Daten sind Produktionsmittel

Mitarbeiter müssen Daten als ein Produktionsmittel erkennen

von - 28.02.2017
com! professional: Wer muss diesen Wandel in Gang bringen?
Kotorov: Der Impuls muss aus dem Top-Management kommen. So wie Unternehmen ihre Supply Chain planen, sollten sie auch das Thema Organizational Intelligence angehen. Es geht darum, funktionierende, standardisierte und wiederholbare Prozesse einzuführen.
com! professional: Gerade Wissensarbeiter neigen dazu, Informationen für sich zu behalten, weil sie glauben, so unentbehrlich zu sein. Wie motiviert man sie, ihr Wissen preiszugeben?
Kotorov: Das ist in der Tat ein großes Problem. Es schlummert viel stilles Wissen in den Köpfen. Wenn der Mitarbeiter das Unternehmen verlässt, ist dieses Wissen verloren. Das stille Wissen zu aktivieren, ist Teil der Organizational Intelligence.
com! professional: Ein Problem, vor allem von Selfservice BI, ist, dass verschiedene Abteilungen auf unterschiedliche Daten zugreifen und daher zu voneinander abweichenden Ergebnissen kommen. Wie wichtig sind hier Datenmanagement und Data Governance für die Operational Intelligence?
Kotorov: Wenn Analystenteams unabhängig voneinander Daten bearbeiten und bewerten, führt das zum Chaos. Jede operativ wirksame Anwendung benötigt zwingend Datenmanagement und Data Governance. Man kann es sich nicht leisten, Entscheidungen in Echtzeit auf falschen Daten zu treffen.
com! professional: Es ist also entscheidend, die Datenqualität durchgängig sicherzustellen?
Kotorov: Daten sind Rohmaterial, aus dem wirtschaftlich verwertbare Erkenntnisse entstehen, und sie sollten deshalb nicht anders behandelt werden als andere Ausgangsprodukte in der Produktion. Allerdings glaube ich, dass viel zu sehr über Datenqualität und viel zu wenig über die Validität der Berechnungen geredet wird. Es ist mindestens genau so gefährlich, aus perfekt aufbereiteten Daten falsche Schlüsse zu ziehen, wie auf einer unzureichenden Datenbasis zu agieren.
com! professional: Birgt nicht gerade Selfservice BI die Gefahr solcher Fehlinterpretationen?
Kotorov: Absolut, manche glauben, wir müssten die Analysten nicht mehr ausbilden, weil die Tools so einfach zu bedienen sind. Das ist Wahnsinn.
com! professional: Was folgern Sie daraus?
Kotorov: Wir meinen, dass jeder Analyst für die Wissensebene, auf der er arbeitet, zertifiziert werden muss. Wir verlassen uns bei wichtigen Entscheidungen immer mehr auf diese Menschen, wissen aber oft gar nicht, was sie überhaupt wissen.
com! professional: Wird in einem Unternehmen, das Organizational Intelligence lebt, nicht jeder Mitarbeiter in gewisser Weise zum Datenanalysten?
Kotorov: Nein, wenn man jeden Mitarbeiter zum Datenanalysten machen würde, käme die Produktion zum Erliegen. Es gibt eine schöne Studie aus dem Jahr 1995. Die britische Regierung gab damals jedem Mitarbeiter Zugang zu Excel und die Produktivität sank um 50 Prozent.
com! professional: Aber ist nicht jeder Teil des Informationsflusses und der Informationsverarbeitung?
Kotorov: Ja, aber wir müssen zwischen verschiedenen Ebenen und Aufgaben unterscheiden. Ein Manager sollte seine Zeit nicht damit verbringen, selbst Reports zu erstellen, er hat mit der Interpretation der Analyse-Ergebnisse genug zu tun. Ist es die Aufgabe eines Fahrers bei DHL, seine Route selbst zu optimieren? Sicher nicht. Soll ein Arzt Untersuchungsdaten in Excel eingeben und dort analysieren? Nein, er soll Patienten behandeln. Wir brauchen eine klare Unterscheidung zwischen den Mitarbeitern, die Daten analysieren, jenen, die Schlüsse daraus ziehen, und denen, die sie operativ umsetzen.
com! professional: Gibt es Organisationen, die dieses Konzept bereits verwirklicht haben?
Kotorov: Ja, wir haben in unserem Buch viele Beispiele gesammelt, darunter Automobilhersteller, Banken, Lebensmittelkonzerne, aber auch kirchliche Einrichtungen.
Zwar stammen derzeit die Beispiele noch vornehmlich aus den USA. Wir planen aber eine zweite Aus­gabe, in der wir auch Organisa­tionen aus Europa und Japan berücksichtigen wollen.
Verwandte Themen