Gartner „Top Strategic Technology Trends 2022“

Von Data Fabric bis Generative AI

von - 15.02.2022
Foto: Shutterstock / Dan Rise
Das Beratungshaus Gartner hat die Technologien gekürt, die in diesem Jahr strategisch wichtig werden.
Nach den Corona-Herausforderungen dominieren den Marktforschern zufolge 2022 wieder mehr die geschäftlichen Erfordernisse in den Unternehmen – und da besonders die Frage, welche Technologien Wettbewerbsvorteile bringen und den Business-Erfolg sichern.
Das US-Beratungshaus Gartner kürt dazu jährlich die in der nächsten Zeit wichtigsten Technologietrends. Basis sind die Prioritäten der CEOs und die daraus resultierenden Technologieanforderungen an CIOs und IT-Leiter. Für 2022 hat Gartner zwölf Trends ausgemacht, unterteilt in die Kategorien Business-Unterstützung, IT-Neuausrichtung und Vertrauen in IT-Engineering.

Generative KI

Im Bereich Business-Unterstützung sieht Gartner die generative KI als besonders zukunftsträchtig an. Im Prinzip ist das nichts weiter als eine Methode des maschinellen Lernens (ML), die aus Daten über Inhalte oder Objekte lernt. Das Besondere daran ist, dass es diese Daten nutzt, um neue, originelle und realistische Artefakte zu erzeugen. Meist startet das Design mit Entwurfszielen und die KI wühlt sich dann durch unzählige Permutationen. Dabei lernt der Algorithmus mit jedem Durchlauf, was funktioniert und was nicht, und findet schließlich die beste Option. So entstehen Entwürfe, die weit über das hinausgehen, was ein einzelner Mensch erschaffen könnte.
Einsetzen lässt sich generative KI für viele Problemstellungen: Gartner nennt insbesondere Programmierung, Arzneimittelentwicklung und Marketing. Große Konzerne nutzen generative KI bereits. Airbus etwa hat damit eine Kabinentrennwand für die A320-Flotte gestaltet. Auf Basis technischer Vorgaben wie Größe und Belastbarkeit testete das generative System Tausende Konfigurationen. Am Ende stand eine Trennwand, die um 45 Prozent leichter als der Vorgänger war und weniger Treibstoffverbrauch und weniger Emissionen verursachte.
Die zwölf wichtigsten strategischen Technologietrends, die CIOs laut Gartner im Jahr 2022 berücksichtigen sollten.
(Quelle: Gartner )

Vollautonome Systeme

Mehr Business-Unterstützung versprechen auch vollautonome Systeme. Gartner sieht herkömmliche Programmierung und einfache Automatisierung als nicht mehr ausreichend an. Vollautonome Systeme handeln selbstständig, lernen von ihrer Umgebung, lösen komplexe Aufgaben und können ähnlich wie Menschen auf unvorhergesehene Ereignisse reagieren. Im Gegensatz zu automatisierten oder einfachen autonomen Systemen können vollautonome Systeme ihre eigenen Algorithmen dynamisch und ohne externe Software-Aktualisierung ändern.
Klassische Roboter sind typische Beispiele für vollautonome Systeme, aber ebenso Maschinen, Geräte oder Software-Systeme, die in menschlichen Handlungsfeldern eingesetzt werden. Populärstes Beispiel sind autonome Fahrzeuge. In der Produktion können autonome Systeme dort selbsttätig handeln, wo es für den Menschen zu gefährlich ist.
Autonomes Verhalten hat sich durch die jüngsten Einsätze in komplexen Sicherheitsumgebungen bemerkbar gemacht, wird aber längerfristig auch in physischen Systemen wie Robotern, Drohnen, Fertigungsmaschinen und intelligenten Räumen zum Einsatz kommen“, so David Groombridge, Vice President für Forschung bei Gartner.

Total Experience

Unternehmen müssen sich laut Gartner nicht mehr nur um die Kundenerfahrung kümmern, sondern um alle Erfahrungen. „Total Experience“ drückt die Idee aus, isolierte Disziplinen wie Customer-, Employee- und User-Experience miteinander zu verknüpfen, um ein besseres Gesamt­erlebnis zu erreichen hinsichtlich Vertrauen, Zufriedenheit und Loyalität von Kunden und Mitarbeitern.
Technisch geht es um die Vernetzung und Interaktion unterschiedlicher IT-Systeme. Sie sollen Prozesse einfacher, schneller und transparenter gestalten. Gartner nennt als Beispiel die Optimierung eines Kundenbesuchs, der über eine App gebucht werden kann und bei Kontakt Infos zu Anmeldeprozess und Wartezeiten übermittelt.

