Cloud-Angebote nach Maß statt von der Stange

Interview mit dem EuroCloud Deutschland Direktor

von - 11.02.2016
Andreas Weiss
Andreas Weiss

Interview

„Es gibt keinen Königsweg in die Cloud“
Systemhäuser können beim Weg in die Cloud sehr hilfreich sein, findet Andreas Weiss, Direktor EuroCloud Deutschland_eco e.V. Was diese leisten sollten und warum viele es noch nicht tun, erläutert er im Interview mit com! professional.
com! professional: Warum sollten Unternehmen Cloud-Services von einem Systemhaus beziehen und nicht direkt von Google, Amazon oder Microsoft?
Andreas Weiss: Die von Ihnen genannten Cloud-Service-Anbieter können sicher an der einen oder anderen Stelle den Kunden direkt erreichen. In komplexeren Projekten sehe ich diese Option aber nicht. Vor allem bei mittelständischen Unternehmen, die ihre IT-Sourcing-Strategie um Cloud-Elemente erweitern wollen, ergeben sich viele Fragen, die nicht so einfach ohne fachkundige Unterstützung zu beantworten sind. Hier kann die Kompetenz eines Systemhauses sehr hilfreich sein. Wir haben einige EuroCloud-Mitglieder, die das Cloud-Thema aufgegriffen haben und über das reine technische Management hinaus auch Beratungsleistungen erbringen. Zu nennen wären etwa Fritz & Macziol, die sehr konsequent ihre Cloud-Strategie umsetzen, oder ConSol, die eher im Bereich DevOps tätig sind.
com! professional: In welchen Bereichen ist die Unterstützung durch ein Systemhaus besonders wichtig?
Weiss: Neben der rein technischen Betrachtung haben wir beim Umstieg auf die Cloud erhebliche organisatorische Herausforderungen. Umfragen zeigen, dass die Themen Sicherheit, Compliance und Anbieterabhängigkeit weiterhin im Vordergrund stehen, auch wenn in letzter Zeit mehr Transparenz geschaffen wurde. Es ist ein ziemlicher Aufwand, angemessene Bewertungen durchzuführen und die Strategie darauf abzustimmen. Ein Systemhaus mit Expertise in diesen Grundfragen und mit den richtigen Planungsansätzen kann hier punkten. Auch die Frage des Monitorings ist nicht so einfach zu beantworten. Der IT-Verantwortliche muss ja die Leistung des Cloud-Services reporten können. Da sehen wir einige Systemhäuser, die vorangehen, Tools für diese Aufgabe testen und die Erfahrungen an ihre Kunden weitergeben. Schließlich kann sich ein Systemhaus mit eigenem Rechenzen­trum auch direkt als Cloud-Dienstleister mit ins Spiel bringen. Systemhäuser, die aus Deutschland heraus am Markt agieren, haben dabei einen Standortvorteil.
com! professional: Welche Rolle spielen Systemhäuser allgemein im Cloud-Geschäft? Bieten sie die richtigen Angebote oder gibt es Marktlücken?
Weiss: Jedes Systemhaus behauptet von sich „wir können Cloud“, aber man muss genauer hinschauen, was wirklich dahintersteckt. Für die meisten scheint der klassische Bereich noch attraktiver zu sein, weil dort die Margen höher, die Volumina größer und die Laufzeiten der Verträge länger sind. Cloud ist ein ganz anderer Geschäftsansatz, die Margen sind sehr überschaubar. Da geht es um Flexibilität, Services müssen schnell verfügbar sein und auch wieder gekündigt werden können. Wir sehen aber einen starken Trend in diese Richtung und eine Verschiebung der IT-Ausgaben hin zu Cloud-Services. Das sind keine additiven Umsätze und das werden die Systemhäuser noch empfindlich zu spüren bekommen. Dazu kommt, dass Distributoren wie Ingram Micro oder Tech Data immer mehr Cloud-Services in ihre Reseller-Portale aufnehmen und damit einen weiteren Kanal eröffnen.
