Agenturbranche

Digitalagenturen im Wandel

von Max Bold - 13.09.2016
Zusammenschlüsse und Aufkäufe prägen derzeit die Agenturbranche – gerade Digitalagenturen stehen ganz oben auf der Einkaufsliste.
Nutzerzentriertes Denken, lange eine Prämisse der Digitalbranche, hat sich zu einem allgemein gültigen Paradigma für die Entwicklung von Dienstleistungen und Produkten gemausert. Immer größer wird die Vielfalt von Dienstleistern und Beratern, die in digitale Dienstleistungen und das Beratungsgeschäft rund um die ominöse Digitale Transformation einsteigen – vom technischen Implementierer bis hin zur Werbeagentur. In diesem Zuge gewinnt auch das Thema User Experience weiter an Bedeutung. Entsprechend wächst der Wettbewerb für Digitalagenturen, die vermehrt mit klassischen Kreativagenturen sowie Consulting-Dienstleistern im Wettbewerb stehen. Da stellt sich die Frage: Wenn Werbeagenturen und Managementberatungen digitale Kompetenz vorgeben, wozu brauche ich eine Digitalagentur? Die Antwort: Um die Konsistenz zu erhalten.
Jeder hat vermutlich schon mal stille Post gespielt: Sie flüstern dem Nachbarn etwas ins Ohr, der gibt es weiter, und am Ende der Runde wird laut ausgesprochen was von Ihrer initialen Äußerung noch übrig geblieben ist. Meist nicht allzu viel. Ähnlich erleben wir es immer wieder bei digitalen Projekten, die von großen Kreativagenturen oder Consultingfirmen umgesetzt wurden. Im besten Fall gab es eine kreative, strategische Idee für digitale Medien – aber bis die beim eingekauften Entwickler in Indien angekommen, geschweige denn umgesetzt worden ist, ist davon nicht mehr allzu viel übrig. Über erreichte Kennzahlen spricht man in der Regel gar nicht erst – die waren bereits vergessen bevor die Entwicklung überhaupt los ging. Das verdeutlicht: Der Dreiklang aus Beratung, Kreation und technischer Umsetzung ist die Basis für erfolgreiche (digitale) Projekte und Kommunikation. Ein Dreiklang, den jedoch weder klassische Werbeagenturen, noch die großen Consultingdienstleister abdecken können.

Technologie- und Umsetzungskompetenz

Technologiekompetenz in Verbindung mit Kreativität ist der wohl größte Marktvorteil von Digitalagenturen und in den letzten Jahren zum zentralen Differentiator geworden. Bis diese Verbindung aufgebaut ist und erfahrene Entwickler gemeinsam mit einem ideenreichen Kreationsteam auf Basis einer strategischen Ausrichtung gemeinsam an einem Projekt arbeiten vergehen nicht selten Jahre. Dieser Prozess ist nicht zukaufbar. Digitalagenturen, die mit starken Technologiepartnern auf höchstmöglichem Zertifizierungslevel arbeiten und Kreation unter digitalen Gesichtspunkten und gegebenen Einschränkungen entwickeln können, können Projekte ohne Reibungsverluste umsetzen und sich dabei auf ihre erfahrenen und stets auf dem neuesten Stand geschulten Mitarbeiter verlassen.
Diese breite technische Kompetenz fehlt klassischen Werbeagenturen. Der Umweg über externe Partner, die kreative Ideen in technische Lösungen umsetzen, kostet wertvolle Zeit – und nicht selten auch die Idee. Das fällt bei Projekten im Digitalbereich mit ihren charakteristischen Optimierungszyklen unter agilen Prozessen besonders ins Gewicht. Für große Projekte, an denen ein kreativ-technisches Setup gemeinsam lernen und wachsen kann, eignen sich Anbieter ohne eigene Umsetzungskompetenz schlichtweg nicht. Auch Consultingunternehmen, die ihren Schwerpunkt in der strategischen Beratung, nicht in der Kreation oder der technischen Umsetzung sehen, müssen entsprechende Kooperationen eingehen oder das nötige Know-How zukaufen. Es bleibt ein Kompromiss, der meist teuer und inhaltlich wenig nachhaltig ist.

Nutzerfokus und agile Prozesse

Digitalagenturen haben den Nutzerfokus als Grundsatz der digitalen Kommunikation verinnerlicht. Es geht dabei in erster Linie nicht darum, was ein Unternehmen verkaufen oder kommunizieren möchte, sondern die Ausgangsfragen in der Beratung und Konzeption zu beantworten, die wären: Welchen Mehrwert kann ein Anbieter für den Nutzer schaffen? Was bietet die Marke dem Nutzer, warum sollte er interagieren und gar Daten preisgeben? Daran, also am Grad der Interaktion, des Engagements und der Zufriedenheit der Kunden, messen sich letztlich auch die Erfolge, nicht an möglichen Auszeichnungen auf brancheninternen Kreativfestivals oder der Utilisierungsquote der Berater. Die Nutzerakzeptanz als Messgröße lässt sich in Echtzeit messen, ermöglicht die fortwährende Optimierung der bestehenden Lösungen und triggert den Einsatz agiler Methoden auch über ihre Anwendung in der Software-Entwicklung hinaus. Auch hier haben  Digitalagenturen praktisch einen Heimvorteil, denn Methoden wie Scrum, Kanban oder Design Thinking gehören zu ihren ureigenen Werkzeugen.
Neben kreativer Exzellenz erweisen sich oft die technologischen Partnerschaften, die viele Digitalagenturen über die Jahre aufbauen konnten, als Wachstumstreiber. Seien es Adobe, Sitecore oder SAP Hybris – die kreative Nutzung einer stabilen technologischen Basis ist für alle Seiten ein echtes Aushängeschild. Nicht zuletzt aufgrund der verbesserten Nutzbarmachung partizipieren Digitalagenturen als Implementierungspartner am hohen Wachstum der Technologieanbieter, das bei 40 und 60 Prozent pro Jahr liegt.
Gerald Lanzerits ist CEO der Agentur ecx.io.
(Quelle: ecx.io)
Allein auf das Implementierungsgeschäft zu setzen, wäre jedoch zu kurz gedacht. Es geht darum, »das Kerngeschäft eines potenziellen Kunden zu verstehen und mit ihm in einen Dialog zu treten«, formuliert es ecx.io CEO Gerald Lanzerits. Erst auf Basis dieses Dialogs kann eine strategische, kreative und technologische Beratung stattfinden. Mit ihrer technologischen Kernkompetenz und kreativen Exzellenz können Digitalagenturen ihren Kunden das gesamte digitale Leistungsspektrum aus einer Hand und damit ohne Reibungsverluste anbieten. Und das ist etwas, was nur Digitalagenturen vorbehalten ist.
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