Distributed Enterprise

Als weiteren Trend im Bereich Business-Unterstützung überträgt Gartner den Begriff des „Distributed Computings“ als „Distributed Enterprise“ auf die IT. Befeuert wurde der Distributed-Trend durch die Pandemie. Traditio­nelle, bürozentrierte Organisationen begannen sich mit Remote- und hybriden Arbeitsmustern zu verteilten Unternehmen zu transformieren und geografisch verstreute Mitarbeiter zu integrieren.
„Ein verteiltes Unternehmen erfordert von CIOs um­fangreiche technische und Service-Änderungen, um reibungslose Arbeitserfahrungen zu ermöglichen, aber die Medaille hat noch eine andere Seite: die Auswirkungen auf die Geschäftsmodelle“, so Groombridge. „Jedes Unternehmen, vom Einzelhandel bis zum Bildungswesen, muss sein Bereitstellungsmodell neu konfigurieren, um verteilte Dienste zu nutzen.“  Laut Gartner erzielen bis 2023 75 Prozent der Unternehmen, die verteilte Dienste nutzen, ein um 25 Prozent schnelleres Umsatzwachstum als der Mitbewerb.

KI-Engineering

KI ist auch bei der Neuausrichtung der IT ein wichtiges Thema. Zuletzt hat sich nämlich gezeigt, dass sich IT-Verantwortliche schwertun, KI praktisch in Anwendungen zu integrieren. Laut einer Umfrage unter CIOs von 2020 gelangen 80 Prozent der KI-Projekte nicht zur Produktionsreife. Abhilfe schafft laut Gartner KI-Engineering. Mit den typischen Vorgehensweisen von Ingenieuren sowie Methoden und Werkzeugen für eine niedrigschwellige Implementierung sollen KI und Machine Learning umsetzbar gemacht werden, nicht zuletzt in KMUs. „Bis 2025 werden die 10 Prozent der Unternehmen, die Best Practices für das KI-Engineering einführen, mindestens dreimal so viel Wert aus ihren KI-Bemühungen schöpfen wie die 90 Prozent der Unternehmen, die dies nicht tun“, sagt Groombridge voraus.

Hyperautomation

Hyperautomation firmierte schon in den letzten beiden Jahren als strategische Technologie. Es ist ein umfassender Ansatz, der verfügbare Technologien miteinander kombiniert – nach dem Motto: „Alles, was sich automatisieren lässt, wird automatisiert“. Kerntechnologie ist laut Gartner Robotic Process Automation (RPA), angereichert durch KI und ML. Diese Kombination soll dort automatisieren, wo das zuvor nicht möglich war, etwa undokumentierte Prozesse, die sich auf unstrukturierte Dateneingaben stützen. Zur Hyperautomation tragen aber auch Technologien wie Low-Code-Programmierung, Process-Mining-Tools sowie neue IoT- und Integrationsplattformen bei. „Die Untersuchungen von Gartner zeigen, dass sich die erfolgreichsten Hyperautomatisierungsteams auf drei Hauptprioritäten konzentrieren: Verbesserung der Arbeitsqualität, Beschleunigung der Geschäftsprozesse und Erhöhung der Agilität der Entscheidungsfindung“, so Groombridge.

Decision Intelligence

Decision Intelligence ist eine praktische Disziplin zur Entscheidungsfindung. Dabei wird analysiert, wie Entscheidungen getroffen und Ergebnisse bewertet, gemanagt und verbessert werden können. Gartner prognostiziert, dass in den nächsten zwei Jahren ein Drittel der großen Unternehmen Decision Intelligence einsetzen wird.

Composable Applications

Composable Applications (zusammensetzbare Anwendungen) nennt Gartner eine Architektur, die einen schnellen und effizienten Anwendungswechsel unterstützt. „In turbulenten Zeiten helfen Composable-Business-Prinzipien den Unternehmen, den beschleunigten Wandel zu meistern, der für die Widerstandsfähigkeit und das Wachstum des Unternehmens unerlässlich ist“, erläutert David Groombridge. „Ohne sie laufen moderne Unternehmen Gefahr, ihre Marktdynamik und ihre Kunden zu verlieren.“ Und Monika Sinha, Research Vice President bei Gartner, erklärt: „63 Prozent der CIOs in Unternehmen mit hoher Composability berichteten im vergangenen Jahr über eine bessere Geschäftsleistung im Vergleich zu Mitbewerbern.“ Unternehmen mit einem solchen Ansatz werden laut Gartner ihre Konkurrenz beim Implementierungstempo für neue Funktionen um 80 Prozent übertreffen.

