in Anspruch nehmen wird.“

Abschied von der Autarkie

Es ist noch gar nicht so lange her, da wollten größere Unternehmen möglichst autark sein, auch bei ihrer IT-Infrastruktur - mit der Herrschaft über ein eigenes Rechenzentrum und fest angestellten IT-Spezialisten für Hard- und Software und für Networking. Die von diesen Fachleuten betreuten Rechenzentren sind zunächst unabhängig von ihrer Größe dadurch charakterisiert, dass sie an einem oder mehreren Orten zen­tralisiert und mit Hardware- und Netzwerkgerätschaften sowie Software ausgestattet sind, um ständig wachsende Mengen von Daten anzusammeln, zu verarbeiten, zu speichern, zu verteilen und den Zugang zu ihnen nur extra berechtigten Firmenmitarbeitern zu gewähren. 
Das Grundprinzip der zentralisierten Server-Architekturen mit angeschlossenen Endgeräten hat sich über die Zeit kaum geändert. Modernisierte Rechenzentrumsstrukturen mit Server-Racks, Server-Farmen, ausgefeilten Storage-Systemen und mehr sind nur Varianten von in sich geschlossenen Systemen für Computing, Networking, Storage, Backup und Recovery sowie Daten- und Applikationsmanagement. Folgt man einigen Marktbeobachtern, so setzt noch immer die überwiegende Mehrheit der KMUs darauf. Und auch bei vielen großen und international tätigen Unternehmen findet sich diese Struktur noch.
Wer sich als Unternehmen, egal welcher Größe, in dieser Welt der IT bewegt, kann eigentlich nicht viel falsch machen. Hard- und Software, Management und Internet sind ziemlich ausgereift, es gibt zahllose helfende Dienstleister oder Service-Angebote der Hersteller selbst, ferner Consultants und Analysten, die einem zur Seite stehen, wenn man sie braucht. Allerdings erfordert das fast immer kontinuierliche Investi­tionen und viele ausgebildete Fachleute.
Diese relativ fest in sich ruhende Welt der IT gab es quasi mehrere Jahrzehnte lang. Dann tauchte die Cloud am Horizont auf. Was als schleichender Prozess vor allem bei großen Unternehmen einsetzte, die sich von der Last und den Kosten einer selbst betriebenen IT befreien wollten, hat inzwischen auch den Mittelstand erreicht. So prognostizierte Gartner im März 2020: „Bis zum Jahr 2023 werden 60 Prozent der Work­loads mittelgroßer Unternehmen (MSBs) weiter On-Premise abgewickelt werden, während es 2020 noch 63 Prozent sind.“
Public Cloud ist dem Begriff nach die Auslagerung und Übernahme der gesamten oder eines Großteils der Unternehmens-IT - die Server-Hardware befindet sich im Rechenzentrum des Dienstleisters (oft werden nur Teile eines Racks in Anspruch genommen), ebenso die Anwendungen und die Daten.
Infrastructure as a Service (IaaS) geht hier am weitesten und umfasst die ausgelagerte wesentliche IT-Infrastruktur eines Unternehmens, bestehend aus Hardware (Server und Storage-Systeme) und Software (Anwendungen und Programmentwicklung). Platform as a Service (PaaS) bezieht sich auf die Auslagerung von Software- oder Web-Entwicklungen, wobei in der jetzigen Übergangsphase eine sehr große Zahl von Spezialformen entstanden ist. Software as a Service (SaaS) wiederum beschränkt sich auf eine ausgelagerte Software, die auf einem Server oder Server-Anteil eines Racks beim Public-Cloud-Anbieter liegt. In der Praxis überschneiden sich diese drei Bereiche, sodass eine genaue Zuordnung nicht in jedem Fall gelingt.
Beherrschend in diesem Markt sind drei große Anbieter, die Hyperscaler Amazon, Microsoft und Google.
Amazon AWS: Der Markt für IaaS und PaaS wird aktuell laut Gartner von AWS mit einem Anteil von 33 Prozent dominiert, gefolgt von Microsoft Azure mit 16 Prozent, Google Cloud mit 8 Prozent und Alibaba mit 5 Prozent. Das Angebot von AWS übertrifft mit über 175 Services für Compute, Storage, Datenbanken, Analytics, Networking oder Entwicklungs- und Management-Tools quantitativ das seiner Konkurrenten. Allerdings wird die Preisstruktur des AWS-Angebots oft als unübersichtlich und schwer nachvollziehbar bezeichnet, weshalb eine gewisse Einarbeitungszeit oder das Hinzuziehen externer Experten ratsam sein kann. Wie Microsoft Azure und Google Cloud stellt AWS Basisfunktionen einer Public Cloud zur Verfügung: Selfservice, Instant Provisioning und Autoscaling sowie Security-, Compliance- und Identity-Management-Features. AWS brachte 2017 SageMaker heraus, um die Einführung von Machine Learning zu erleichtern, zudem gibt es Tools für Gesichtserkennung (AWS Rekognition) oder Modelle für Deep Learning, um Texte in Sprache zu übertragen. 
Microsoft Azure: Microsoft profitiert von seinen langjährigen Kundenbeziehungen. Viele Anwender ziehen es zudem vor, alle Produkte und Dienstleistungen von nur einem Hersteller zu beziehen. Ein Vorteil von Microsoft besteht außerdem da­rin, dass Microsoft 365 (Office) und Teams schon länger nicht mehr als lokal zu installierende Anwendungen, sondern nur noch als Cloud-Lösung zu beziehen sind.
Google Cloud: Google hat sich einen Ruf mit seinem Einsatz von Open-Source-Technologien, besonders von Containern, Artificial Intelligence und Machine Learning erworben, was seine wachsende Position im Bereich Public Cloud gegen die Marktführer AWS und Azure unterstützt.
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