Digitalisierung verunsichert den Mittelstand

Investitionsbereitschaft ist schwach

von - 04.12.2017
"Gerade das Marketing ist ein zentrales Spielfeld der Digitalisierung und Mittelständler tun sich hier oft schwer", bestätigt  Robert Jacobi, Managing Director, The Nunatak Group. "Heute ist es aber entscheidend, mit datengetriebenen Ansätzen bestehende Kunden öfter zu erreichen und neue Leads zu gewinnen." Das Problem: Dafür sind Investitionen in nicht vorhandene oder veraltete CRM-Systeme erforderlich, ebenso wie viel personelles Know-how für das Lead-Management. Das alles kostet eine Menge Geld.
Mittelständler sehen sich angesichts der Digitalisierung zahlreichen Problemen ausgesetzt. Das größte ist der Mangel an IT-Kompetenz im Haus.
Die dafür nötige Investitionsbereitschaft ist jedoch nur gering ausgeprägt. Knapp die Hälfte der Mittelständler gibt im Jahr weniger als 10.000 Euro für die Digitalisierung aus. Nur jedes zehnte Unternehmen lässt 40.000 Euro oder mehr springen. Hochgerechnet, so fasst dies das ZEW ernüchtert zusammen, investiert der deutsche Mittelstand also etwa 10 Milliarden Euro im Jahr in die Erweiterung und Verbesserung der Digitalisierung. Eine Fahrt auf der digitalen Überholspur ist das nicht gerade.
Wer allerdings die Ausgabebereitschaft kritisiert, verkennt die Mentalität des Mittelstands, die ihn letztendlich so stark ­gemacht hat. Der Unternehmer investiert gerne, wenn er fest mit einem Ertrag rechnen kann. Doch den hohen Ausgaben, die im Übrigen sofort anfallen, steht eine ­unsichere Zukunft in weiter Ferne gegenüber. Keiner kann derzeit genau sagen, in welche Richtung sich die Geschäfte entwickeln und welche technischen Entwicklungen sich durchsetzen. Die jüngere Wirtschaftsgeschichte ist voll mit Beispielen von Unternehmen, die plötzlich von Start-ups überrollt wurden, weil diese mit überraschenden Businessmodellen ums Eck kamen und jahrzehntelang bewährte Geschäftsideen überflüssig machten.

Unsicherheit führt zu halbherzigen Entscheidungen

Diese Unsicherheit führt zu halbherzigen Entscheidungen. So wird häufig nur punktuell in die Digitalisierung investiert, um das Invest überschaubar zu halten. Das aber kann nach Ansicht von Experten nicht funktionieren. Die Digitalisierung betrifft schließlich die gesamte Wertschöpfungskette: von der Anschaffung neuer Software bis hin zur Einstellung von Digital-Spezialisten.
Dabei fehlt es nicht an ermutigenden Prognosen. McKinsey hat errechnet, dass sich bis zum Jahr 2025 ein zusätzliches Wertschöpfungspotenzial von 126 Milliarden Euro ergibt, wenn sämtliche Mittelständler in Deutschland die Chancen der Digitalisierung konsequent nutzen. Zudem haben Mittelständler durchaus einige Startvorteile. Inhaber können Entscheidungen schneller treffen als Manager in Großkonzernen, wo man sich gerne in Endlos-Meetings verzettelt und mit anderen Abteilungen mühsam Kompromisse aushandeln muss. Eine kleinere Unternehmensgröße erlaubt auch ­einen schnellen Informationsaustausch. Und: Eigentümer denken strategisch, während Entscheider in Großunternehmen oft einer kurzfristigen Agenda folgen, um Investoren zufriedenzustellen.
Ein Nachteil in diesem Wettbewerb ist der Standort. Mittelständler, die in der Provinz beheimatet sind, tun sich oft schwer damit, digitale Talente anzulocken. Die zieht es meist in die großen Städte, dorthin, wo die großen IT-Konzerne sitzen. Auch beim Recruiting ist also Einfallsreichtum gefragt - keine einfachen Zeiten für den Mittelstand.­­­­
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