Neue Zentralbankwährung

Die EZB erschafft den digitalen Euro

von - 22.01.2024
Foto: EZB
Bald kommt der digitale Euro. Doch viele Fragen sind noch offen: Wozu braucht es ihn überhaupt? Was bringt er und vor allem wem?
Seit Juli 2021 plant die EZB den digitalen Euro. Bereits 2026 soll die digitale Zentralbankwährung für Bürger:innen eingeführt werden. Die im 1. Quartal 2022 gestartete Investigationsphase soll im Herbst 2023 abgeschlossen sein. Der Fokus lag bisher auf der Priorisierung und Ausgestaltung von Anwendungsfällen, Offline-Funktionen, der Wahrung der Privatsphäre, dem Verteilungsmodell, einem Haltelimit (Obergrenze an digitalem Euro je Bürger:in) und der Entwicklung von Prototypen.
Mit dem Gesetzgebungsvorschlag vom 28. Juni 2023 hat die EU-Komission die EZB-Entscheidungen zum digitalen Euro flankiert. Auch wenn noch vieles offen ist, soll ein Rechtsrahmen geschaffen werden, der den digitalen Euro als gesetzliches Zahlungsmittel deklariert und eine Akzeptanzpflicht vorsieht. Obwohl die EU-Kommission der EZB umfangreiche Entscheidungsfreiheiten überlässt, bleibt zu hoffen, dass wichtige Kriterien wie das Haltelimit nicht von der EZB entschieden, sondern politisch legitimiert werden. Schließlich werden die Entscheidungsträger der EZB nicht von der Bevölkerung gewählt. Ohne ein Haltelimit könnte unbegrenzt Giralgeld in den digitalen Euro fließen und so die Finanzmarktstabilität gefährden und zu erhöhten Kreditzinsen führen.
Eine der wichtigsten Fragen – auf welcher Technologie der digitale Euro aufgebaut werden soll – ist noch unbeantwortet. Es gilt als nahezu ausgeschlossen, dass die Blockchain-Technologie genutzt wird. Die Möglichkeit der Interoperabilität zu bestehenden Blockchains würde allerdings deutlich mehr Anwendungsfälle als bisher geplant ermöglichen; etwa Machine-to-Machine-Zahlungen oder Pay-per-Use Transaktionen. Derzeit fokussiert sich die EZB auf Zahlungen im Online-Handel (E-Commerce) und zwischen Personen; beide Funktionalitäten sollen im ersten Release angeboten werden. Später folgen Zahlungen an der Ladenkasse (Point-of-Sale) und zwischen Regierungen und Bürger:innen/Unternehmen (G2X). Bis auf gut funktionierende G2X-Zahlungen – zumindest hat Deutschland hier Schwierigkeiten – bieten diese Anwendungsfälle keinen Mehrwert gegenüber bestehenden Zahlungsarten. Sowohl mit Giralgeld, Kredit-/Debitkarten, PayPal oder Apple/Google Pay sind solche Zahlungen seit langem möglich. Zudem wird in diesem Jahr die von 16 europäischen Banken und Finanzdienstleistern initiierte European Payments Initiative (EPI) in Deutschland und Frankreich getestet. Die Markteinführung in diesen Ländern sowie in Belgien (die drei Länder repräsentieren mehr als die Hälfte aller elektronischen Zahlungen im Euroraum) ist für Anfang 2024 geplant, anschließend folgen weitere europäische Länder. Mit EPI werden nahezu die gleichen Anwendungsfälle wie die des digitalen Euro mindestens zwei, sogar eher drei oder vier Jahre früher abgedeckt.
Die EZB konnte bislang die Frage, weswegen der digitale Euro gebraucht wird, nicht ausreichend beantworten. Weder gibt es ein Marktversagen im europäischen Zahlungsverkehr noch sind nennenswerte Vorteile durch die digitale Zentralbankwährung erkennbar. Das Argument der europäischen Souveränität und der Abhängigkeit von amerikanischen Anbietern ist nur bedingt nachvollziehbar, insbesondere bei einem Erfolg von EPI. Es ist anzunehmen, dass die amerikanischen Player den digitalen Euro ihren Kund:innen anbieten und damit voraussichtlich die meisten Transaktionen abwickeln werden.
Die EZB weicht inzwischen – zumindest intern – von der Behauptung ab, dass der digitale Euro Vorteile für Bürger:innen bringt. Vielmehr soll er als Instrument dienen, um die Geldmenge besser zu steuern. Durch den Rückgang der Bargeld-Nutzung insbesondere seit Corona verliert die EZB immer mehr an Möglichkeiten, die Inflation zu bekämpfen. Bisher besteht die Geldmenge größtenteils aus privatem Giralgeld (über 80 Prozent). Durch den digitalen Euro könnte die Geldmenge der Zentralbank (durch Bargeld und digitalem Euro) steigen, sodass die EZB wieder mehr Einfluss gewinnen könnte. Ob das allerdings ausreicht, um die Einführung des digitalen Euros zu begründen, ist zweifelhaft.
Der Autor
Phillipp Hartmannsgruber
ist Vorstand beim Blockchain Bundesverband (http://bundesblock.de). 2019 gründete er die PJAH Consulting. Beim Deutschen Sparkassen- und Giroverband (DSGV) war er für die Themen digitales Geld und digitale Assets in der Sparkassen-Finanzgruppe (SFG) verantwortlich.
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