Versicherungs-Start-ups mischen die Branche auf

Eine neue Generation

von - 17.09.2018
Daneben drängt seit einiger Zeit eine neue Welle von Versicherungs-Start-ups auf den Markt. Sie begnügen sich nicht mehr mit der Rolle als digitaler Makler, sondern gehen deutlich weiter. Als Assekuradeur oder vollwertiges digitales Versicherungsunternehmen bieten sie ihren Kunden eigene Versicherungen an. Einige von ihnen positionieren sich dabei dank schlanker Prozesse als Preisbrecher. Andere nutzen die digitalen Technologien, um kundenindividuelle Angebote zu machen, und setzen dabei auf Qualität.
Einer dieser Anbieter heißt Haftpflichthelden. Die Hamburger konzentrieren sich ausschließlich auf private Haftpflichtversicherungen, die sie als Assekuradeur der Versicherungsgruppe NV-Versicherungen anbieten. Mit transparentem Flatrate-Tarif, schnellem Vertragsabschluss und automatischen Leistungsverbesserungen versuchen sie, die Nutzer an sich zu binden. Den Versicherungsbeitrag kann der Kunde dabei auch per Kreditkarte oder Paypal bezahlen.
Ein weiteres Beispiel ist Ottonova, eine komplett digitale Krankenversicherung. In mehreren Finanzierungsrunden konnte das Münchner Start-up etwa 40 Millionen Euro einsammeln. Genug Kapital, um damit ein vollwertiges, BaFin-lizenziertes Versicherungsunternehmen aufzubauen. Ottonova unterscheidet sich von traditionellen Krankenversicherungen zum einen durch die automatisierte Verarbeitung von Rechnungen und Kostenvoranschlägen via App. Zum anderen kann die Versicherung direkt per App abgeschlossen werden, sodass hohe Vermittlungsprovisionen entfallen.
Während sich diese neue Generation von Insurtechs hierzulande mit mittleren zweistelligen Millionen-Fundings begnügen muss, entstehen in den USA und vor allem in China noch deutlich größere Insurtechs – so zum Beispiel der digitale US-Krankenversicherer Oscar, seit 2012 am Markt und Vorbild für Ottonova. Befeuert durch die Gesundheitsreform des früheren US-Präsidenten Barack Obama konnte das Start-up über 100.000 Kunden für sich gewinnen und fast
900 Millionen Dollar Kapital einwerben.
In den USA ebenfalls groß im Geschäft ist das Start-up Lemonade, das Ende 2017 eine Finanzierungsrunde über 120 Millionen Dollar abschließen konnte. Es bietet Hausrat- und  Gebäudeversicherungen zu Kampfpreisen an. Ermöglicht werden diese durch die konsequente Digitalisierung aller Prozesse. Ausgefallen ist auch das Geschäftsmodell: 20 Prozent der Prämien werden für Gehälter, Werbung und Rückversicherung ausgegeben, der Rest ist für die Schadensabwicklung vorgesehen. Bleibt am Ende ein Überschuss übrig, wird er für soziale und wohltätige Zwecke gespendet.
Die absolute Nummer eins der Insurtech-Branche ist allerdings der chinesische Online-Versicherer Zhong An. Kern des Geschäftsmodells sind Mini-Versicherungen etwa zur Absicherung von Transportrisiken beim Versand oder bei Flugverspätungen.
Was ist Dunkelverarbeitung?
Um im harten Preiswettbewerb mitzuhalten, müssen auch große Versicherungskonzerne ihre Produktion auf Effizienz trimmen. Eine Möglichkeit dafür liegt in der End-to-End-
Automatisierung der Prozesse – vom Kundenkontakt bis
ins Backend.
Das Zauberwort heißt Dunkelverarbeitung. Es beschreibt eine Organisationsform, bei der Prozesse ohne menschliche Eingriffe automatisiert im Verborgenen ausgeführt werden. Sie ermöglicht automatisierte Serviceprozesse in der Bestandsverwaltung, zum Beispiel wenn ein Kunde seine neue Adresse hinter­legen möchte. Klassisch nimmt ein Service-Mitarbeiter diese Information auf, prüft sie und pflegt sie händisch in das Kundensystem ein.
Bei der Dunkelverarbeitung gibt der Kunde die Adressänderung selbst in ein Online-Formular ein. Die Eingabe wird automatisiert über eine Adressdatenbank geprüft und gespeichert. Aber auch für komplexere Fälle wie Antrags- und Policierungsprozesse kann Dunkelverarbeitung genutzt werden – bei Bedarf auch in einem hybriden Ansatz mit menschlicher Interaktion: Der Kunde gibt seine Antragsdaten in ein Online-Formular ein und das System prüft den Antrag automatisiert anhand von Scoring-Vorgaben mit einem Ampelmodell. Bei Grün wird der Antrag angenommen, bei Rot lehnt die Maschine automatisiert ab. In Grenzfällen springt die Ampel auf Gelb, und ein mensch­licher Sachbearbeiter übernimmt die Bearbeitung.
Im Frontend wird bei der Dunkelverarbeitung mittlerweile immer häufiger auf Chat-Bots anstelle reiner Formulare gesetzt. Im Backend wiederum werden fixe Scoring-Algorithmen mehr und mehr durch Künstliche Intelligenz und Machine Learning angereichert. Und auch die Blockchain und hier besonders die so­genannten Smart Contracts werden von Versicherungen und Insurtechs aktuell auf ihren Nutzen hin untersucht.
Dunkelverarbeitung sorgt so für Prozessbeschleunigung und für Kostensenkungen. Damit ist sie ein wichtiger Baustein in der Digitalisierungsstrategie von Versicherungen.
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