com! professional: Nach welchen Kriterien sollte ein Unternehmen ein Systemhaus als Cloud-Anbieter auswählen?
Weiss: Da sind erst einmal die Basiskriterien abzuklären. Prinzipiell muss man sich fragen: Sind meine Compliance-Vorgaben angemessen erfüllt? Bin ich im Einklang mit Datenschutzvorgaben? Habe ich ein angemessenes Sicherheitsniveau für meine Daten, die ich in der Cloud verarbeiten lasse? Das sind alles Kriterien, die wir auch für das EuroCloud Star Audit definiert haben. Wichtig ist zudem, in welchem Rechtsraum sich die Daten befinden. Das ist die Ebene, ob ein Anbieter überhaupt infrage kommt. Die andere Ebene ist die technische Betrachtung: Liefert er die Funktionen, die ich brauche, gibt es die notwendigen Schnittstellen zur lokalen IT, etwa einem ERP-System, kann alles wie vorgesehen verknüpft und gemonitort werden? Es ist durchaus eine Herausforderung für ein mittelständisches Unternehmen, diese Fragen zu klären. Wir würden uns wünschen, dass die Systemhäuser das leisten, zusammen mit den IT-Beratern.
com! professional: Was muss ein Unternehmen bei der Vertrags­gestaltung beachten?
Weiss: Im Kern geht es darum, in den Bereichen Recht, Datenschutz und Compliance Transparenz herbeizuführen, hierfür bieten wir eine Checkliste. Entscheidend ist zudem, nach welchem Recht der Vertrag gestaltet ist. Es kann für einen deutschen Mittelständler sehr problematisch werden, wenn sich der Gerichtsstand in Kalifornien befindet. Wichtig ist auch immer die Exit-Frage, wie kann ich aus dem Cloud-Service wieder aussteigen? Schließlich muss Klarheit darüber herrschen, welche Subunternehmer beteiligt sind. In vielen Fällen ist Cloud ja eine Lieferkette. Wenn es um die Servicegüte geht, stellt sich nicht nur die Frage, wie hoch die Verfügbarkeit ist, sondern auch, welcher zeitliche Rahmen zugrunde gelegt wird. Es ist ein himmelweiter Unterschied, ob ich 99 Prozent Verfügbarkeit auf den Monat oder aufs Jahr bezogen garantiert bekomme. Im ersten Fall darf der Service höchstens ein paar Stunden ausfallen, im zweiten kann er dagegen mehrere Tag nicht verfügbar sein, ohne dass eine Vertragsverletzung vorliegt. Ansonsten hängt die Vertragsgestaltung sehr stark davon ab, was ich genau buche. Im Infrastrukturbereich habe ich andere Service-Level-Anforderungen als bei Applikationen. Da gibt es keinen Königsweg in die Cloud.
com! professional: Sehen Sie auch Nachteile, wenn Cloud-Services von einem Systemhaus bezogen werden?
Weiss: Stand heute nicht. Ich kenne viele Systemhäuser, die in der Lage sind, Infrastrukturdienste anzubieten, die völlig wettbewerbsfähig zu den Global Playern sind, wenn man alle Kosten berücksichtigt. Natürlich sind Google, Microsoft und Amazon die Platzhirsche, aber das ist nicht der Kern des Ganzen. Wir haben eine riesige Zielgruppe an mittelständischen Unternehmen, die einen verlässlichen und erreichbaren Partner suchen, mit dem man in den Dialog eintreten kann. Das ist im Moment ein deutlicher Vorteil für die Systemhäuser. Bei Amazon, Google und Co. müssen Sie schon ein erhebliches Volumen erreichen, um einen direkten Ansprechpartner zu bekommen. Auf der anderen Seite sind deren Ressourcen einfach zugänglich und funktionieren auch gut. Sie sind allerdings im Compliance-Bereich grenzwertig. Für eine Testumgebung oder ein Entwicklungsprojekt sind sie aber durchaus geeignet.
Verwandte Themen