Cloudnative Plattformen

In ihrer dritten Trend-Kategorie – Vertrauen ins IT-Engineering – propagieren die Analysten die Abwendung von den üblichen „Lift and Shift“-Migrationen hin zu cloudnativen Plattformen (CNPs). CNPs sind Anwendungen, die speziell für Cloud-Computing-Architekturen entwickelt wurden. Sie laufen nicht mehr im hauseigenen Rechenzentrum, sondern von Anfang an in einer Cloud-Umgebung.
David Groombridge
Vice President für Forschung bei Gartner
Foto: Gartner
„Daten ziehen sich wie ein roter Faden durch viele der diesjährigen Trends, aber sie sind nur dann nützlich, wenn Unternehmen ihnen vertrauen können.“

Cloudnative Applikationen ermöglichen es, skalierbare Anwendungen schneller zu entwickeln und zu aktualisieren. Sehr elastische IT-Funktionen sorgen für eine schnellere Wertschöpfung und geringere Kosten. Fehlertolerant und responsiv können sie in jedem Cloud-Modell abgebildet werden, ob Private, Public oder Hybrid Cloud. Gartner prognostiziert, dass cloudnative Plattformen bis 2025 als Basis für mehr als 95 Prozent der neuen digitalen Initiativen dienen – im Vergleich zu unter 40 Prozent 2021.

Privacy-Enhancing Computation

CIOs müssen verhindern, dass das Vertrauen der Kunden aufgrund von Datenschutzvorfällen verloren geht. Gartner geht daher davon aus, dass 60 Prozent der großen Unternehmen bis 2025 eine oder mehrere Techniken zur Verbesserung des Datenschutzes einsetzen werden.
Privacy-Enhancing Computation Techniques, kurz PEC, sind Programme, die den Datenschutz verbessern, indem sie persönliche und sensible Informationen auf Daten-, Software- oder Hardware-Ebene schützen. Sie ermöglichen zudem die sichere gemeinsame Nutzung, Zusammenführung und Analyse von Daten. „Daten ziehen sich wie ein roter Faden durch viele der diesjährigen Trends, aber sie sind nur dann nützlich, wenn Unternehmen ihnen vertrauen können“, sagt Groombridge. „Heutzutage können sich Anlagen und Benutzer überall befinden, was bedeutet, dass der traditionelle Sicherheitsbereich nicht mehr existiert.“

Cybersecurity Mesh

Mit Cybersecurity Mesh (CSMA) rückt Gartner ein neues Cybersicherheits-Konzept in den Blick. Die Idee dahinter ist, den Sicherheitsbereich einer Person im Internet abzuschirmen und in einer Art mobilen Sicherheitszone alle Ressourcen unabhängig von ihrem Standort zu schützen, auch außerhalb traditioneller Sicherheitszonen im Unternehmen. „Bis 2024 werden die Firmen, die CSMA einführen, die finanziellen Einbußen von Sicherheitsvorfällen im Schnitt um 90 Prozent reduzieren“, glaubt Groombridge.

Data Fabric

Daten sind heute das Öl jedes Unternehmens – aber oft nur schwer zugänglich. Viele verteilte Silos verhindern, dass die Unternehmensdaten optimal genutzt werden können. Eine Data Fabric soll die Daten- und Anwendungssilos beseitigen und Daten besser integrieren. Sie ist im Kern eine Architektur für das Datenmanagement, die den Zugriff auf verteilte Daten optimiert und intelligent kuratiert – auch die Bereitstellung von Selfservices für Datenkonsumenten. Dabei verbindet eine Data Fabric mehrere Standorte, Datentypen und -quellen miteinander und stellt zahlreiche Methoden bereit, um auf die Daten zuzugreifen. Die Möglichkeit des Zugriffs auf die richtigen Daten, unabhängig davon, wo sie gespeichert sind, erhöht den Wert von Unternehmensdaten.
Für Gartner liegt der eigentliche Qualität einer Data Fabric aber in ihrer Fähigkeit, die Datennutzung mit ihren integrierten Analysen dynamisch zu verbessern, den Aufwand für die Datenverwaltung um bis zu 70 Prozent zu senken und die Wertschöpfungszeit zu verkürzen.
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