Die IT trotzt der Pandemie

Projekte in der Warteschleife

von - 18.10.2021
Auch wenn 2020 für Hard- und Software-Unternehmen sowie für IT-Dienstleister alles in allem ein ganz gutes Jahr war – in den IT-Abteilungen der Unternehmen lief pandemiebedingt selbstverständlich nicht alles rund. So kommt die „IT-Trends-Studie 2021“ des Beratungshauses Capgemini zu dem Ergebnis, dass so manches für 2020 geplante IT-Projekt auf der Strecke blieb. Gut 42 Prozent der Unternehmen in der DACH-Region haben im vergangenen Jahr Projektstarts aufgrund von Corona in die Zukunft verschoben. Und sogar ein Viertel der Unternehmen hat Projekte ganz gestoppt.
Florian Dreifus
COO bei SAP Success Factors in der Region Mittel- und Osteuropa
Foto: SAP
„Natürlich ist die Corona-Pandemie auch an uns nicht spurlos vorübergegangen. Lockdowns, Umsatzeinbrüche und gestörte Lieferketten haben viele SAP-Kunden ausgebremst.“
„Insbesondere in den stark von der Pandemie betroffenen Branchen mussten Kosten eingespart werden, um die Liquidität zu sichern“, erklärt Jörn Messner, Managing Director beim IT-Dienstleister Lufthansa Industry Solutions. Dadurch seien auch IT-Projekte auf einen unmittelbaren, schnellen RoI hin überprüft und teils vertagt worden. „Andere IT-Projekte zur Kosten- und Effizienzoptimierung wurden dagegen zum Teil aber auch vorgezogen.“
Die Verzögerungen bei Projekten trafen dann auch große Unternehmen wie den Software-Riesen SAP. „Natürlich ist die Corona-Pandemie auch an uns nicht spurlos vorübergegangen“, sagt Florian Dreifus. Er ist COO bei SAP Success Factors in der Region Mittel- und Osteuropa. „Lockdowns, Umsatzeinbrüche und gestörte Lieferketten haben viele SAP-Kunden im vergangenen Jahr ausgebremst.“ Die Folge: Bereits geplante Transformationsprojekte wurden auf Eis gelegt, zum Teil sogar vollständig gestoppt. Um hier gegenzusteuern, habe man sich bei SAP verstärkt auf den Ausbau des Cloud-Geschäfts konzentriert. Laut SAP stieg der entsprechende Auftragsbestand allein im zweiten Quartal dieses Jahres um 17 Prozent auf 7,77 Milliarden Euro. Daher blicke man optimistisch in die Zukunft.
Ein alles in allem sehr gutes Jahr 2020 konstatiert auch Martin Wibbe, CEO und Vorstandsvorsitzender beim IT-Dienstleister Materna. Aber auch er stellte bei seinen Kunden fest, dass einige Projekte warten mussten. „Allerdings wurden insbesondere Digitalisierungsprojekte bald wieder aufgenommen, wenn diese die Geschäftsziele oder die Customer Experience unterstützen.“
IT-Projekte in der Pandemie
(Quelle: Capgemini „IT-Trends-Studie 2021“ )
Gerade in der öffentlichen Verwaltung wurden Martin Wibbe zufolge vergangenes Jahr zahlreiche Digitalisierungsprojekte beschleunigt, „die ohne Pandemie eventuell nicht so schnell angegangen worden wären“.

Fachkräfte Dringend gesucht

Die Auswirkungen von Covid-19 stellen den Arbeitsmarkt in zahlreichen Branchen noch immer vor große Herausforderungen. Die Arbeitslosenzahlen gingen zwar durch In­strumente wie Kurzarbeit nicht durch die Decke – aber nach einem Bericht der „Tagesschau“ vom April dieses Jahres verloren bundesweit mehr als eine Million Beschäftigte infolge der Pandemie ihren Job.
Das sind allerdings Sorgen, die für Beschäftigte in der IT-Branche in der Regel ganz weit weg sind. Auch die Krise verringerte den bereits seit Längerem anhaltenden Fachkräftemangel nicht – ganz im Gegenteil. Eine Auswertung des Business-Netzwerks Linkedin und des ifo Instituts ergab, dass die Zahl der Stellenanzeigen in den Bereichen Software und IT-Dienstleistungen von März bis Mai 2020 im Vergleich zum entsprechenden Zeitraum des Vorjahres um mehr als ein Fünftel gestiegen ist.
Der Fachkräfte-Index für den Bereich Information Technology der Personalberatung Hays meldet für das zweite Quartal 2021 den mit Abstand höchsten Wert seit 2015. Das Fazit der Personalberater: „Trieb die Digitalisierung schon länger den Bedarf an IT-Fachkräften nach oben, so hat die Pandemie diese Entwicklung nochmals beschleunigt.“ Die höchsten Zuwächse gab es laut Hays bei Datenbankentwicklern, IT-Security-Spezialisten und IT-Architekten. Der Fachkräfte-Index des Personaldienstleisters wertet die Stellenanzeigen der meistfrequentierten Online-Jobbörsen, der Tageszeitungen und des Business-Netzwerks Xing aus.
Jörn Messner
Managing Director bei Lufthansa Industry Solutions
Foto: Lufthansa Industry Solutions
„Insbesondere in den stark von der Pandemie betroffenen Branchen mussten Kosten eingespart werden, um die Liquidität zu sichern. Dadurch sind auch IT-Projekte überprüft und zum Teil verschoben worden.“

Fazit & Ausblick

„2020 war ein arbeitsintensives Jahr. Letztlich haben wir die Krise aber gut gemeistert und konnten in Summe sogar deutlich wachsen“, so das Resümee von Marco Burk von CGI. „Vom Weckruf, den viele Kunden in der Krise in Bezug auf ihren Digitalisierungsgrad erlebten, haben wir sicherlich auch profitiert.“ Die IT genießt seiner Ansicht nach inzwischen eine deutlich veränderte Wahrnehmung und Stellung in Betrieben, da ihre Möglichkeiten strategische und taktische Unternehmensentscheidungen wesentlich be­einflussen. „Ein Kunde auf CXO-Level beschrieb die veränderte Positionierung der IT vor Kurzem mit ,vom Maschinenraum auf die Brücke‘.“ Zwar halte er dies für etwas überzeichnet, doch stecke viel Wahres darin.
Nach Einschätzung des Digitalverbands Bitkom hält der Boom der Tech-Branche auch im kommenden Jahr an. 2022 soll der Markt laut Prognose des Verbands um 3,4 Prozent auf 184,3 Milliarden Euro zulegen. Und die Zahl der Arbeitsplätze in der Branche könnte erstmals auf über 1,3 Millionen ansteigen.
Die IT-Branche eilt also trotz der Pandemie von einem Rekordwert zum nächsten. Es gibt aber weiter zahlreiche Unsicherheiten. Auch wenn die Impfungen hierzulande weiter voranschreiten und sich – vorsichtig optimistisch – zumindest in Deutschland allmählich ein Ende abzeichnet, mahnt Bitkom-Präsident Achim Berg zur Vorsicht: Das Auftreten neuer Corona-Varianten, eine mögliche vierte Welle, der ungewisse Ausgang der Bundestagswahl im Herbst und auch der anhaltende Mangel an Halbleitern mache die aktuelle Lage fragil – und es bleibe konjunkturell weiterhin spannend.
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