„Ein Online-Shop ist wie ein Eisberg“
Siegel wie Trusted Shops schaffen Vertrauen
von Harald Töpfer - 12.05.2015
com! professional: Wie groß schätzen Sie den Reputationsvorteil ein, wenn man über Amazon verkauft? Lässt sich mit Siegeln wie Trusted Shops ein ähnliches Vertrauen bei potenziellen Kunden erzielen?
Weinfurtner: Amazon hat bei den Endkunden einen großen Vertrauensvorteil – bei einem eigenen Shop muss man sich das Vertrauen beim Kunden erst einmal aufbauen. Dabei können Siegel helfen. Für ein gewisses Grundvertrauen sorgt auch das Angebot von Zahlungsarten, die der Kunde für sicher hält. Wenn ich nur Vorkasse offeriere, werden sicher viele Besucher wieder abspringen. Wenn ich Kauf auf Rechnung zur Verfügung stelle, gehe ich andererseits ein hohes Ausfallrisiko ein.
com! professional: Wenn mir Amazon zu mächtig, der eigene Webshop aber zu aufwendig ist, welche Alternativen habe ich?
(Quelle: Sashkin / Fotolia )
com! professional: Gibt es einen Vergleich dieser Marktplätze?
Weinfurtner: Wir sind gerade dabei, uns die sechs größten Marktplätze genau anzuschauen. Dazu haben wir bereits eine Umfrage durchgeführt, welche Angebote die Händler bevorzugen und wie zufrieden sie damit sind. Wer ein gutes Warenwirtschaftssystem hat, kann aber ohne großes Risiko selbst testen. Die Marktplätze lassen sich in der Regel problemlos anbinden. Im Prinzip gilt aber: Je mehr Plattformen ich nutze, desto mehr Möglichkeiten habe ich. Wer international tätig sein will, muss sich ohnehin mit dem Thema befassen. In Frankreich zum Beispiel gibt es sehr viel mehr Marktplätze, da ist Amazon längst nicht so stark. Das Gleiche gilt im Übrigen für Suchmaschinen. Nicht überall hat Google eine derartige Monopolstellung wie in Deutschland, das muss man beim Suchmaschinen-Marketing beachten.
com! professional: Mit welchen Kosten muss ein Unternehmen für einen Online-Shop rechnen?
Weinfurtner: Diese Frage lässt sich genauso wenig pauschal beantworten wie die Frage „Was kostet ein Auto?“. Je nachdem ob Sie einen Polo oder einen Ferrari wollen, wird die Antwort sehr unterschiedlich ausfallen. Wie beim Auto kommt es beim Webshop auf die eigenen Ansprüche an.
Weinfurtner: Viele Händler glauben, das Shop-System sei der Hauptkostenblock im E-Commerce. Wenn dann die ersten Bestellungen reinkommen, stellen sie plötzlich fest, dass Einkauf, Lagerverwaltung, Versand, Buchhaltung und Retourenabwicklung weit mehr Zeit und Geld fressen. Wir vergleichen das gern mit einem Eisberg, bei dem ja auch nur ein kleiner Teil über der Wasseroberfläche sichtbar ist. Genauso stellen die sichtbaren Kosten des Shop-Systems nur einen Bruchteil der Gesamtaufwendungen im Online-Handel dar. Vor allem, wenn das Projekt schon weit fortgeschritten ist, wird eine Integration von Prozessen oft sehr viel schwieriger, zeitaufwendiger und teurer, als wenn man sie von Anfang an einplant.
com! professional: Wie entwickeln sich die Umsätze im E-Commerce insgesamt?
Weinfurtner: Der Einzelhandel im Internet wächst weiter rapide. Im E-Commerce mit Waren (ohne Dienstleistungen) werden aktuell pro Jahr circa 40 Milliarden Euro umgesetzt. Der Online-Handel macht derzeit ein Vierzehntel des gesamten Einzelhandels aus. Das hört sich zunächst nach wenig an, man muss aber bedenken, dass der Online-Handel weiter stark wächst, während der Gesamtumsatz im Einzelhandel stagniert.
com! professional: Das heißt, dass ein Einzelhändler eigentlich nicht mehr am Thema E-Commerce vorbeikommt?
Weinfurtner: Man muss zumindest online präsent sein. Ob ich dann auch online verkaufen muss, ist eine andere Frage, aber Online-Marketing sollte man auf jeden Fall machen. Das fängt beim Google-Maps-Eintrag an. Wenn ich dort nicht vertreten bin, verliere ich unter Umständen Laufkundschaft, die auf dem Smartphone nach dem nächsten Schuhhändler, Café oder Friseur sucht.
Der nächste Schritt wäre dann, sich die Marktplätze anzuschauen. Was vermehrt kommt, sind lokale Marktplätze, auf denen sich Händler zusammenschließen. So etwas gibt es zum Beispiel in Wuppertal.
com! professional: Sie haben die Smartphone-Nutzer erwähnt. Wie wichtig ist eine Mobilvariante des Shops beziehungsweise ein Responsive Design, das auf die Endgeräte reagiert?
Weinfurtner: Bei den mobilen Geräten muss man zwischen den verschiedenen Formfaktoren unterscheiden. Wir sind der Meinung, dass sehr viel mehr Online-Handel über Tablets stattfindet als über Smartphones. Smartphones werden eher zur Informationssuche genutzt als direkt zum Einkauf. Beides taucht dann in der Statistik unter „mobil“ auf, was zu falschen Schlüssen führen kann. Ein Online-Shop sollte auf jeden Fall auf einem Tablet gut bedienbar sein, das Einkaufserlebnis auf dem Smartphone ist eher zweitrangig. Durch gutes Responsive Design ist aber die komfortable Bedienung auf allen Geräten problemlos möglich.