Sicherheit

Meldegesetz: Regierung geht auf Distanz

von - 09.07.2012
Meldegesetz: Regierung geht auf Distanz
Fast unbemerkt hatte die Bundesregierung ein neues Meldegesetz durch den Bundestag gebracht. Nach heftiger Kritik von Datenschützern sind jetzt auch Teile der Regierung mit dem Entwurf nicht mehr zufrieden.
Die Fußball-Europameisterschaft sorgte für genügend Ablenkung: Deutschland gegen Italien. Der Bundestag war daher am 28. Juni 2012 nur spärlich besetzt. So konnte die Bundesregierung einen Gesetzentwurf fast unbemerkt, ohne Aussprache aber gegen die Stimmen der Opposition, vom Bundestag abnicken lassen (Video vom Tagesordnungspunkt).
Es geht um ein neues Meldegesetz. Die Meldeämter sollen künftig die persönlichen Daten der Bürger verkaufen dürfen, ohne dass eine besondere Zustimmung erforderlich ist. Schon seit geraumer Zeit ist bekannt, dass Meldeämter die Meldedaten der Bundesbürger gegen einträgliche Gebühren an Unternehmen verkaufen. So soll laut einem Bericht des ZDF-Magazins WISO im Oktober 2010, eine Adresse in Berlin etwa 5 Euro wert sein, eine in München bis zu 15 Euro. Unter Verwendung dieser Daten erstellte Persönlichkeitsprofile lassen sich dann für Werbung nutzen.
In einem früheren Entwurf vom September 2011 hieß es, die Daten dürften nicht für Werbung oder an den Adresshandel verwendet werden, „es sei denn, die betroffene Person hat in die Übermittlung für jeweils diesen Zweck eingewilligt“. Damit hätte die Weitergabe erhobener Daten wie Namen, akademischen Titeln und Anschriften, nur noch nach ausdrücklicher Zustimmung (Opt-in) des Bürgers verkauft werden dürfen.
Datenweitergabe wird zum StandardMit dem 28. Juni 2011 im Bundestag verabschiedeten Gesetz zur Fortentwicklung des Meldewesens ist die Regierung vor den Interessen der Direktmarketing- und Inkasso-Unternehmen allerdings vollends eingeknickt. Der neue Entwurf erlaubt ausdrücklich die Weitergabe von Informationen an Datenhändler. Damit wird die Datenweitergabe zum Standard. Es sei denn, jemand legt einen formellen Widerspruch ein. Aus dem Opt-in (ausdrückliche Zustimmung) wird ein Opt-out. Doch damit nicht genug. Der Entwurf besagt nämlich zudem, dass der Widerspruch nicht gelte, „wenn die Daten ausschließlich zur Bestätigung oder Berichtigung bereits vorhandener Daten verwendet werden“. Die Opposition ist über diese überraschende Wendung empört. Dazu die stellvertretende innenpolitische Sprecherin der SPD-Bundestagsfraktion Gabriele Fograscher in einer Pressemitteilung: „Da man für die Melderegisterauskunft immer bereits vorhandene Daten benötigt, wird es sich stets um eine Bestätigung oder Berichtigung vorhandener Daten handeln. Das ist ein dramatischer Rückfall sogar hinter die Regelungen der bisherigen Gesetzeslage."
Widerspruch einlegenLaut Peter Schaar, Bundesbeauftragter für den Datenschutz kann ein formell korrekter Widerspruch schriftlich beim zuständigen Meldeamt eingereicht werden. Folgenden Wortlaut nennt er als Beispiel: „Ich widerspreche gem. MeldFortG § 44 Abs. 1 Satz 3 der Erteilung von einfachen Melderegisterauskünften zu Zwecken der Werbung oder des Adresshandels. Dieser Widerspruch sei aber sinnlos bei Daten, die für eine Berichtigung abgefragt werden. Seine ernüchternde Bilanz des im Bundestag verabschiedeten Gesetzes lautet: In den meisten Fällen ist Widerstand zwecklos.
Regierung rudert zurückInzwischen wird auch in den Regierungsparteien Kritik am geplanten Meldegesetz laut. Verbraucherschutzministerin Ilse Aigner verlangt, das Gesetz noch einmal zu überdenken. Und das, obwohl offenbar vor allem die CSU für eine Verschärfung des Meldegesetzes eingetreten war. Unverändert wird das Meldegesetz ohnehin nicht in Kraft treten können, denn es muss im Herbst 2012 erst noch vom Bundesrat gebilligt werden - und hier haben die Regierungsparteien keine Mehrheit.
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