Zwischen Hype und Ernüchterung

Die Cloud auf dem Prüfstand

von - 13.07.2022
Foto: Shutterstock / Blackboard
Trotz vieler unbestreitbarer Vorteile ist Cloud-Computing kein Selbstläufer. Der Einzelfall entscheidet. Ein Pro & Contra.
Eine Zeit lang sah es so aus, als seien die Technologien rund um die Cloud eine noch nicht dagewesene Revolution in der Informationstechnologie. Keine Sorgen mehr und keinen Ärger mit dem eigenen Rechenzentrum, ob klein oder groß – stattdessen gegen einen monatlichen Obolus der komfortable Zugriff auf externe Institutionen, die Daten und Anwendungen beherbergen. Und das mit Services für wenig beliebte Aufgaben wie Storage und Backup, wie es normalen Unternehmen wegen der fehlenden Expertise und der Kosten selbst unmöglich wäre. Die Cloud-Dienstleister propagierten zudem, immer die besten und neuesten Geräte und Tools einzusetzen.
Inzwischen hat Ernüchterung die Begeisterung der ersten Zeit abgelöst, auch wenn sich kaum jemand dem Trommelfeuer von Marketingleuten, Anwender-Reports und Analysten-Statements entziehen kann, die voll des Lobes für die Cloud sind. Und es stimmt ja auch: Die Cloud ist allgegenwärtig geworden. Vereinzelt hörbare kritische Stimmen wie die von Apple-Mitgründer Steve Wozniak, der die mangelnde Kontrolle der Cloud durch die Anwender beklagte, sind nicht durchgedrungen.

Etappen der IT bis zur Cloud

Dabei hat die Cloud an der Funktionsweise der IT gar nicht so viel geändert. Das Verhältnis von physischen und virtuellen Servern, Applikationen und Daten, Speichersystemen, Entwicklungs-Tools, Ausgabe- oder Endgeräten und Netzwerkfunktionen ist gleich geblieben. Sie befinden sich jetzt nur woanders, an einem oder an mehreren anderen physischen Orten, wo sie von einem Cloud-Service-Pro­vider (CSP) gemanagt werden. Der Provider lässt sich dafür im Abo oder nach tatsächlichem Verbrauch bezahlen.
Eine kurze Definition von Cloud-Computing lautet heute so wie auf der IBM-Website: „Cloud-Computing verwandelt die IT-Infrastruktur in ein Betriebsmittel oder ein Dienstprogramm. Mit einer Cloud kann man über das Internet in eine irgendwo existierende Infrastruktur eintauchen und die Ressourcen dort benutzen, ohne dass man sie bei sich selbst im eigenen Rechenzentrum installieren und unterhalten muss.“ Im Vergleich zum traditionellen Rechenzentrum ergeben sich prinzipiell folgende Vorteile:
  • Niedrigere IT-Kosten: Man braucht weniger oder gar keine interne IT-Infrastruktur, es entstehen keine konstanten Ausgaben mehr für Kauf, Installation, Konfiguration, Verwaltung und Reparaturen von Hard- und Software im eigenen Unternehmen.
  • Schnelle Reaktion: Mit einer Cloud-Anbindung kann man neue Anwendungen innerhalb von Minuten abrufen – anstatt auf wochen- oder monatelange Arbeitsprozesse der eigenen IT-Abteilung warten zu müssen.
  • Ausbau der IT: Erweiterungen der IT-Dienste gehen leichter und mit weniger Kosten vonstatten – stückweise oder elastisch je nach aktuellen Anforderungen und Bestellprozessen des Providers. Das Gleiche gilt für ein Reduzieren der verwendeten Services und Produkte. Im Endeffekt kann man sogar zusammen mit seinem Provider eine weltweit angelegte virtuelle Infrastruktur aufbauen – mit Internetzugriffen von (fast) überall aus.
Die Voraussetzung dafür ist eine virtualisierte Infrastruktur: Virtualisierung abstrahiert von den realen Gegebenheiten und Begrenzungen von Servern, Storage-Systemen oder Netzwerkstrukturen. Durch den Einsatz einer speziellen Software können mehrere Hardware-Systeme zusammengefasst oder unterteilt werden. Zum Beispiel lässt sich ein einzelner Hardware-Server in mehrere virtuelle Server aufteilen. Damit stehen auf der gleichen Hardware-Basis mehrere Server-Instanzen zur Verfügung.
Durch Cloud-Computing werden gegenwärtig bestehende Rechenzentren ersetzt oder nach und nach aufgelöst. Historisch betrachtet ist das keineswegs neu, sondern eine Art Revival des Mainframe-Computings. Vor der Einführung der sogenannten Mini-Computer in den 70er- Jahren des letzten Jahrhunderts – geprägt vor allem durch die Computer von Digital Equipment – verfūgten nur sehr große Unternehmen oder einzelne Behörden über leistungsstarke (und teure) Großrechner. Solche Mainframes waren mittels Timesharing und mit ihrem Betriebssystem in der Lage, von sehr vielen Anwendern an ihren entfernten Terminals gleichzeitig genutzt zu werden.
Mit der Verbreitung von PCs und Unix-Workstations sowie Windows- und Unix-Servern ging der Markt für Timesharing zurück und die Mainframes verloren allmählich immer mehr Marktanteile. Virtualisierung – einst eine Domäne des Betriebssystems der IBM-Mainframes – erlebte 1999 durch die Gründer von VMware (ehemalige Mitarbeiter von IBM) eine Neugeburt – dieses Mal entwickelt für x86-Systeme. Damit war die Basis gelegt für modernes Cloud-Computing und die Virtualisierung weiterer Elemente, darunter Storage, Networking (Virtual Private Networks und virtuelle Local Area Networks) und Container für Anwendungen (zum Beispiel Docker). Erst 2006 tauchte der Begriff „Cloud“ auf, als Amazon den neuen Dienst Amazon Web Services (AWS) zusammen mit Elastic Compute Cloud (EC2) herausbrachte.
Als Vorläufer von Cloud-Computing gelten auch ASPs (Application Service Provider), die eine Anwendung via Internet anbieten, und Dienste wie früher Compuserve oder AOL. Salesforce etwa hatte großen Erfolg mit so einem Modell, bei dem sich alle Software-Komponenten und auch die meisten Daten der Anwender auf den Rechenzentren des Anbieters befinden. Online-Applikationen für private Nutzer wie Evernote oder Dropbox haben ebenfalls den Weg für das heutige Cloud-Computing geebnet. Man unterscheidet drei Hauptkategorien von Cloud-Services:
  • SaaS (Software as a Service): Ein Third-Party-Provider hostet Anwendungen und stellt sie über das Internet zur Verfūgung. Beispiele: Netsuite (seit 2016 bei Oracle), Concur (seit 2014 bei SAP), Microsoft 365.
  • PaaS (Platform as a Service): Ein Third-Party-Provider hostet Plattformen und Tools für die Anwendungsentwicklung und bietet sie via Internet an. Beispiele: AWS Elastic Beanstalk, Google App Engine, Heroku (Cloud-Plattform für Programmiersprachen).
  • IaaS (Infrastructure as a Service): Ein Third-Party-Provider hostet Server, Storage und andere virtuelle Ressourcen und bietet sie via Internet an. Beispiele: AWS, Microsoft Azure, Google Compute Engine, Alibaba.
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